Als Berufsgattung ist der Buchdrucker unlängst ausgestorben. Nicht aber als Borkenkäferart. Im Gegenteil: Diesem geht es derzeit sogar prächtig – zum Leidwesen der Förster.
Zwar nicht mit Papier, doch zumindest mit der Verarbeitung von Holz ist der fünf Millimeter grosse, bräunlich behaarte Käfer tüchtig am Werk. So tüchtig wie zuletzt im Hitzesommer 2003. Oliver Frey, Präsident des Aargauer Försterverbands, sagt: «In den letzten drei Wochen mussten viele Forstbetriebe erhebliche Schäden hinnehmen.»
Herrschten Bedingungen wie diesen Sommer, sei man praktisch machtlos. Ungehindert verbreiten sich dann die Borkenkäfer. Allein die Forstverwaltung Suhr-Buchs-Aarau musste deshalb bereits 2000 Kubikmeter Holz roden. Das sind gut 100 Lastwagen voller Baumstämme. Und es werden noch mehr dazukommen.
Werner Lutz ist seit zwölf Jahren Förster im betroffenen Gebiet. Ständig suche er momentan den Wald ab nach Befallsmerkmalen. Etwa nach Bohrmehl – ein eindeutiges Zeichen für Borkenkäfer. Getroffen hat es vor allem Fichten, aber auch Lärchen und Weisstannen. Befallene Bäume werden markiert, gefällt, entastet, in verkaufsfähige Stücke gesägt. Und weil es derzeit so viele Bäume sind, hat Lutz neben dem eigenen Personal noch zwei weitere Forstunternehmen beauftragt. An Spitzentagen holzen nun zehn Förster.
«Wir versuchen, das Holz möglichst schnell an Sägewerke zu verkaufen – doch leider ist der Markt schlecht.» Zu tief seien Preis und Nachfrage. Die wirtschaftlichen Folgen kann und will Lutz noch nicht abschätzen. Gravierend seien sie, das steht fest. Aber auch waldbaulich sei es schade. «Wir müssen nun Bäume fällen, die man noch 20 bis 30 Jahre hätte wachsen lassen.»
Borkenkäfer sorgen also für grosse Einbussen bei den schon durch den starken Franken gebeutelten Förstern. Doch warum breitet sich das Insekt gegenwärtig derart aus? Und weshalb beschädigt es überhaupt die Bäume? Der «Buchdrucker» etwa hat es vor allem auf Fichten abgesehen – ein Baum, dem der Klimawandel besonders zusetzt. Sobald sich das Insekt durch die Rinde gebohrt hat, beginnt der Kampf zwischen Käfer und Baum. Mit Harz wehrt sich die Fichte gegen den Eindringling. Im Normalfall erfolgreich.
Doch wegen der Trockenheit und Hitze sind die Bäume geschwächt, können nicht genug Harz produzieren. Vor allem nicht, wenn mehrere Männchen angreifen. Ein solches frisst sich in den Stamm hinein, gräbt eine sogenannte Rammelkammer und lockt mit Pheromonen zwei, drei Weibchen an. Diese bilden nach der Begattung weitere Gänge und legen je bis zu 50 Eier ab. Sie vermehren sich exponentiell, die Borkenkäfer – und töten Baum für Baum.
Der Grund: Larven und junge Käfer fressen in der Bastschicht, der Lebensader eines Baums, und unterbrechen damit den Saftstrom. Ein doppeltes Pech für die Förster: Erstens müssen sie den Baum möglichst schnell fällen, damit die Käfer nicht zum nächsten weiterfliegen. Zweitens verliert das Holz an Wert: Wegen des unterbrochenen Saftstroms entsteht am Rand des Stamms ein Bläuepilz. Die Verfärbung mindert den Holzpreis.
Die grössten Schäden hat im Aargau der Surhard-Wald erlitten, das Waldstück zwischen Aarau und Rupperswil. Hier, wo der Aaregletscher einst Schotter ablegte, ist der Boden kieshaltig. Und deshalb trockne er schnell aus, erklärt Lutz. Zwar versuche er, durch eine vielfältige Baumartenmischung den Wald fit zu halten. «Doch auch der gesündeste Wald hat Mühe bei solchen Wetterextremen.»
Etwas weniger schwer traf die Borkenkäfer-Epidemie das Revier von Marcel Hablützel, Förster der Forstgemeinschaft Region Seon. Befallen seien etwa 500 bis 600 Kubikmeter – Einbussen von gut 9000 Franken. «Solche Probleme hatten wir in den letzten Jahren nie», sagt er. Nur 2003 habe er ähnlich schlimm in Erinnerung. «Damals gab es drei Käfergenerationen, heuer sind es bisher zwei.» Der Borkenkäfer verbreitet sich zwar schnell, doch entwickelt sich für ein Insekt vergleichsweise langsam: Bei guten Verhältnissen dauert es zwischen acht und zwölf Wochen – vom Ei bis zum ausgewachsenen Käfer.
Hablützel ist froh, dass es bald kälter wird. «Die Population kann sich nicht mehr lange entwickeln.» Bei unter 16 Grad gehe die Aktivität zurück – und die ersten Käfer gingen allmählich in den Ruhestand. Sie sterben? «Nein», sagt Hablützel. «Ausgewachsene Borkenkäfer können problemlos überwintern – und zwar bis zu minus 35 Grad.» Für die Förster ist nun der nächste Frühling entscheidend; sie hoffen auf einen möglichst regenreichen. Bleibt es aber trocken, droht geradezu eine Invasion von Borkenkäfern.