Die Premiere fand auf dem Dach des ETH-Maschinenlaboratoriums mitten in Zürich statt. Die Wissenschaftler der ETH stellten am vergangenen Donnerstag eine Forschungsanlage vor, die aus Sonnenlicht und Luft synthetische flüssige Treibstoffe produziert. Und zwar CO2-neutral, denn bei der Verbrennung wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie zuvor der Luft entnommen wurde.
Die Weltneuheit der ETH-Forscher wurde in der watson-Community rege und kontrovers diskutiert. Und es tauchten Fragen auf – von denen wir einige an Philipp Furler vom Institut für Energietechnik weiterreichten. Hier seine Antworten:
Philipp Furler: Hier muss man Äpfel mit Äpfeln vergleichen, und nicht mit Birnen. Wir stellen CO2-neutrale flüssige Treibstoffe her und keinen Strom. Es handelt sich um ein thermochemisches Verfahren, bei dem CO2 und Wasser aus der Luft mit Solarwärme in ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid (Synthesegas) aufgespalten wird. Das gewonnene Synthesegas wird anschliessend in flüssige Treibstoffe verarbeitet. Bei diesem Prozess wird also kein Strom erzeugt, sondern ein chemischer Energieträger. Er lässt sich darum nicht direkt mit der Produktion von Solarstrom vergleichen.
Philipp Furler: CO2 ist ein Gas, das sich recht schnell in der Atmosphäre verteilt. Der CO2-Gehalt ist darum überall nahezu gleich, er liegt bei rund 400 ppm (parts per million). Genau darum handelt es sich bei CO2-Emissionen auch um ein globales Problem – wenn das Gas zum Beispiel in China freigesetzt wird, betrifft uns das im gleichen Mass wie die Leute dort.
Philipp Furler: Syngas oder Synthesegas ist ein Gemisch aus Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO) und wird momentan vornehmlich aus Erdgas hergestellt. Aus Syngas lassen sich zahlreiche flüssige und gasförmige Treibstoffe wie Kerosin, Diesel, Methanol, Benzin oder auch Methan herstellen. Diese Verfahren sind bereits industriell und werden in grossem Massstab für die Herstellung von Treibstoffen angewandt.
Philipp Furler: Unser Verfahren hat gegenüber der Produktion von Agrotreibstoffen wie zum Beispiel Biodiesel zwei Hauptvorteile: Erstens ist es viel effizienter, das heisst, auf der gleichen Fläche kann deutlich mehr Treibstoff produziert werden. Zweitens benötigen Agrotreibstoffe Kulturland – sie treten also notgedrungen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Das ist bei unserem Verfahren nicht der Fall; die benötigte Fläche ist bevorzugt unfruchtbare Wüste, wo genügend Sonneneinstrahlung vorhanden ist.
Im Übrigen zielen wir bei der Produktion auf eine Ausbeute von 20 Tonnen Kerosin pro Tag auf einem Quadratkilometer, nicht pro Jahr.
Philipp Furler: Wüstenluft enthält genug Feuchtigkeit. Der Prozess scheidet neben CO2 gleichzeitig Wasser in genügend grossen Mengen ab. Dies ist gerade in Wüstengebieten ein Vorteil.
Philipp Furler: Die Grundthematik ist richtig dargestellt: Emissionen wirken sich in grosser Höhe anders aus als am Boden. Dies gilt übrigens nicht nur für CO2, sondern besonders auch für die Emissionen durch Verunreinigungen in fossilen Treibstoffen durch Schwefel oder ähnliche Komponenten. Unsere Treibstoffe sind frei von diesen Verunreinigungen, und darum sind auch die Auswirkungen in der Höhe geringer.
Das Verfahren eignet sich natürlich auch für die Produktion von Treibstoff für den Strassenverkehr. Dieser wird in Zukunft, so denke ich, ein Mix aus diversen Technologien sein; neben Elektrofahrzeugen wird es auch durch synthetische Treibstoffe angetriebene Fahrzeuge geben.
Philipp Furler: Ja, das könnte man machen. Falls man den Treibstoff langfristig lagert und nicht verbrennt, hätte man negative CO2-Emissionen erreicht. Dazu muss aber nicht unbedingt ein Treibstoff erzeugt werden; es gibt bereits heute andere Verfahren, um CO2 aus der Atmosphäre abzuscheiden und langfristig im Gestein zu binden (siehe www.climeworks.com).
Philipp Furler: Man kann für den Prozess natürlich auch CO2 von einer Punktquelle beziehen, zum Beispiel aus den Abgasen eines fossilen Kraftwerks. Dabei würde der Kohlenstoff zweimal verwendet – einmal im Kraftwerk und einmal beim Verbrennen des Treibstoffs –, bevor er in die Atmosphäre gelangt. Der Prozess würde die CO2-Emissionen grob halbieren, wäre aber nicht CO2-neutral.
Im Vergleich mit anderen Verfahren, die ebenfalls klimaneutral sind, ist unser Verfahren direkter, effizienter und dadurch langfristig günstiger.
Philipp Furler: Wir produzieren Treibstoff, nicht Strom. Treibstoffe wie Benzin oder Kerosin sind sehr lange lagerbare und einfach transportierbare Energieträger, die in bestimmten Fällen kaum zu ersetzen sind (beispielsweise in der Luftfahrt).
Philipp Furler: Man muss hier aufpassen, dass man nicht zwei unterschiedliche Dinge miteinander vergleicht. Fossile Treibstoffe – Erdöl, Kohle oder Erdgas – wurden von der Natur über Millionen von Jahren gebildet. Sie sind endlich, also nicht erneuerbar. Dies, weil wir sie viel schneller verbrauchen, als neue entstehen. Bei unserem Verfahren dagegen verwenden wir Sonnenenergie, um künstlich aus Luft einen Treibstoff zu erzeugen – wir speichern also die Sonnenenergie in chemischer Form. Das ist an sich eine nahezu unendliche und erneuerbare Ressource, die den gesamten Energiebedarf der Menschheit decken könnte.
Philipp Furler: Das habe ich mir tatsächlich schon überlegt. Die Marsatmosphäre besteht hauptsächlich aus CO2, aus dem wir mit dem gleichen Verfahren reinen Sauerstoff und Treibstoff (CO) herstellen könnten – und Sauerstoff ist auf dem Mars Mangelware. Wir fokussieren aber in erster Linie darauf, die Probleme hier auf der Erde zu lösen.
(dhr)