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ETH-Solar-Raffinerie: Der Projektleiter beantwortet Fragen zum neuen Reaktor

Mini-Solarraffinerie: Forschungsanlage auf dem Dach des ETH-Gebäudes an der Sonneggstrasse.
Forschungsanlage auf dem Dach des ETH-Gebäudes an der Sonneggstrasse.Bild: ETH Zürich / Alessandro Della Bella
Interview

«Direkter, effizienter und günstiger» – ETH beantwortet Fragen zur solaren Mini-Raffinerie

Die ETH Zürich hat eine Weltpremiere präsentiert: eine solare Mini-Raffinerie, die aus Licht und Luft Treibstoff herstellt. Die neue Technologie hat bei den watson-Usern eine rege Diskussion ausgelöst. Philipp Furler beantwortet einige der User-Fragen.
18.06.2019, 11:4218.06.2019, 17:36
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Die Premiere fand auf dem Dach des ETH-Maschinenlaboratoriums mitten in Zürich statt. Die Wissenschaftler der ETH stellten am vergangenen Donnerstag eine Forschungsanlage vor, die aus Sonnenlicht und Luft synthetische flüssige Treibstoffe produziert. Und zwar CO2-neutral, denn bei der Verbrennung wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie zuvor der Luft entnommen wurde.

Die Weltneuheit der ETH-Forscher wurde in der watson-Community rege und kontrovers diskutiert. Und es tauchten Fragen auf – von denen wir einige an Philipp Furler vom Institut für Energietechnik weiterreichten. Hier seine Antworten:

Inspector Callahan
Leser-Kommentar von Inspector Callahan
14.06.2019 08:23
Und was ist der Wirkungsgrad verglichen mit direkt PV in ein EV oder eine stationäre Batterie? Ich würde sagen obermies.
Zu: Dieser Reaktor produziert Treibstoff aus Licht und Luft – und steht in Zürich

Philipp Furler: Hier muss man Äpfel mit Äpfeln vergleichen, und nicht mit Birnen. Wir stellen CO2-neutrale flüssige Treibstoffe her und keinen Strom. Es handelt sich um ein thermochemisches Verfahren, bei dem CO2 und Wasser aus der Luft mit Solarwärme in ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid (Synthesegas) aufgespalten wird. Das gewonnene Synthesegas wird anschliessend in flüssige Treibstoffe verarbeitet. Bei diesem Prozess wird also kein Strom erzeugt, sondern ein chemischer Energieträger. Er lässt sich darum nicht direkt mit der Produktion von Solarstrom vergleichen.

Sharkdiver
Leser-Kommentar von Sharkdiver
13.06.2019 15:01
Hat der CO2 Gehalt in der Luft einen Einfluss auf die Produktionsmänge? Macht es ein Unterschied ob die Anlage neben einer co2 Schleuder steht oder Z.B. der Wüste?
Zu: Dieser Reaktor produziert Treibstoff aus Licht und Luft – und steht in Zürich

Philipp Furler: CO2 ist ein Gas, das sich recht schnell in der Atmosphäre verteilt. Der CO2-Gehalt ist darum überall nahezu gleich, er liegt bei rund 400 ppm (parts per million). Genau darum handelt es sich bei CO2-Emissionen auch um ein globales Problem – wenn das Gas zum Beispiel in China freigesetzt wird, betrifft uns das im gleichen Mass wie die Leute dort.

Philipp Furler, Co-Gründer Synhelion
Philipp Furler. Screenshot: SRF
Dr. Philipp Furler, wissenschaftlicher Mitarbeiter der ETH, hat die Entwicklung der Forschungsanlage geleitet. Er arbeitet nun als technischer Direktor (CTO) des ETH-Spinoffs Synhelion an der Kommerzialisierung der Technologie.
Blofeld
Leser-Kommentar von Blofeld
13.06.2019 23:34
Ich weiss, ich hab in Chemie nicht richtig aufgepasst... ich habe Fragen: Syngas = Methan? Oder ist Methan bereits ein aus Syngas hergestellter Treibstoff? Warum wird denn Methan und nicht Kerosin hergestellt, wenn die Luftfahrt doch der Zielmarkt ist? Bei der Herstellung der gebräuchlichen Treibstoffe aus Syngas, gibts da Unterschiede beim Aufwand? watson brachte mal einen Artikel über die Firma Silent-Power. Da ging es um den co2 neutralen Treibstoff Methanol. Syngas vs. Methanol, wie muss ich das einordnen?
Zu: Dieser Reaktor produziert Treibstoff aus Licht und Luft – und steht in Zürich

Philipp Furler: Syngas oder Synthesegas ist ein Gemisch aus Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO) und wird momentan vornehmlich aus Erdgas hergestellt. Aus Syngas lassen sich zahlreiche flüssige und gasförmige Treibstoffe wie Kerosin, Diesel, Methanol, Benzin oder auch Methan herstellen. Diese Verfahren sind bereits industriell und werden in grossem Massstab für die Herstellung von Treibstoffen angewandt.

Quacksalber
Leser-Kommentar von Quacksalber
14.06.2019 10:25
Auf dem Fläschchen welches Prof. Steinfeld in der Hand hält steht MeOH plus H2O, also Methanol. Kerosin ist etwas anderes. Wenn man auf einem km2 20 Tonnen pro Jahr davon produzieren kann, also etwa die Menge für einen Langstreckenflug frage ich mich ob mit Obstbäumen und Vergärung zu Alkohol auf der gleichen Fläche nicht mehr Energie in flüssiger Form gewonnen werden könnte.
Zu: Dieser Reaktor produziert Treibstoff aus Licht und Luft – und steht in Zürich

Philipp Furler: Unser Verfahren hat gegenüber der Produktion von Agrotreibstoffen wie zum Beispiel Biodiesel zwei Hauptvorteile: Erstens ist es viel effizienter, das heisst, auf der gleichen Fläche kann deutlich mehr Treibstoff produziert werden. Zweitens benötigen Agrotreibstoffe Kulturland – sie treten also notgedrungen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Das ist bei unserem Verfahren nicht der Fall; die benötigte Fläche ist bevorzugt unfruchtbare Wüste, wo genügend Sonneneinstrahlung vorhanden ist.
Im Übrigen zielen wir bei der Produktion auf eine Ausbeute von 20 Tonnen Kerosin pro Tag auf einem Quadratkilometer, nicht pro Jahr.

deleted_447501928
Leser-Kommentar von deleted_447501928
13.06.2019 18:15
Hat es in der Wüstenluft nicht zu wenig Wasser?
Zu: Dieser Reaktor produziert Treibstoff aus Licht und Luft – und steht in Zürich

Philipp Furler: Wüstenluft enthält genug Feuchtigkeit. Der Prozess scheidet neben CO2 gleichzeitig Wasser in genügend grossen Mengen ab. Dies ist gerade in Wüstengebieten ein Vorteil.

All- und nichtswissender Student
Leser-Kommentar von All- und nichtswissender Student
14.06.2019 09:27
Riesen Leistung und spannendes Projekt. Solche Treibstoffe sollten aber für die Automobilbranche deutlich interessanter sein als für die Luftfahrt. Emissionen in 6000 Metern Höhe haben einen 4 mal höheren Klima-impact als Emissionen am Boden. Wir entziehen aber CO2 am Boden. Somit bleibt 3/4 der Klimabelastung des Flugverkehrs bestehen. Somit wäre die Airline Industrie keinesfalls Klimaneutral unterwegs... wie auch immer, ich hoffe, dass das Projekt sich gut entwickelt und wir den Treibstoff bald grossflächig so produzieren können :)
Zu: Dieser Reaktor produziert Treibstoff aus Licht und Luft – und steht in Zürich

Philipp Furler: Die Grundthematik ist richtig dargestellt: Emissionen wirken sich in grosser Höhe anders aus als am Boden. Dies gilt übrigens nicht nur für CO2, sondern besonders auch für die Emissionen durch Verunreinigungen in fossilen Treibstoffen durch Schwefel oder ähnliche Komponenten. Unsere Treibstoffe sind frei von diesen Verunreinigungen, und darum sind auch die Auswirkungen in der Höhe geringer.
Das Verfahren eignet sich natürlich auch für die Produktion von Treibstoff für den Strassenverkehr. Dieser wird in Zukunft, so denke ich, ein Mix aus diversen Technologien sein; neben Elektrofahrzeugen wird es auch durch synthetische Treibstoffe angetriebene Fahrzeuge geben.

C137
Leser-Kommentar von C137
13.06.2019 19:03
Vielleicht eine etwas dumme Frage: Könnte man mit einer solchen Maschine nicht auch einfach nur CO2 binden? Oder ist es doch besser ein paar Bäume pflanzen zu gehen? ;-)
Zu: Dieser Reaktor produziert Treibstoff aus Licht und Luft – und steht in Zürich

Philipp Furler: Ja, das könnte man machen. Falls man den Treibstoff langfristig lagert und nicht verbrennt, hätte man negative CO2-Emissionen erreicht. Dazu muss aber nicht unbedingt ein Treibstoff erzeugt werden; es gibt bereits heute andere Verfahren, um CO2 aus der Atmosphäre abzuscheiden und langfristig im Gestein zu binden (siehe www.climeworks.com).

bio-future
Leser-Kommentar von bio-future
13.06.2019 18:05
Zuerst die Ressourcen mit hohem Anteil an CO2 zu verwenden (Abluft von Industrie) wäre sinnvoller. Syngas kann auf sinnvollere Weise ohne 1500 Grad produziert werden. Es gibt schon wertvollere Ideen und langjährige Projekte: https://carboncapturecoalition.org
Zu: Dieser Reaktor produziert Treibstoff aus Licht und Luft – und steht in Zürich

Philipp Furler: Man kann für den Prozess natürlich auch CO2 von einer Punktquelle beziehen, zum Beispiel aus den Abgasen eines fossilen Kraftwerks. Dabei würde der Kohlenstoff zweimal verwendet – einmal im Kraftwerk und einmal beim Verbrennen des Treibstoffs –, bevor er in die Atmosphäre gelangt. Der Prozess würde die CO2-Emissionen grob halbieren, wäre aber nicht CO2-neutral.
Im Vergleich mit anderen Verfahren, die ebenfalls klimaneutral sind, ist unser Verfahren direkter, effizienter und dadurch langfristig günstiger.

neoliberaler Raubtierkapitalist
Leser-Kommentar von neoliberaler Raubtierkapitalist
13.06.2019 16:31
Ich möchte nicht pessimistisch wirken, aber wir bräuchten Systeme, die im Winter Strom produzieren könnten und im Sommer lagerfähige Energieformen. Dieses System scheint aber im Moment nur die lagerbare Energieform zu produzieren. Ob das dann günstiger ist als Strom aus Photovoltaik, bezweifle ich.
Zu: Dieser Reaktor produziert Treibstoff aus Licht und Luft – und steht in Zürich

Philipp Furler: Wir produzieren Treibstoff, nicht Strom. Treibstoffe wie Benzin oder Kerosin sind sehr lange lagerbare und einfach transportierbare Energieträger, die in bestimmten Fällen kaum zu ersetzen sind (beispielsweise in der Luftfahrt).

Toerpe Zwerg
Leser-Kommentar von Toerpe Zwerg
13.06.2019 15:35
"Laut den ETH-Forschenden könnte der Kerosin-Bedarf der gesamten Luftfahrt also mit einer Anlage von der Fläche der Schweiz oder einem Drittel der Mojave-Wüste in Kalifornien gedeckt werden." Daran kann man den Irrsinn solcher Verfahren ablesen - gigantische Anlagen mit riesigem Flächenverbrauch. Würde mich interessieren, wie häufig die Spiegel gereinigt werden müssen, damit die Leistung nicht zu stark abfällt. Das massenhafte Sammeln von Energieformen mit minimaler Energiedichte ist nicht so umweltfreundlich, wie es auf den ersten Blick scheint.
Zu: Dieser Reaktor produziert Treibstoff aus Licht und Luft – und steht in Zürich

Philipp Furler: Man muss hier aufpassen, dass man nicht zwei unterschiedliche Dinge miteinander vergleicht. Fossile Treibstoffe – Erdöl, Kohle oder Erdgas – wurden von der Natur über Millionen von Jahren gebildet. Sie sind endlich, also nicht erneuerbar. Dies, weil wir sie viel schneller verbrauchen, als neue entstehen. Bei unserem Verfahren dagegen verwenden wir Sonnenenergie, um künstlich aus Luft einen Treibstoff zu erzeugen – wir speichern also die Sonnenenergie in chemischer Form. Das ist an sich eine nahezu unendliche und erneuerbare Ressource, die den gesamten Energiebedarf der Menschheit decken könnte.

Bynaus
Leser-Kommentar von Bynaus
13.06.2019 15:13
Ha, die sollten mal bei Elon Musk anrufen. So eine Anlage würde sich auch auf dem Mars gut machen - um den Treibstoff für den Rückflug zu produzieren.
Zu: Dieser Reaktor produziert Treibstoff aus Licht und Luft – und steht in Zürich

Philipp Furler: Das habe ich mir tatsächlich schon überlegt. Die Marsatmosphäre besteht hauptsächlich aus CO2, aus dem wir mit dem gleichen Verfahren reinen Sauerstoff und Treibstoff (CO) herstellen könnten – und Sauerstoff ist auf dem Mars Mangelware. Wir fokussieren aber in erster Linie darauf, die Probleme hier auf der Erde zu lösen.

(dhr)

«CO2-neutraler Treibstoff aus Luft und Sonnenlicht.»Video: YouTube/ETH Zürich
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39 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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tonitoetap
18.06.2019 15:01registriert Februar 2018
Spannend wie viele Leute hier in den Kommentaren offenbar alles besser schnallen als ein Mann mit Doktortitel, der eine möglicherweise wirtschaftliche Lösung für ein uns alle betreffendes Problem gefunden zu haben scheint.
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FrancoL
18.06.2019 12:41registriert November 2015
Ein Passus, den sich viele gut merken sollten:
"Man muss hier aufpassen, dass man nicht zwei unterschiedliche Dinge miteinander vergleicht. Fossile Treibstoffe – Erdöl, Kohle oder Erdgas – wurden von der Natur über Millionen von Jahren gebildet. Sie sind endlich, also nicht erneuerbar. . . .. Bei unserem Verfahren dagegen verwenden wir Sonnenenergie, um künstlich aus Luft einen Treibstoff zu erzeugen – wir speichern also die Sonnenenergie in chemischer Form. Das ist an sich eine nahezu unendliche und erneuerbare Ressource, die den gesamten Energiebedarf der Menschheit decken könnte.
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Gipfeligeist
18.06.2019 15:12registriert Januar 2016
Echt schön, einige stumpfe Kommentarfragen von einem hellen Kopf beantwortet zu bekommen!

Auf 20Min wäre die Ausbeute noch besser gewesen ;)
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