Im Jahr 2004 wurde die Personenfreizügigkeit eingeführt, die Schweizer Grenzen waren offen für EU-Bürgerinnen und Bürger. Mit der Einführung stieg der Wähleranteil im Nationalrat von migrationskritischen Parteien wie die SVP, die Lega dei Ticinesi und dem Mouvement citoyens genevois deutlich an. Vor allem in den Grenzgemeinden, wo diese Parteien sechs Prozentpunkte mehr gewannen als in weiter von der Grenze entfernten Gemeinden. In einer neuen Studie der ETH Zürich und der Bocconi Universität Mailand haben die Forscherinnen und Forscher untersucht, warum dem so war.
Zuerst testeten die Wissenschafter die gängigen Erklärungen für den Rechtsrutsch: Der Erfolg rechter Parteien in Europa wird oft darauf zurückgeführt, dass diese die negativen Auswirkungen der Zuwanderung ins Zentrum stellen. Gemäss dieser Erklärung wählen Menschen diese Parteien vor allem deshalb, weil sie Angst haben, auf Grund der steigenden Zuwanderung ihren Job zu verlieren, höhere Steuern oder Mieten zu zahlen oder ihre kulturelle Identität bedroht sehen.
Die Studienresultate überraschten die Forscher. Sie fanden keine Belege dafür, dass der Anstieg des Ausländeranteils aufgrund der offenen Grenzen negative Folgen für die Bevölkerung hatte – weder reale noch gefühlte. Die eingewanderten Menschen aus dem Nachbarland teilten grösstenteils die Sprache und Kultur mit der Schweizer Bevölkerung. Der Zuspruch für migrationskritische Parteien könne somit kaum auf kulturelle Ängste zurückzugeführt werden.
Auch nicht auf wirtschaftliche Ängste. Denn der Zuzug wirkte sich nicht negativ auf die Durchschnittslöhne aus, die Löhne erhöhten sich sogar leicht. «Migrationskritische Parteien haben zusätzliche Wählerstimmen gewonnen, obwohl es den Menschen dort aufgrund der Grenzöffnung auf dem Arbeitsmarkt nicht schlechter ging», sagt Co-Autor Andreas Beerli in der Medienmitteilung der ETH Zürich.
Und auch der von Rechten immer wieder beschworene Dichtestress war kein Grund für den Wahlerfolg. Die Häufigkeit von Verkehrsstaus waren in den Grenzgebieten nicht anders als weiter davon entfernt. Zudem fanden die Forscher in den Umfragedaten auch keine Belege dafür, dass die Schweizer Bevölkerung in den Grenzorten seit der Einführung der Personenfreizügigkeit mehr Angst vor Arbeitslosigkeit, steigenden Mieten, Terroranschlägen oder vor einer Schwächung ihrer Traditionen hat, als in den weiter entfernten Gemeinden.
Somit hatten die Forscher die gängigen Erklärungen ausgeschlossen. Danach zeigte sich, dass die politische Kommunikation der rechten Parteien deren Wähleranteil erhöht hat. Dabei fiel auf, dass die SVP ab 2004 ein neues Narrativ rund um den Begriff «Dichtestress» verwendete, um die negativen Auswirkungen der Zuwanderung zu thematisieren.
Dabei wurde die Zuwanderung mit überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln, verstopften Strassen und der Zersiedelung der Landschaft verknüpft. «Das Dichtestress-Narrativ hat bei breiteren Bevölkerungsschichten verfangen, da es ein Unbehagen gegenüber der Einwanderung ausdrückte, ohne dabei fremdenfeindlich konnotierte Begriffe zu verwenden», erklärt ETH-Professor Hangartner.
Die Forscher listen für ihre Erklärungen mehrere Indizien auf: Zum Beispiel war das Dichtestress-Narrativ ab 2004 stark in den Medien präsent. Die rechten Parteien waren besonders in den Grenzgemeinden besonders aktiv damit unterwegs, der Vertreter reichten deutlich mehr migrationskritische Vorstösse im Kantonsparlament ein als Parteikollegen aus grenzfernen Gemeinden.
Die Studie zeigte auch, dass vor allem mittelmässig politisch Interessierte in den Grenzgebieten am offensten für die Dichtestress-Rhetorik der rechten Parteien waren. Menschen, die sich entweder gar nicht oder sehr stark für Politik interessieren, sind viel schwieriger zu überzeugen.
Migrationskritische Parteien verstärkten Ängste durch ihre Rhetorik. «Sie prägen den öffentlichen Diskurs und scheinen vom Thema Zuwanderung selbst dann zu profitieren, wenn die Zuwanderung für die meisten Menschen keine messbaren, negativen Effekte hat», erklärt ETH-Forscher Beerli.
Niemand hat etwas gegen einen zugewanderten Deutschen-Kinderarzt.
Die Debatte über Migration betrifft vor allem Menschen aus Ländern, deren Integration nachweislich besonders schwierig ist und die sich über viele Jahre in der Rundumversorgung aufhalten und oder Kriminell werden.
Und hier will eine immer grösser werdenden Gruppe eine Veränderung!