Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung für die Menschheit. Das ist keine Panikmache und keine Übertreibung, sondern trockene Risikoanalyse.
Klimawandel könnte beispielsweise die konventionelle Landwirtschaft verunmöglichen, was mit hoher Wahrscheinlichkeit den irreversiblen zivilisatorischen Kollaps bedeutet. Schliesslich ist die Gesellschaft, wie die Daumenregel besagt, immer nur eine Handvoll Mahlzeiten von Chaos und Barbarei entfernt. Unkontrollierter Klimawandel könnte zudem die Erde für uns Menschen mit nicht-trivialer Wahrscheinlichkeit grundsätzlich unbewohnbar machen, was ein rasches und leidvolles Aussterben des Homo sapiens zur Folge hätte.
Die Bekämpfung des Klimawandels und der damit verbundenen Risiken ist also zu Recht eine globale Priorität, denn es geht um die Zukunft der Menschheit. Die Ausgangslage ist dabei noch gravierender, als wir gemeinhin vielleicht annehmen: Unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist nicht nur ungebrochen – wir nutzen heute so viel fossile Brennstoffe wie nie zuvor.
Gegen Klimawandel müssen wir also so schnell und mit so viel Impact wie möglich vorgehen. Damit entsteht aber eine neue Herausforderung, die wir bisher noch zu wenig auf dem Radar hatten: Was für neue Risiken entstehen durch unterschiedliche Strategien im Kampf gegen Klimawandel? Konkreter: Was für Risiken entstehen für die langfristige Zukunft der Menschheit durch Massnahmen, die wir heute im Kampf gegen Klimawandel einführen?
Klimawandel müssen wir idealerweise so bewältigen, dass die langfristige Zukunft der Menschheit nicht aufs Spiel gesetzt wird. In der aktuellen Klimadebatte wird diese langfristige Perspektive allerdings noch zu wenig berücksichtigt. Daraus ergeben sich mindestens zwei wichtige Probleme.
Klimawandel ist eigentlich eine Energiekrise, denn unsere massive Nutzung fossiler Brennstoffe ist einer der zentralen Treiber des Klimawandels. Die viel beschworene «Energiewende» kann darum gar nicht früh genug kommen. Doch wie genau soll die Energiewende aussehen?
Seit den frühen 2000er Jahren erfreuen sich «erneuerbare» Energiequellen dank technologischen Fortschritten und gezielter Förderung immer grösserer Beliebtheit. Zum Grossvater der erneuerbaren Energien, Wasserkraft, gesellen sich darum immer öfter Geothermie, Windkraft sowie Solarenergie, der Superstar unter den Erneuerbaren – Solarpanels können auch im Weltraum eingesetzt werden, was sie zukunftstauglicher als Geotheormie und Windkraft macht. Experimentelle Ergebnisse im Bereich der modernen Biotreibstoffe könnten zudem in der nahen Zukunft ermöglichen, Wasserstoff günstig und klimaneutral herzustellen.
An einer weiteren Energiequelle, die zur Energiewende beitragen könnte, scheiden sich allerdings die Geister: Atomenergie.
Die aktuelle Generation von Atomanlagen hat gewichtige Probleme. Die Endlager-Frage ist nach wie vor offen, und die Versicherungs-Problematik immer noch unbefriedigend – für Worst Case-Unfälle haftet nach wie vor die Allgemeinheit. Bei Atomenergie neigen wir aber nicht zu einem sachlichen Kosten-Nutzen-Kalkül, sondern zu emotionalen Bewertungen. Die Schreckensbilder von Tschernobyl und Fukushima prägen uns mehr als trockene Statistiken, die besagen, dass Kernspaltung mit Abstand die sicherste und eine weitgehend klimaneutrale Energiequelle ist.
Atomenergie ist kontrovers, aber wenn wir Atomenergie kategorisch als Teil der Energiewende ablehnen, schaden wir zukünftigen Generationen womöglich in dreifacher Hinsicht.
Erstens dürfte es schlicht schwieriger werden, fossile Brennstoffe zu ersetzen, wenn wir komplett auf das Potenzial der Atomenergie verzichten. Eine erfolgreiche Energiewende ist weniger wahrscheinlich, wenn wir eines der verfügbaren Werkzeuge nicht einsetzen wollen.
Zweitens blockieren wir mit einer kategorischen Ablehnung der Atomenergie genau jene technologischen Innovationen, welche die Ursachen für unser Unbehagen der Atomenergie gegenüber lösen würden. Neue, auf Flüssigsalzen basierende Reaktorgenerationen können einerseits eine unkontrollierte Kernschmelze praktisch unmöglich machen sowie andererseits die Menge und die Halbwertszeit von Atommüll drastisch reduzieren.
Drittens könnte eine kategorische Ablehnung der Atomenergie bedeuten, dass wir die Entwicklung und Einführung einer neuen Form von Atomenergie verzögern oder gänzlich verunmöglichen: Kernfusion. Kernfusion ist eine Form der Atomenergie, bei der Atome nicht gespalten, sondern fusioniert werden. Ohne Kernfusion wäre die Erde ein toter Planet: Unsere Sonne ist ein gigantischer Fusionsreaktor. Zwar ist es unklar, wie schnell und ob überhaupt wir praxistaugliche Fusionsreaktoren bauen können. ITER, das bisher grösste Experiment, beginnt erst 2025. Aber wenn wir heute durch starre Anti-Atom-Ansichten verzögernde und hemmende Fehlanreize schaffen, könnte das langfristig katastrophale Folgen haben.
Klimawandel ist nicht nur eine Frage von Technologie, sondern auch eine Frage unseres Verhaltens: Um Klimawandel zu bewältigen, müssen wir ändern, was wir tun und wie wir es tun. Ein fast triviales Beispiel ist Nutztierhaltung. Indem wir weniger oder gar keine tierischen Produkte konsumieren, können wir Unmengen an Treibhausgasemissionen vermeiden.
In akademischen und in Policy-Kreisen erfreuen sich aber auch viel weitreichendere Ideen zu Verhaltensänderung zunehmend grösserer Beliebtheit. Prominente Beispiele sind «Population Policy»-Massnahmen, mit denen die Anzahl in Zukunft neu geborener Menschen gezielt reduziert werden soll, oder auch die «Degrowth»-Bewegung, die – im Wesentlichen – eine Abkehr von dem gegenwärtigen kapitalistischen Wirtschaften fordert. Der philosophische Kern dieser Ideen ist, dass Klimawandel dadurch bekämpft werden könne, dass wir als Zivilisation allgemein weg vom Wachstumsgedanken kommen und uns stattdessen auf einen gesunden Rückgang, eine Verkleinerung oder Rückentwicklung besinnen.
Strategien mit dieser Stossrichtung funktionieren im Prinzip so gut wie sicher. Allerdings sind sie in dreifacher Hinsicht moralisch suspekt.
Erstens, und recht offensichtlich, besteht eine gewisse Gefahr der Elite-Projektion. Für urbane Eliten, welche sich an höchster Lebensqualität und Komfort laben und finanziell bestens situiert sind, ist die philosophische Predigt von Verzicht eine einfache. Für den Grossteil der Weltbevölkerung, der von solch luxuriösen Lebensumständen nur träumen kann, sehen die Dinge wohl ein wenig anders aus.
Zweitens sägen Rückentwicklungs-Philosophien an dem moralischen Ast, auf welchem sie sitzen. Warum ist Klimawandel in moralischer Hinsicht überhaupt wichtig? Weil Klimawandel bedeutet, dass die zentrale moralische Ambition unserer Zivilisation vorzeitig scheitern könnte: Wenn die Menschheit ausstirbt, versäumen wir es, all den potenziellen zukünftigen Generationen so viel Glück wie möglich zu ermöglichen. Rückentwicklungs-Philosophien nehmen dieses Scheitern nicht nur in Kauf, sondern erheben es zu ihrer moralischen Maxime, weil die zukünftige Anzahl Menschen und damit die Anzahl lebenswürdiger Lebensjahre aktiv und bewusst reduziert und limitiert werden soll.
Drittens, und wohl am wichtigsten, sind Rückentwicklungs-Philosophien ein Risiko für die grösste langfristige moralische Herausforderung: Weltraumkolonisierung. Weltraumkolonisierung, die Ausbreitung der Menschheit jenseits der Erde, ist ein Projekt, das in mancherlei Hinsicht katastrophal schiefgehen kann. Aber wenn uns dieses Projekt gelingt, wird die Menschheit nicht nur langfristig überleben: Erfolgreiche Weltraumkolonisierung bedeutet, dass unvorstellbar viele zukünftige Menschen (und weitere empfindungsfähige Wesen) lebenswerte, Glück erfüllte Leben leben. Es ist nicht ohne Weiteres klar, wie eine auf Rückentwicklung und Beschränkung bedachte Zivilisation dieses Projekt ernsthaft in Angriff nehmen könnte.
Ein zentrales Konzept in der Klimawandel-Debatte ist Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir Mittel nutzen, um Ziele zu erreichen, aber ohne dass dadurch neue Risiken entstehen und ohne dass dadurch unsere Fähigkeit, zukünftige Ziele zu erreichen, abnimmt.
Den Nachhaltigkeits-Gedanken müssen wir auch auf unsere Lösungsstrategien für Klimawandel selber anwenden. Damit können wir sicherstellen, dass wir uns nicht in Lösungsstrategien hineinkaprizieren, die gut gemeint, aber in langfristiger Hinsicht nur wenig durchdacht sind.
Die "Klimakrise" ist eine Energiekrise. Es ist töricht, dass als taugliches Mittel gegen den Klimawandel Verzicht auf Energie als taugliches Mittel propagiert wird. Verzicht wird das Problem nicht lösen können - nicht bei 8 Mia Menschen. Es bleibt gar nichts Anderes übrig, als auf der Produktionsseite anzusetzen. Wir brauchen viel und günstige Energie.
Da ist die Kernspaltung unersetzlich - wir brauchen die neuen Reaktorkonzepte und wir brauchen sie dringend. Jede Verzögerung tötet Menschen und die Natur. Die Grünen werden sich diesem Dilemma stellen müssen.
Das Problem dabei ist: Auf der Uhr ist Zwölf schon durch. Wir können auf all das weder vertrauen noch warten.
Dehalb müssen wir jetzt sofort auf das setzen, was nachweislich funktioniert: Wind, Wasser und (vor allem) Sonne!