Als das US-Militär 1967 sein Camp Century unter dem grönländischen Eis aufgab, liess man Infrastruktur und Abfälle «für immer» unter dem Schnee begraben. Der Klimawandel könnte sie aber wieder zutage fördern, wie eine Studie mit Beteiligung der Uni Zürich zeigt.
Im Kalten Krieg diente das «Camp Century» als Testgelände für die Stationierung von Atomraketen. Als das US-Militär den Stützpunkt 1967 aufgab, blieben die Infrastruktur mitsamt der biologischen, chemischen und radioaktiven Abfälle zurück, da man davon ausging, dass sie für immer unter dem Eis begraben bleiben würden.
Allerdings könnte die Eisschicht über dem Stützpunkt durch den Klimawandel bis Ende des Jahrhunderts zunehmend schmelzen, wie ein internationales Wissenschaftlerteam unter Leitung der kanadischen York University berechnet hat. So könnten die Schadstoffe in die Umwelt gelangen und die umliegenden Ökosysteme schädigen, teilte die Universität Zürich am Freitag mit.
Für ihre Studie sammelten die Forschenden Informationen, welche Abfälle zurückgelassen und wo und wie tief sie vergraben wurden. Ausserdem untersuchten sie, wie sich die Eisdecke seit den 1950er Jahren bewegt hat und führten Klimasimulationen durch. Von den Ergebnissen berichten sie im Fachblatt «Geophysical Research Letters».
Den Wissenschaftlern zufolge lagern in dem Stützpunkt schätzungsweise 200'000 Liter Dieseltreibstoff. Wahrscheinlich sei die Anlage durch die damals üblichen Baustoffe auch mit dem gesundheitsschädlichen Giftstoff Polychlorbiphenyl belastet. Hinzu kommen wohl 240'000 Liter Abwässer, darunter auch schwach radioaktives Kühlwasser aus dem Kernreaktor des Camps.
Diese Schadstoffe könnten durch das Abschmelzen des Eises mit der Zeit freigesetzt werden und ins Meeres-Ökosystem gelangen, warnen die Forscher. «Die Klimaszenarien deuten nicht darauf hin, dass der Schneefall unendlich lange über die Schmelze dominieren wird», liess sich Studienautor Horst Machguth von der Uni Zürich in der Mitteilung zitieren. «Vielmehr könnten wir es schon im Jahr 2090 mit einer Netto-Schmelze zu tun bekommen.»
Müll einfach zu vergraben und damit als erledigt zu betrachten, war vor zwei Generationen in vielen Weltgegenden üblich. «Nun bewirkt der Klimawandel, dass sich die davon betroffenen Orte verändern», fügte der Erstautor der Studie William Colgan von der York University hinzu. Das berge eine ganz neue politische Herausforderung.
Besonders eilig ist es mit der Abfallbeseitigung aber nicht: Noch liegt der Müll mehrere Meter unter dem Eisschild begraben. Man müsse abwarten, bis die Eisschicht soweit geschmolzen ist, dass die Schadstoffe knapp unter der Oberfläche liegen. Erst dann solle man über den Abtransport nachdenken, befinden die Forscher.
(sda)