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Die Schweizer Abhängigkeit von russischem Öl und Gas

Die Gaspipeline Nordstream 2 ist US-Pr
Hätte Gas von Russland nach Europa bringen sollen: die Pipeline Nord Stream 2. Das Projekt wurde von Deutschland nun gestoppt.Bild: sda

Die Schweizer Abhängigkeit von russischem Öl und Gas

24.02.2022, 09:0725.02.2022, 05:44
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Wie stark ist die Schweiz von Russlands Öl- und Gas-Exporten abhängig? Kann Putin «uns den Gas- und Ölhahn zudrehen»? Aufgrund der aktuellen Ereignisse ist die Frage aktueller denn je. Und sie ist nicht so einfach zu beantworten.

Die direkten Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Russland sind, verglichen mit dem Potenzial, bescheiden. In der Liste der wichtigsten Importländer taucht das grösste Land der Welt erst auf Platz 34 auf – direkt hinter Mali und Taiwan. Vor allem Edelsteine und -Metalle importiert die Schweiz direkt (51 Prozent aller Importe 2018). Energieträger spielen mit bloss vier Prozent nur eine untergeordnete Rolle. Doch die Statistik führt nur den direkten Handel. Und das ist irreführend.

Rohöl und Erdölprodukte

Die Schweiz verfügt über eine eigene Erdölraffinerie in Cressier, die ungefähr 25 Prozent aller in der Schweiz benötigten Erdölprodukte bereitstellen kann. Russland ist für Cressier kein bedeutender Zulieferer. Die grossen Player waren 2020 Nigeria, die USA und Libyen.

Rohölimport in die Schweiz in Litern.
Rohölimport in die Schweiz in Litern.Grafik: datawrapper/watson

Die restlichen 75 Prozent des Schweizer Bedarfs an erdölbasierten Energieträgern werden durch Importe von Fertigprodukten, zum Beispiel Diesel oder Benzin, gedeckt. Diese stammen vor allem aus dem EU-Raum – zu 80 Prozent aus Deutschland und Frankreich. Sie werden als EU-Produkte deklariert, unabhängig der Herkunft ihrer Rohstoffe.

2019 stammte rund ein Viertel des in die EU importierten Rohöls aus Russland. In anderen Jahren betrug der Anteil sogar ein Drittel. Wie viel davon für Produktexporte in die Schweiz verarbeitet wurde, lässt sich nicht zurückverfolgen. Ganz «russlandfrei» dürften die Importe aber nicht sein.

Gas

FILE - Pipes for the construction of the Nord Stream 2 natural gas pipeline from Russia to Germany and the Baltic Pipe from Denmark to Poland are stored at the port of Mukran in Sassnitz on the island ...
Nach dem Stopp von Nord Stream 2 dürfte der Preis für Gas steigen. Röhren dürften allerdings billiger werden.Bild: keystone

2020 verbrauchte die Schweiz 747'400 Terajoule (TJ) Energie. Gas war für 15,1 Prozent davon verantwortlich. Die grössten Verbraucher waren die Haushalte (40 Prozent). Noch immer kommt in jedem fünften Schweizer Wohnhaus Gas zum Einsatz.

47 Prozent davon – fast die Hälfte – stammt aus Russland. Weil die Schweiz ihre Kontingente über verschiedene europäischen Verteilzentren einkauft, taucht Russland in der Handelsstatistik nicht auf – sondern erneut vor allem Deutschland, wo die 2011 fertig gestellte Pipeline Nord Stream 1 aus Russland bei Greifswald endet.

Bild
Grafik: Datawrapper/watson

Zwar müssen Schweizer Anbieter über eine gewisse Lagermenge verfügen, im Falle eines russischen Lieferstopps müsste die Schweiz aber mit Einschränkungen rechnen. Das betonte Fabien Lüthi vom Bundesamt für Energie (BFE) gegenüber 20min.ch.

Neue Gas-Lieferquellen zu erschliessen, ist im Vergleich zu Öl ungleich komplizierter. Die Transporte dafür gestalten sich aufwändiger, was sich auf den Preis niederschlägt. Für Russland in die Bresche springen könnten die USA, Katar oder Ägypten. Statt durch Pipelines würde der Energieträger in flüssiger Form in Tankern Europa erreichen.

FILE - The tanker Sun Arrows loads its cargo of liquefied natural gas from the Sakhalin-2 project in the port of Prigorodnoye, Russia, on Friday, Oct. 29, 2021. The International Energy Agency said We ...
Ein Gas-Tanker wird mit Flüssiggas beladen.Bild: keystone

Der Schweiz in die Hand spielt, dass diverse Industrieanlagen auch mit Öl betrieben werden könnten. Die Anzahl solcher sogenannter Zweistoffanlagen ist aber seit Jahren rückläufig.

Nicht zu unterschätzen wären auch die Auswirkungen auf den europäischen Strommarkt. 17,9 Prozent des EU-Stroms wurde 2021 mit Erdgas produziert. Weil die Schweiz im Winter auf Importe angewiesen ist, würde sich ein Mangel auch hierzulande bemerkbar machen.

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95 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tosiasia
24.02.2022 09:19registriert April 2021
Wenn es doch nur eine zuverlässige und unabhängige Energiequelle gäbe...

Aber wehe das Benzin wird 12Rp teurer, dann können sich ja nur noch Reiche das Autofahren leisten. Wir werden sehen....
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Barth Simpson
24.02.2022 10:35registriert August 2020
Die Loslösung von fossiler Energie erhält nun eine völlig neue Dimension. Vielleicht auch eine Chance, oder wohl besser gesagt Hoffnung.
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Theor
24.02.2022 09:55registriert Dezember 2015
Ich bin nur ein ganz kleines Licht, das ist mir bewusst. Aber ich war noch nie so froh, Anfangs dieses Jahres in eine Wohnung mit Elektroheizung umgezogen zu sein und Ende März tausche ich meinen alten Benziner gegen ein Elektrofahrzeug um. Jetzt bleibt mir nur noch, positiv auf meinen neuen Vermieter (zu dem ich ein sehr gutes Verhältnis habe) einzuwirken, dass es Solarpanels aufs Dach gibt.

Könnte ich mit meinem Kompost noch Biogas mitproduzieren helfen, wäre ich happy. Leider gibts dies in meinem Wohnkaff leider noch nichtmal annähernd. Ich hoffe aber, dass das noch kommt.
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