Schokoaufstrich, Fertigpizza, Sonnencreme, Kerzen, Schweinefutter und Biodiesel – alle diese Produkte haben eins gemeinsam: Palmöl. Umweltorganisationen gehen davon aus, dass jedes zweite Produkt im Supermarkt das Pflanzenfett aus den Tropen beinhaltet. Dabei hat Palmöl einen extrem schlechten Ruf. Immer wieder werden Verzichts- und Verbotsaufrufe laut. Doch es gibt gute Gründe für die Nutzung – und vor allem gute Gründe gegen den Boykott.
Palmöl habe sein schlechtes Image nicht ohne Grund, sagt WWF -Palmölexpertin Inka Petersen gegenüber t-online: «In den vergangenen Jahrzehnten hat es massiv zur Entwaldung in Indonesien und Malaysia beigetragen. Wo einst Regenwald mit Orang-Utans oder Elefanten war, stehen heute vielerorts Palmölplantagen. Dazu kommt unter anderem die Verletzung von Menschenrechten.» Damit nennt sie die Hauptkritikpunkte der Palmölgegner.
85 Prozent des weltweit produzierten Palmöls kommen aus Indonesien und Malaysia. Die Weltnaturschutzorganisation IUCN schätzt, dass Ölpalmen auf bis zu 23.4 Millionen Hektar angebaut werden: Eine Fläche, mehr als die fünffache Grösse der Schweiz.
Durch die Abholzung und Trockenlegung von Torfböden werden hohe Mengen an Klimagasen wie CO2 oder Methan freigesetzt. Häufig wird der Wald abgebrannt – tagelange Rauchschleier über der Region sind die Folge.
Auch der Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten wird zerstört. 193 der von der IUCN als gefährdet eingestuften Tier- und Pflanzenarten sind durch die Palmplantagen bedroht, darunter Tiger, Elefanten oder Orang-Utans.
Nicht nur Tiere und Umwelt leiden, auch der Umgang der Palmölindustrie mit Arbeitern und Kleinbauern steht immer wieder im Mittelpunkt der Kritik. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) schätzt, dass 5 Millionen Kleinbauern 40 Prozent des weltweiten Bedarfs produzieren, aber nur acht Prozent der Erträge erhalten.
Auf den Plantagen werden zudem immer wieder Menschenrechtsverletzungen festgestellt: Ausbeutung, Kinderarbeit oder Vertreibung der lokalen Bevölkerung zählen dazu.
Andererseits bietet die Palmölindustrie den oft von Armut geprägten Anbauländern eine wirtschaftliche Perspektive. Die DUH geht davon, dass allein in Indonesien 27 Millionen Menschen direkt oder indirekt vom Palmöl leben – 10 Prozent der Landesbevölkerung.
Zudem sind rund zwei Drittel der Weltbevölkerung für ihre Ernährung auf Palmöl angewiesen. Durch das Bevölkerungswachstum, die Verwendung in Biokraftstoffen oder auch den Konsum von immer mehr Fertigprodukten steigt der Bedarf. Der DUH zufolge werden jährlich rund 70 Millionen Tonnen Palmöl weltweit produziert – 15 Mal mehr als noch 1980.
Die Schweiz importiert pro Jahr rund 30'000 Tonnen Palmöl. Die EU ist weltweit gar der zweitgrösste Importeur. Denn Palmöl hat für die Hersteller von Fertiggerichten, Kosmetik und Co. etliche Vorteile: Es ist preiswert, haltbar und neutral im Geschmack.
Ölpalmen haben noch einen weiteren Pluspunkt: Sie brauchen für viel Öl nur wenig Fläche. Der Ertrag ist fünf- bis achtmal höher als bei Sonnenblumen-, Raps-, Soja- oder Kokosöl. Würde also alles Palmöl durch andere Pflanzenöle ersetzt, bräuchte man deutlich mehr Anbaufläche. Die unweigerliche Folge: mehr abgeholzter Regenwald, mehr Treibhausgasemissionen, stärkere Gefährdung von Menschen, Tieren und Pflanzen – so zumindest die Annahme, gesicherte Daten fehlen laut IUCN.
Auch Expertin Petersen wundert, wie unkritisch mit Ersatzölen umgegangen wird. «Kokosöl hat einen sehr guten Ruf, warum auch immer. Der Trend ist nämlich gar keine gute Entwicklung. Kokosöl braucht im Vergleich zu Palmöl ein Vielfaches der Fläche. Ausserdem geht es auch beim Kokosanbau den Kleinbauern oft schlecht.» Die Probleme seien die gleichen wie beim Palmöl – wenn nicht sogar noch schlimmer.
«Wenn Palmöl ökologisch und sozial gut hergestellt wurde, gibt es keinen Grund, es auszutauschen. Den riesigen weltweiten Bedarf an Palmöl können wir mit anderen Ölen nur schwer decken, es würde weitaus mehr Fläche benötigt», bilanziert sie. «Ein Boykott von Palmöl ergibt deswegen keinen Sinn.»
Aus diesem Grund hatte sich Deutschland gemeinsam mit sechs weiteren EU-Ländern eigentlich das Ziel gesetzt, ab 2020 nur noch Palmöl aus rodungsfreiem Anbau zu importieren. Das Problem: Anstelle von gesetzlichen Regelungen setzte man auf Freiwilligkeit. 2019 lag der Anteil entsprechend erst bei 83 Prozent – rechnet man die Verwendung für Biokraftstoff heraus, für welchen nachhaltiges Palmöl vorgeschrieben ist, waren es nur 60 Prozent.
Auch das im Juni verabschiedete Lieferkettengesetz kann da nicht viel bewegen, meint Petersen: Die Verpflichtung träfe nicht auf alle Unternehmen zu, und ebenso nicht auf die gesamte Lieferkette. Dass Unternehmen ihre Lieferkette nicht unter Kontrolle haben, sei jedoch der Hauptgrund dafür, dass der Absatz von nachhaltigem Palmöl hinter den Möglichkeiten zurückbleibt.
Weltweit ist die Nachfrage nach Palmöl mit Nachhaltigkeitszertifikat deutlich geringer als das Angebot, obwohl überhaupt nur rund ein Viertel der Anbauflächen zertifiziert ist. Teils muss zertifiziertes Palmöl sogar als konventionelles verkauft werden – ohne den entsprechenden Preiszuschlag, der die Nachhaltigkeitsmassnahmen finanzieren soll. So geschehen beispielsweise 2015 dem RSPO.
Die Abkürzung RSPO steht für Roundtable on Sustainable Palm Oil (Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl). Die Initiative wurde unter anderem vom WWF mitgegründet, Coop ist neben Migros, Nestlé und 5000 anderen Unternehmen Mitglied. Die Kriterien umfassen unter anderem ein Verbot neuer Rodungen von «Primärwäldern und ökologisch wertvollen Waldflächen», den Schutz von bedrohten Tierarten oder ein Verbot von Kinderarbeit.
Zu wenig, sagen Kritiker: So gelte zum Beispiel das Rodungsverbot nicht für den Regenwald generell, sondern nur für bestimmte Flächen. Besser als gar nichts, sagen die beteiligten Organisationen. Auch der WWF gibt zu, dass die Kriterien des RSPO lediglich einen Mindeststandard darstellen, und dass es Verschärfungen geben muss. WWF-Expertin Petersen rät dazu, zusätzlich auf das Bio-Siegel zu achten: «Die Anforderungen für den Bioanbau gelten dann auch für das Palmöl.»
Das Problem ist jedoch: Selbst wenn in Produkten zertifiziertes Palmöl verwendet wurde, ist dies nicht immer angegeben. «Siegel für nachhaltiges Palmöl werden relativ wenig benutzt, weil Palmöl einen so schlechten Ruf hat», erklärt sie.
Doch egal ob zertifiziert oder nicht: Zunächst einmal muss der Verbraucher erkennen, dass Palmöl überhaupt verwendet wurde. Zum Beispiel bei Kosmetik ist das nicht einfach: Hier versteckt sich Palmöl hinter chemischen Bezeichnungen. In bis zu 1000 verschiedenen Inhaltsstoffe kann es enthalten sein.
Expertin Petersen rät zu Naturkosmetik. Dort würden die Hersteller auf zertifizierte Rohstoffe achten. Schwieriger wird es aber bei Reinigungsmitteln, sagt sie.
Einfacher ist es bei Lebensmitteln: Durch die Kennzeichnungspflicht muss Palmöl hier in der Zutatenliste angegeben werden. Und auch wenn nicht immer ein Siegel mit dabei steht: Bei einigen Marken kann man sich sicher sein, dass nur zertifiziertes Palmöl verwendet wurde. Das zeigt der Palmölcheck des WWF, der alle zwei Jahre veröffentlicht wird.
Beim letzten Mal auf Platz eins: Ausgerechnet der Nutella-Hersteller Ferrero. Gerade Schokoaufstriche werden immer wieder diskutiert, gerade für Nutella gibt es immer wieder Boykottaufrufe. Expertin Petersen hält davon wenig: «Tatsächlich ist es so, dass gerade Ferrero sich sehr engagiert und ausschliesslich zertifiziertes Palmöl einsetzt. Palmöl in Nutella stammt aus nachhaltigem Anbau.»
Es gelte, den Konsum allgemein zu überdenken, und den Bedarf an Palmöl insgesamt zu senken, sagt Petersen. Das heisst: weniger Süsses und Fettiges und mehr frische und regionale Lebensmittel.
Wer sich aktiv gegen die Verwendung von unzertifiziertem Palmöl einsetzen wolle, könne direkt seine Stamm-Supermarkt-Kette oder den Hersteller der Lieblingsschokolade anschreiben, rät sie. Denn: «Gerade die Unternehmen, die in direkten Kontakt mit dem Konsumenten kommen, wollen nicht so viele unbequeme Fragen gestellt bekommen.» Diese Form des Engagements sei sinnvoller, als der Versuch, Palmöl generell zu boykottieren.
Mir macht diese Entwicklung Angst, denn wie im Artikel gesagt, hat Kokos seinen guten Ruf nicht wirklich verdient. Nur leider wissen das die wenigsten. Und die Produzenten können ihr Angebot so "greenwaschen". Auf Kosten der Umwelt.
Es ist dringend nötig, den élbedarf für Nahrungsmittel und "Non-Food" zu überprüfen, braucht es wirklich soviel (Palm-) Öl?
Für uns Konsumenten wird es in der Tat immer schwieriger, gut von schlecht zu unterscheiden. Zudem sind viele Testergebnisse nicht miteinander vergleichbar und die Konsequenzen daraus nur schwer zu erkennen. Auch das Thema Unabhängigkeit der Prüfinstanzen und der Auftraggeber ist eine grosse Blackbox, für die Konsumenten eine echt herausfordernde Situation!