Israel
Naher Osten

Tote auf beiden Seiten bei Israels Bodenoffensive – Abbas bittet die Schweiz um Hilfe

Israelische Rakete schlägt im Gazastreifen ein.
Israelische Rakete schlägt im Gazastreifen ein.Bild: AMIR COHEN/REUTERS
Eskalation im Gazastreifen

Tote auf beiden Seiten bei Israels Bodenoffensive – Abbas bittet die Schweiz um Hilfe

Israel hat seine Offensive im Gazastreifen drastisch ausgeweitet und Bodentruppen in das dicht besiedelte Palästinensergebiet geschickt. Erstmals wurde ein israelischer Soldat getötet, die palästinensische Seite hat jedoch viel mehr Opfer zu beklagen.
17.07.2014, 21:4518.07.2014, 15:14
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Etwa 20 Palästinenser wurden nach Angaben der Rettungsbehörden in Gaza seit dem Beginn der Offensive gegen die radikal-islamische Hamas am Donnerstagabend getötet. Darunter seien auch Kinder. Die tödlichen Angriffe ereigneten sich demnach in Rafah, Chan Junis und Beit Hanun. Die Gesamtzahl der palästinensischen Todesopfer stieg seit Beginn der Luftangriffe auf 260.

Erstmals seit Anfang der Offensive im Palästinensergebiet vor elf Tagen kam auch ein israelischer Soldat ums Leben. Die Armee teilte am Freitag mit, er sei bei Kämpfen im Norden des Gazastreifens getötet worden.

Die israelische Armee hat am Donnerstagabend eine Bodenoffensive im Gazastreifen gestartet. 
Die israelische Armee hat am Donnerstagabend eine Bodenoffensive im Gazastreifen gestartet. Bild: AP

Abbruch der Offensive nicht in Sicht

Israel will mit der Bodenoffensive nach eigenen Angaben den ständigen Raketenbeschuss seines Staatsgebietes unterbinden. Für die Raketenangriffe auf Israel sind militante Gruppen im Gazastreifen verantwortlich. Darüber hinaus will die Armee im kleinen Palästinensergebiet am Mittelmeer ein weit verzweigtes Tunnelsystem zerstören. 

Armeesprecher Arje Schalikar erklärte, die Soldaten seien im Einsatz, um die «Infrastruktur» der Hamas anzugreifen. Am Morgen teilte die Armee mit, die aus Infanterie, Panzertruppen, Pionieren und Aufklärungseinheiten zusammengesetzten Verbände hätten in der Nacht 20 verborgene Raketenwerfer zerstört und 9 Tunnel angegriffen. Insgesamt seien bis dahin 103 «Terrorziele» attackiert worden. 

Und ein Abbruch der Offensive ist nicht in Sicht: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, Israel sei bereit, die Offensive «erheblich» auszuweiten. Er habe angeordnet, dass sich die Armee entsprechend darauf vorbereite, sagte Netanjahu vor Beratungen mit Regierungsmitgliedern, die über den Einsatz entscheiden. 

Video-Aufnahmen vom Gazastreifen

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Aufrufe zur Deeskalation 

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas äusserte sich nach einem Bericht der palästinensischen Nachrichtenagentur «Wafa» zutiefst besorgt über die jüngste Entwicklung. Die Bodenoffensive werde die Bemühungen um eine Waffenruhe weiter erschweren, sagte Abbas in Kairo. 

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, er bedauere, dass «ein bereits gefährlicher Konflikt nun noch weiter eskaliert ist». Israel müsse nun noch «weit mehr tun, um zivile Opfer zu vermeiden». 

US-Aussenminister John Kerry forderte in einem Telefonat mit Premierminister Netanjahu, die Bodenoffensive müsse sich «zielgerichtet» gegen die Tunnel richten. Eine «weitere Eskalation» der Lage müsse vermieden und der Waffenstillstand von 2012 «so schnell wie möglich» wieder hergestellt werden. 

Ägyptische Kritik an Hamas 

Auch die in dem Konflikt vermittelnde ägyptische Regierung verurteilte die weitere Eskalation des Konflikts, kritisierte aber vor allem die Islamisten der Hamas: «Hätte die Hamas die ägyptischen Vorschläge akzeptiert, wäre seitdem das Leben Dutzender Palästinenser verschont geblieben», sagte Aussenminister Samech Schukri. 

Kairo hatte am Dienstag Pläne für einen Waffenstillstand vorgelegt, die von Israel akzeptiert und von der Hamas abgelehnt wurden. 

Demonstranten greifen das Israelische Konsulat in Istanbul an.
Demonstranten greifen das Israelische Konsulat in Istanbul an.Bild: Emrah Gurel/AP/KEYSTONE

In der Türkei kam es zu Protesten gegen die Bodenoffensive im Gazastreifen. Demonstranten griffen die diplomatischen Vertretungen Israels in Istanbul und Ankara an und warfen Scheiben ein. In Istanbul setzte die Polizei Tränengas und Wasserwerfer ein. In Ankara griffen die Beamten nicht ein. (viw/sda/dpa/afp/reu) 

Palästinenserpräsident Abbas bittet die Schweiz um Hilfe

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat die Schweiz gebeten, zu den besetzten Gebieten eine dringliche Konferenz der Vertragsstaaten der Genfer Konventionen zu organisieren. Bundespräsident Didier Burkhalter hat bestätigt, eine entsprechende Anfrage erhalten zu haben. 

«Wir haben ihm bereits geantwortet, dass wir daran arbeiten», sagte Burkhalter in einem am Freitag auf der Website des Westschweizer Fernsehens RTS veröffentlichten Videointerview. Wie die «Neue Zürcher Zeitung» ebenfalls am Freitag berichtete, hatte sich Abbas am 9. Juli in einem Brief an Burkhalter gewandt. 

Als Depositarstaat der Genfer Konventionen habe die Schweiz Pflichten, sagte Burkhalter. Eine Sondersitzung einberufen kann die Schweiz dennoch nicht einfach. Um eine solche zu organisieren, sei eine Übereinkunft der wichtigsten Vertragsstaaten der Genfer Konventionen nötig, sagte der Aussenminister. 

«Ich will nicht verheimlichen, dass es sehr schwierig ist», sagte Burkhalter. Die Diskussion müsse mit allen in den Konflikt involvierten Akteuren geführt werden. Gespräche mit der radikal-islamischen Hamas schloss er nicht aus – allerdings gebe es solche nur unter Bedingungen, betonte er. Insbesondere müsse die Hamas das Existenzrecht des Staates Israel anerkennen. 

Palästinenser: Israel verletzt IV. Konvention 

Die Genfer Konventionen und ihre Zusatzprotokolle schützen Personen, die sich nicht an Kämpfen beteiligen – darunter Zivilisten und medizinisches Personal. Unter dem Schutz des humanitären Völkerrechts stehen auch Verwundete, Kranke und Kriegsgefangene, also Personen, die nicht mehr an Kämpfen teilnehmen. 

Die IV. Konvention enthält das Verbot, Zivilisten, die Staatsangehörige einer Besatzungsmacht sind, in das Territorium eines besetzten Gebietes umzusiedeln. Das aber tut Israel nach palästinensischer Auffassung, indem es Siedlungen in Ost-Jerusalem und im Westjordanland baut und sich damit völkerrechtswidrig verhält. 

Palästina war erst im vergangenen April Mitglied der Genfer Konventionen geworden. Die UNO-Vollversammlung hatte im November 2012 den Palästinensern einen Beobachterstatus verliehen. Dies erlaubt ihnen, verschiedenen UNO-Konventionen und Organisationen beizutreten. (viw/sda) 

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