Die Pistole, die auf ihre Besitzer schiesst – die unfassbar lange Liste der P320-Vorfälle
Das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) und die Schweizer Armeeführung wollen eine Pistole beschaffen, die seit vielen Jahren für negative Schlagzeilen sorgt.
watson hat sich auf Spurensuche begeben und listet im Folgenden aufschlussreiche Vorfälle auf, inklusive Videos von Überwachungskameras. Wichtig: Wir gehen längst nicht auf alle P320-Schiessunfälle ein. Denn davon gibt es mittlerweile mehrere hundert, wie aus der Berichterstattung seriöser US-Medien und den Akten zu US-Gerichtsverfahren gegen SIG Sauer hervorgeht.
Und noch ein Hinweis für eilige User: Die Auflistung ist ziemlich lang. Daran anschliessend folgt der Versuch, die Probleme rund um die P320 einzuordnen.
Symbol-Erklärung:
👮 = Fall betrifft polizeiliche Dienstwaffe
🪖 = Fall betrifft das Militär
🩸 = Fall mit Verletzung des Waffenbesitzers oder Dritter
💰 = SIG Sauer verliert vor Gericht.
2025
Oktober 2025
Der US-Bundesstaat New Jersey reicht eine Produkthaftungs-Klage gegen den Waffenhersteller SIG Sauer ein. Dem amerikanischen Unternehmen wird vorgeworfen, mit dem Modell SIG Sauer P320 wissentlich defekte Handfeuerwaffen verkauft zu haben, die ohne Zutun der Nutzerinnen und Nutzer plötzlich losgingen und zahlreiche Schiessunfälle verursachten.
Die zuständige Staatsanwaltschaft und Konsumentenschützer fordern einen Rückruf und ein Verkaufsverbot der P320-Modelle im Bundesstaat. SIG Sauer bestreitet alle Vorwürfe und führt unbeabsichtigte Schussabgaben konsequent auf Fahrlässigkeit oder unsachgemässe Handhabung durch die Nutzer zurück.
September 2025
Neuer Fall in Kanada 👮
Als ein Polizeibeamter in der kanadischen Kleinstadt Charlottetown aus seinem Polizeifahrzeug aussteigen will, löst sich plötzlich ein Schuss. Die Dienstwaffe P320 befindet sich zu dem Zeitpunkt in einem Blackhawk-Holster, das laut Polizei von SIG Sauer empfohlen wurde.
Die kanadische Nationalpolizei, die Royal Canadian Mounted Police (RCMP), hat eine Untersuchung gestartet. Ein Sprecher erklärt gegenüber CBC News, dass die Ermittler ein Video der ungewollten Schussabgabe gesichtet und «jegliches menschliches Versagen, jegliche menschliche Handlung und jegliche potenzielle Straftat» in diesem Fall ausschliessen würden.
Im September bestätigt ein Polizeisprecher gegenüber CBC News die ungeklärten Umstände des Falles:
August 2025 👮🩸
Auf der Karibikinsel Puerto Rico, einem Aussengebiet der Vereinigten Staaten von Amerika, reichen vier Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte Klagen gegen SIG Sauer ein, weil sie angeblich durch ihre P320-Dienstwaffe angeschossen und verletzt wurden.
Die Klagen der vier Beamten sind Teil einer weiteren, technisch fundierteren Klagewelle, die sich inhaltlich von zuvor abgewiesenen Einzelfällen unterscheidet und verstärkt auf die «unzureichende Sicherheit des Schlagbolzenschlosses» fokussiert.
Im selben Monat entscheidet ein US-Berufungsgericht, dass der Fall von Keith Slatowski, einem US-Bundesbeamten der Polizeibehörde ICE, erneut vor Gericht verhandelt werden soll. SIG Sauer war es in erster Instanz gelungen, die Aussagen von zwei Schusswaffen-Experten auszuschliessen (dazu unten mehr).
Juli 2025
Im Juli beschliessen die Verantwortlichen der bekannten amerikanischen Schusswaffen-Ausbildungsstätte Gunsite ein sofortiges Verbot der SIG Sauer P320 wegen Sicherheits- und Haftungsbedenken.
Gunsite bezeichnet sich als älteste und grösste private Schusswaffen-Akademie der Welt. Das in Arizona angesiedelte Trainingszentrum wurde 1976 vom legendären US-Waffenexperten, Marine-Oberstleutnant und Kriegsveteran Jeff Cooper gegründet (unten mehr).
März 2025 👮
Mit der Washington State Criminal Justice Training Commission (WSCJTC) verbannt eine renommierte Ausbildungsstätte für US-Polizisten und andere zivile Sicherheitskräfte die SIG Sauer P320 wegen Sicherheitsbedenken aus ihren Einrichtungen.
Die Entscheidung fällt nach einer viermonatigen Untersuchung, die unter anderem durch einen Vorfall 2024 ausgelöst worden war, bei dem sich beim Ziehen der P320 eines Polizeirekruten ein Schuss löste und sowohl ein Ausbilder als auch ein weiterer Rekrut verletzt wurden.
In ihrem Bericht erklärt die WSCJTC:
SIG Sauers Reaktion: Der US-Hersteller reichte im Juni Klage gegen die WSCJTC ein, um das Verbot per einstweiliger Verfügung aufzuheben. Die Richterin entscheidet im August, dass die Verantwortlichen der Polizeiakademie das Recht habe, «Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit» zu ergreifen, auch wenn eine Gefahr noch nicht zweifelsfrei bewiesen sei.
Ähnliche rechtliche Schritte leitet SIG Sauer im August 2025 gegen die Polizeiakademie in Oregon (DPSST) ein. Dies, nachdem die dortigen Verantwortlichen ein vergleichbares Verbot ausgesprochen haben.
Das Verfahren zieht sich ins Jahr 2026 weiter, da beide Seiten laut Berichten umfangreiche Expertengutachten zur Mechanik der P320 vorbereiten.
März 2025 👮🩸
Ein Sicherheitsbeamter wird in San Antonio, Texas, während seines Dienstes bei der United States Army Automobile Association (USAA) leicht verletzt, als sich ein Schuss aus seiner P320 löst und die Kugel in den Boden einschlägt. Die Waffe steckt gut sichtbar im Holster, wie ein Überwachungsvideo zeigt. Auch sein Kollege wird laut Bericht von einem Teilchen getroffen.
März 2025
Der amerikanische Waffen-YouTuber Ben Stoeger veröffentlicht bei YouTube ein Kurzvideo, das einen Schiessunfall mit einer P320 zeigen soll. Es handelt sich um eines der wenigen Schiessunfall-Videos, bei denen klar ersichtlich ist, wie der Schütze die Unfallwaffe holstert und der Zeigefinger «lang», also gestreckt ist.
Im selben Monat startet SIG Sauer USA auf Social-Media-Plattformen eine aggressive PR-Kampagne mit dem Titel «It ends today» (Es endet heute). Das Unternehmen sagt, die P320 könne «unter keinen Umständen feuern, ohne dass der Abzug gezogen wird». Und es beschuldigt Anwälte, «Mainstream-Medien» und weitere Akteure, sie attackierten ein äusserst populäres Produkt.
Januar 2025 👮🩸
Ein erfahrener US-Polizeibeamter in Houston, Texas, wird von seiner vollständig im Holster befindlichen P320 angeschossen, während er bei Feiertagsveranstaltungen für die Gemeinde den Verkehr regelt.
Grundlegender Fakt: Viele Strafverfolgungsbehörden weisen ihre Beamtinnen und Beamten an, im Dienst eine geladene Pistole im Holster mitzuführen. Bei der P320 fehlt ein externer Sicherheitsmechanismus (eine Abzugssicherung), wie er bei Konkurrenten üblich ist.
2024
Oktober 2024 🩸†
Zuhause verblutet
Der 41-jährige Roman Neshin stirbt in seinem Haus in Bucks County, Pennsylvania, nachdem eine Kugel aus seiner privaten P320-Pistole seine Leistengegend durchbohrt und die Oberschenkelarterie punktiert.
Nachbarn finden ihn Stunden später bewusstlos im Keller liegend, mit einem unbenutzten Tourniquet auf dem Schoss und einem Mobiltelefon neben sich. Der Klageschrift zufolge werden in der Schusswunde Plastiksplitter gefunden, was darauf hindeutet, dass die Waffe zumindest teilweise im Holster steckte.
Oktober 2024 👮🩸
Detective Mark Cunard von der Staatsanwaltschaft in Camden County, New Jersey, wird auf dem Weg zu seinem Fahrzeug von seiner im Holster steckenden P320 in den Oberschenkel und das Knie geschossen.
September 2024 👮🩸
In Marble Falls, Texas, bereitet sich der Polizeibeamte Hunter Gally darauf vor, bei einem Highschool-Footballspiel für Sicherheit zu sorgen, als ihn seine P320 in den Oberschenkel und das Knie schiesst. Bodycam-Aufnahmen belegen, dass die Dienstpistole vermeintlich sicher im Holster verstaut war.
US-Rechtsanwalt Jeff Bagnell:
Juli 2024 👮
FBI untersucht Unfall-Waffe
Ein Streifenpolizist der Michigan State Police (MSP) hält sich in einem Sammelbereich mit Kollegen auf, als seine Dienstwaffe vom Typ SIG Sauer M18 plötzlich feuert. Die Waffe befindet sich Berichten zufolge in seinem Dienstholster (Alien Gear Rapid Force Level 3).
Nach Aussage des Motorradbeamten sowie weiterer Zeugen wurde der Abzug zu keinem Zeitpunkt bewusst oder unbewusst betätigt. Er hatte zum Zeitpunkt des Vorfalls Gegenstände in seinen Händen.
Schusswaffen-Experten der US-Bundespolizei FBI untersuchen die Unfallwaffe im Labor. Der detaillierte Bericht ist seit August 2025 öffentlich verfügbar und liefert wichtige Hinweise zu möglichen Schwachstellen.
Die FBI-Waffenspezialisten kritisieren die P320 aufgrund von Sicherheitsmängeln bei der (internen) Schlagbolzensicherung, während SIG Sauer die Waffe als sicher verteidigt und auf andere Testergebnisse verweist.
Mai 2024 👮🩸
Der US-Polizist Kevin Currington in La Grange, Texas, wird schwer verletzt, als sich aus seiner geholsterten Dienstwaffe, einer P320, ein Schuss löst. Der Vorfall ereignet sich, als er sich zwischen dem Tor eines öffentlichen Parks und seinem Polizeiauto entlangbewegt. Die Kugel durchbohrt seinen Oberschenkel und er verblutet fast. Er erleidet gemäss seiner später eingereichten Klage bleibende Nervenschäden.
März 2024 👮🩸
In Harris County, Texas, wird ein Beamter des Sheriff's Office schwer verletzt, als er seine P320 mitsamt Holster aus der Tasche nimmt und die noch im Holster steckende Pistole plötzlich einen Schuss abgibt, der sein Bein in der Nähe des Beckenbereichs trifft.
2023
August 2023 🩸
Der zivile Waffenbesitzer Andrew Parisio aus Parlin, New Jersey, wird von seiner im Holster befindlichen P320 in den Oberschenkel und die Wade geschossen.
Juli 2023 👮
Im Juli 2023 löst sich bei der Festnahme eines Verdächtigen im Foyer der Polizeiwache in Montville, Connecticut, ein Schuss. Und zwar aus der Dienstwaffe eines uniformierten Beamten, als er in die Knie geht. Die Videoüberwachung zeigt, dass er die Pistole nicht berührt und die Hände nicht in der Nähe des Holsters sind.
SIG Sauer USA versucht daraufhin öffentlich, die Schuld auf den Waffenträger, respektive eine angeblich unsachgemässe Holsterung der P320, zu schieben.
Diese Interpretation ist fragwürdig, wie unter anderem dieser YouTuber belegt. Demnach sass die Pistole korrekt im sogenannten Level-3-Holster (sehr wahrscheinlich von Safariland, mit Tourniquet-Halterung vorne).
Die von dem Unfall betroffene Polizeibehörde kündigt an, dass sie alle P320-Pistolen ihrer Beamten durch ein anderes Pistolenmodell (von Glock) ersetze.
Juni 2023 🪖🩸
Ein ausserhalb von Amman, Jordanien, stationierter US-Infanterist wird von einer Kugel aus seiner Dienstwaffe am Oberschenkel getroffen und verletzt.
Der Armee-Rapport zum Vorfall, der Zeugenaussagen enthält, ist stark geschwärzt; dies betrifft unter anderem die Ermittlungen zur Schussursache und Empfehlungen zur Verhinderung zukünftiger Vorfälle.
Bei der Unfall-Waffe handelt es sich um eine Militärversion der P320, die über eine manuelle externe Sicherung verfügt, wie die US-Armee gegenüber US-Journalisten erklärt. Ein Sprecher sagt, die Armee habe «volles Vertrauen in die Qualität, Leistung und Sicherheit» der mehr als 244'000 an Soldatinnen und Soldaten ausgegebenen SIG-Sauer-Pistolen vom Typ M17 und M18.
Mai 2023 🩸
In New Hampshire wird ein erfahrener Waffenbesitzer von einer im Holster getragenen P320 unbeabsichtigt in den Oberschenkel und Fuss geschossen, wie in der später veröffentlichten Klageschrift steht.
April 2023 👮🩸†
Detective Lieutenant Walter Imbert vom Police Department in Orange, New Jersey, erleidet während der Reinigung seiner Dienstwaffe P320 im Hauptquartier eine tödliche Schussverletzung. Die forensische Untersuchung deutet darauf hin, dass er die Pistole am Schlitten hielt, ohne dass sich ein Finger oder etwas Anderes am Abzug befand, als sich der Schuss löste.
Die Recherche, die wie eine Bombe einschlägt
Im selben Monat sorgt eine grossangelegte journalistische Untersuchung zur P320-Pistole für Aufsehen. Demnach löste sich bis dato in mehr als 100 Fällen in den USA ein Schuss, ohne dass die Besitzer den Abzug betätigt hätten. Bei Vorfällen, die bis ins Jahr 2016 zurückgingen, seien mindestens 80 Personen, darunter Polizisten, zum Teil schwer verletzt worden.
Es handelt sich um eine gemeinsame Recherche der Zeitung The Washington Post und The Trace, einer gemeinnützigen US-Medienorganisation, die sich kritisch mit waffenbezogenen Themen beschäftigt.
Die Reporter halten fest, Schusswaffen gehörten zu den wenigen Produkten in Amerika, die von den landesweit geltenden Konsumentenschutz-Bestimmungen ausgenommen sind. Keine US-Aufsichtsbehörde sei befugt, mögliche Mängel zu untersuchen oder einen obligatorischen Rückruf betroffener Modelle anzuordnen. Und dies selbst dann, wenn die Waffe in der Hand «explodiert» oder «spontan» ein Schuss abgefeuert werde.
SIG Sauer weist die Vorwürfe zurück.
Februar 2023 🪖
Auf dem Militärstützpunkt der US-Marine in Okinawa, Japan, löst sich aus der M18 eines japanischen Wachmannes ein Schuss. Es handelt sich um die militärische Version der P320. Der Fall gilt auch wegen eines von den Ermittlern gesichteten Überwachungsvideos, das nicht öffentlich verfügbar ist, als gut dokumentiert.
Laut Armee-Rapport legte der geschulte Wachmann seine Hand nur leicht auf die Abdeckung des Holsters, als die Waffe plötzlich losging. Der Schuss trat unten am Holster aus und riss ein Loch in seine Hose.
Februar 2023 👮🩸
Als Officer Gregory Willis vom Police Department in West Orange, New Jersey, seine P320 ins Holster steckt, geht sie los. Die Kugel trifft ihn in den Oberschenkel.
Februar 2023 🪖🩸
Ein US-Soldat der Militärpolizei in Fort Eustis, Virginia, wird durch seine geholsterte Dienstwaffe, die Armeeversion M17 der P320, am Fuss verletzt. Aus der durchgeladenen und entsicherten Pistole löste sich gemäss Armee-Rapport ein Schuss, als sie mit dem Holster eines anderen Armeeangehörigen in Berührung kam.
Das Problem: Wenn eine Pistole durchgeladen und entsichert im Holster steckt, kann jede mechanische Fehlfunktion oder ein Hängenbleiben des Abzugs (etwa an Ausrüstungsteilen oder Fremdkörpern im Holster) zu einer sofortigen, selbstverständlich unbeabsichtigten Schussabgabe führen. Die normale Ausführung der P320 besitzt keinen externen Sicherungshebel – gewisse Militärversionen (M17/M18) hingegen schon.
Polizisten und andere Träger, die mit durchgeladener Waffe unterwegs sind, müssen sich also darauf verlassen, dass die internen Sicherheitsmechanismen reichen. Doch genau die wird von unabhängigen Fachleuten als unzureichend erachtet (dazu unten mehr).
SIG Sauer sagt, die P320 sei sicher.
Januar 2023 👮🩸
Der US-Polizist Marcos Hernandez von der Virginia State Police wird auf dem Weg zum Hauptquartier seiner Dienststelle durch seine P320 verletzt. Die Dienstwaffe steckte gemäss Zeugenaussage vollständig im Holster und seine Hände seien nicht an der Waffe gewesen, als ihn die Kugel ins rechte Bein traf.
Die anschliessende Massenklage mit insgesamt 20 P320-Opfern heisst es, die mit kleinen Metallfedern funktionierende Abzugseinheit («Fire Control Unit», FCU) und das Fehlen externer Sicherungen machten die Pistole gefährlich anfällig für ungewollte Schussabgaben.
SIG Sauer widerspricht dieser Darstellung.
2022
September 2022 👮🩸
Der US-Polizist Yang Lee vom Milwaukee Police Department, im Bundesstaat Wisconsin, durchsucht gerade das leer stehende Fahrzeug eines Verdächtigen, als sich aus seiner vollständig im Holster steckenden Dienstwaffe ein Schuss löst. Die Kugel trifft seinen Partner, der hinter ihm steht, in den Oberschenkel.
Officer Laskey-Castle ist der fünfte Polizist in Milwaukee, der durch eine P320 verletzt wird, bevor die Stadt die Dienstwaffe aus Sicherheitsgründen für ihre Beamten und die Öffentlichkeit aus dem Verkehr zieht und durch ein anderes Pistolen-Modell ersetzt.
April 2022 🪖
Ein Obergefreiter der US-Luftwaffe auf dem Stützpunkt Tinker Air in Oklahoma erklärt gegenüber Ermittlern, dass seine Pistole sofort losging, als er den externen Sicherungshebel in die «Aus»-Position schob.
Ein zweiter Soldat beobachtet die ungewollte Schussabgabe und bestätigt, dass sich die Finger des Soldaten nicht am Abzug befanden. Der Vorfall führt zu einer internen Untersuchung, die jedoch keine eindeutige Ursache ergibt, wie später berichtet wird.
Februar 2022 👮🩸
Raymond Tillotson, Polizist in Howell Township im Bundesstaat New Jersey, nimmt an einem Schiesskurs teil. Als er seine Dienstwaffe, eine SIG Sauer P320, ins Holster steckt, löst sich ein Schuss. Die Kugel durchschlägt seine Wade und trifft ihn auch in den Fuss.
Februar 2022 🪖🩸
Ein US-Soldat bereitet sich zu Hause auf seine Schicht auf dem Stützpunkt Fort Belvoir, Virginia, vor, als sich aus seiner M18-Armeepistole «versehentlich» ein Schuss löst. Die Kugel trifft ihn ins Knie und muss im Spital entfernt werden. Dem geschwärzten Armee-Rapport ist kein konkretes Verschulden zu entnehmen.
2021
November 2021 👮🩸
Detective James Scoppa vom Atlantic County Prosecutor’s Office erleidet eine schwere Gehörschädigung (Tinnitus), nachdem seine im Holster steckende P320 in seinem Auto unerwartet los feuert.
August 2021 🪖🩸
Als ein US-Soldat beim Schiesstraining auf dem Stützpunkt Ford Leonard Wood, Missouri, seine geladene M17-Dienstwaffe ins Holster stecken will, löst sich ein Schuss und trifft ihn am Fuss. Aus dem geschwärzten Unfall-Rapport der Armee (PDF) geht nicht hervor, wie es zur ungewollten Schussabgabe kam.
August 2021
US-Anwalt Jeff Bagnell veröffentlicht bei YouTube ein Video, das einen ICE-Agenten beim Gefängnis in Port Huron, St.Clair County, Michigan, zeigen soll. Diese Haftanstalt wird von der mittlerweile umstrittenen US-Bundesbehörde für Abschiebungen genutzt.
Im Video ist zu sehen, wie sich aus der Pistole ein Schuss löst, als der zivil gekleidete Mann seine Jacke nach hinten schiebt und mit der Hand die geholsterte Pistole berührt. Der Zeigefinger befindet sich nicht am Abzug.
Februar 2021 👮🩸
Der US-Beamte Angelo Valentino, ein in Essex County, New Jersey, ansässiger Special Agent des Department of Homeland Security (DHS), wird durch eine unbeabsichtigte Schussabgabe seiner P320 verletzt, während er auf dem Beifahrersitz eines Abschleppwagens sitzt.
Januar 2021 👮
Ein Polizist in Zivilkleidung des Milwaukee Police Department (MPD) steigt gerade aus einem Fahrzeug aus, als seine Dienstwaffe im Holster losgeht. Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen, dass sich die Hände bei der ungewollten Schussabgabe nicht an der P320 befinden. Der Beamte bleibt unverletzt.
2020
Dezember 2020 👮🩸
Detective Brittney Hilton von der Polizei in Bridge City, Texas, wird von ihrer Dienstwaffe angeschossen und schwer verletzt. Die P320 steckte gemäss Aussage in einem Holster und war in ihrer Handtasche verstaut.
Gegenüber ABC News sagt sie:
November 2020 🪖🩸
Kanadischer Elitesoldat beim Training angeschossen
Ein Mitglied der militärischen Spezialeinheit Joint Task Force 2 (JTF 2) ist beim Schiesstraining, als sich beim Holstern der dienstlichen P320-Pistole ein Schuss löst und eine Fleischwunde am Bein verursacht.
Ausserdem ergab die Untersuchung laut CBS-Bericht, dass die Verwendung eines Holsters, das nicht speziell für die P320 entwickelt worden war, «ein beitragender Faktor» zur ungewollten Schussabgabe war. Doch die Verwendung eines geeigneten Holsters hätte den Vorfall «nicht unbedingt verhindern können».
Der Pistolenhersteller SIG Sauer und der kanadische Waffenimporteur reagierten gemäss CBS nicht auf Medienanfragen. Stattdessen nutzten die beiden Akteure «die Foren der Waffenindustrie, um Gegenargumente vorzubringen, ohne Fragen zu beantworten».
September 2020 👮🩸
ICE-Beamter im Schiessstand schwer verletzt
Keith Slatowski, Beamter der US-Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE), absolviert sein vorgeschriebenes vierteljährliches Schusswaffentraining in New Castle im Bundesstaat Delaware. Als er seine Hand auf den Griff der P320 legt, um die Pistole aus dem Holster zu ziehen, löst sich ein Schuss und verletzt ihn schwer. Die Kugel tritt bei der rechten Hüfte in den Körper ein und an der Rückseite seines Schenkels wieder aus.
Der Bundesagent und Ex-Soldat, der bei den US-Marines war, reicht in Pennsylvania eine Klage in Höhe von 10 Millionen US-Dollar gegen SIG Sauer USA ein.
Ein US-Berufungsgericht lässt im August 2025 die Klage wieder zu, nachdem es zuvor SIG Sauer gelungen war, zwei Sachverständige, die die Pistole äusserst kritisch beurteilten, ausschliessen zu lassen.
SIG Sauer und der Daubert-Standard
In der amerikanischen Rechtspraxis soll der sogenannte Daubert-Standard eigentlich die Qualität der vor Gericht eingebrachten Beweise sicherstellen. Die Anwendung des Daubert-Kriterienkatalogs wird in der Prozessführung von Anwälten aber oft als hochwirksame Taktik genutzt, um die Position des Gegners zu untergraben.
Die sogenannte Daubert Motion dient als taktisches Mittel, um die Beweisführung der Gegenseite zu schwächen oder ganz zu Fall zu bringen. Anwälte, wie die des Waffenherstellers SIG Sauer, versuchen so, Kläger-Sachverständige auszuschliessen.
Da in vielen Prozessen (besonders bei Produkthaftung) der Erfolg von Experten-Gutachten abhängt, kann dies die Klägerinnen und Kläger zur Aufgabe oder zu einem ungünstigen Vergleich zwingen.
US-Beamter von eigener Waffe verletzt
Im Gerichtsfall Slatowski vs. SIG Sauer im US-Bundesstaat Pennsylvania spielt der Daubert-Standard eine zentrale Rolle. Der Kläger, ein Beamter der US-Zoll- und Einwanderungsbehörde ICE, wurde von seiner P320-Dienstwaffe angeschossen. Seine Anwälte legten im Gerichtsverfahren Gutachten eines erfahrenen Büchsenmachers und eines Waffenergonomie-Experten vor.
Die beiden Fachleute kamen zum Schluss, dass ein externer Sicherungsmechanismus bei der SIG-Sauer-Pistole das Risiko einer unbeabsichtigten Schussabgabe «erheblich reduziert» hätte. Und dass das Versäumnis des Herstellers, einen solchen Mechanismus einzubauen, «höchstwahrscheinlich eine Ursache» für die unbeabsichtigte Schussabgabe war.
Ein US-Bezirksgericht schloss 2024 die Aussagen der Waffenexperten auf Antrag der SIG-Sauer-Anwälte aus, da die Gutachten nach dem Daubert-Standard als unzuverlässig einzustufen seien. Die beiden Experten hätten keine Simulationen oder Praxistests durchgeführt, um nachzuweisen, dass ein alternatives P320-Design (mit externer Abzugssicherung) den Schiessunfall verhindert hätte.
2025 nahm ein US-Berufungsgericht den Fall wieder auf und urteilte, dass Zeugenaussagen über mögliche Konstruktionsmängel zugelassen werden müssen. Eine Jury (aus Geschworenen) könne über die angeblichen Sicherheitsmängel der P320 urteilen.
(dsc)
Juli 2020 👮🩸
Die SIG Sauer P320 des US-Streifenpolizisten Robert Parks in Milwaukee, Wisconsin, geht während einer Festnahme plötzlich los und verletzt seinen Partner Adam Maritato. Aufnahmen einer Körperkamera bestätigen, dass die Beamten kein Verschulden trifft. Laut Polizeigewerkschaft liefert das Video den «eindeutigen Beweis», dass die Hände nicht an der Waffe waren.
Juni 2020 🩸💰
SIG Sauer zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt
George Abrahams, ein US-Armeeveteran und Maler aus Philadelphia, wird im Juni 2020 von seiner privat erworbenen P320 zu Hause beim Treppensteigen ins Bein geschossen und erleidet bleibende Verletzungen.
Abrahams gibt an, seine P320 im Holster in die Tasche seiner Sporthose gesteckt und den Reissverschluss geschlossen zu haben, bevor er die Treppe hinunterging. Dann löste sich plötzlich ein Schuss.
2024 spricht ihm eine Jury in Philadelphia 11 Millionen Dollar zu – 10 Millionen Dollar Strafschadenersatz und 1 Million Dollar Schadensersatz. Die Geschworenen befinden, dass SIG Sauer die P320 fehlerhaft konstruiert, beim Verkauf der Waffe fahrlässig gehandelt und beim Vertrieb der Pistole rücksichtslos die Rechte Dritter missachtet habe.
Abrahams hatte die P320 2018 gekauft – ein Jahr nach Beginn des von SIG Sauer angekündigten «freiwilligen Upgrades» –, aber die Änderungen waren nicht vorgenommen und er wurde im Waffengeschäft nicht vor den möglichen Problemen der Waffe gewarnt.
Im Juni 2025 hebt ein Richter der Philadelphia Courts of Common Pleas den Teil des Urteils auf, der sich auf 10 Millionen Dollar Strafschadenersatz bezieht.
Der Richter habe bekräftigt, dass das Urteil «hinsichtlich eines fehlerhaften Produkts bestehen bleibt», betont Robert W. Zimmerman, Anwalt des Klägers.
2019
November 2019 👮
Die Dienstwaffe von Matthew Gardette vom Polizeidezernat in Manteca, Kalifornien, schiesst ohne Betätigen des Abzugs, als er sich für die Arbeit fertig machen will. Der Schuss löst sich, als die P320 vermeintlich sicher in einem Safariland-Holster (Level 3) steckt und er gerade seinen Dienstgürtel anziehen will. Die Kugel verfehlt ihn und seine Kollegen um Zentimeter.
Oktober 2019 👮🩸
Der US-Polizist Frank J. Kneski, ein Beamter des Department of Veterans Affairs in New Jersey, wird von seiner P320 ohne Betätigen des Abzugs angeschossen.
Bei der Untersuchung zeigt sich, dass die verbrauchte Patronenhülse nicht ausgeworfen wurde. Gemäss dem Bericht steckte das Holster im Hosenbund fest. Kneski begann daraufhin, stärker zu ziehen und zu drücken, woraufhin sich ein Schuss löste, der ein Loch in seine Hose brannte und sein Gesäss streifte.
Kneskis Vorgesetzter, ein von SIG Sauer zertifizierter Waffenmeister namens Peter Villani, trägt mit einer technischen Analyse der Unfallwaffe zum Bericht bei. Er kommt zum Schluss, dass es «durchaus möglich ist, dass jede abrupte Bewegung oder Drehung der P320 im Holster zu einer Entladung führen kann».
Oktober 2019 👮🩸
US-Officer Jacques Desrosiers von der Polizeibehörde in Cambridge, Massachusetts, wird von seiner P320 angeschossen. Die Kugel verursacht massive und laut Klage lebensverändernde Verletzungen. Die leere Patronenhülse wurde nicht ausgeworfen. Diese Ladehemmung dürfte auf das verdeckte Tragen zurückzuführen sein.
Ein Geschworenengericht in Boston befindet 2025, dass die von der Polizeibehörde Cambridge beschafften und in diesem Jahr ersetzten Dienstwaffen einen Konstruktionsfehler aufwiesen und dass diese Konstruktion zu den Verletzungen des Streifenbeamten geführt hat.
Desrosiers wird kein Schadensersatz zugesprochen, weil er seine Waffe «unangemessen» geführt habe. Er trug die P320 ohne Holster, verdeckt unter dem Gürtel, als sich beim Ändern der Position, ohne den Abzug zu berühren, der Schuss löste, wie aus seiner Klage hervorgeht.
September 2019 👮🩸
Der US-Polizeibeamte Carl Costello vom Sheriff's Office in Loudoun County, Virginia, wird von seiner Dienstwaffe angeschossen und am Bein verletzt. Bei der P320-Pistole war das «freiwillige Upgrade» des Herstellers SIG Sauer bereits vorgenommen worden.
«Freiwilliges Upgrade» statt Hersteller-Rückruf
Der US-Waffenhersteller SIG Sauer lancierte 2017 ein sogenanntes «freiwilliges Upgrade», um gewisse technische Schwachstellen bei der P320-Pistole zu beheben.
Das für P320-Besitzer kostenlose Programm wurde nach Berichten über ungewollte Schussabgaben bei zu Boden fallenden Waffen aus bestimmten Winkeln lanciert. Es umfasst unter anderem folgende technische Änderungen seitens Hersteller:
• Leichtere interne Komponenten: Das Gewicht des Abzugszüngels, des Abzugsstollens («Sear») und des Schlagbolzens wird reduziert, um die Energie der Pistole bei einem Sturz zu verringern. Damit soll eine unbeabsichtigte Schussabgabe verhindert werden.
• Mechanischer Unterbrecher («Disconnector»): Es wird ein neuer mechanischer Trennmechanismus eingebaut. Dieser soll zusätzlichen Schutz gegen Fehlfunktionen beim Zuführen einer Patrone bieten und verhindern, dass der Abzug betätigt werden kann, wenn der Schlitten nicht vollständig geschlossen ist («Out of Battery»).
• Modifikation von Schlitten und Gehäuse: Damit der neue Unterbrecher funktioniert, wird eine kleine Aussparung («Notch») in den Schlitten gefräst. Auch die Fire Control Unit (FCU), ein Kernstück der Waffe, wird angepasst, um alle Bauteile aufzunehmen.
Was P320-Besitzer wissen sollten
Die auf der amerikanischen SIG-Sauer-Website angebotene Seriennummern-Prüfung sei leider nur für den US-Markt vorgesehen. Seriennummern von Export-Waffen würden nicht unterstützt, erklärte SIG Sauer Schweiz im privaten Online-Diskussionsforum waffenforum.ch.
Trotz des «Upgrades» berichten Waffennutzer – insbesondere Polizeibeamte in den USA – weiterhin von ungewollten Schussabgaben, oft während die SIG-Sauer-Waffe im Holster steckte.
August 2019 👮
Aus der P320 von Craig Jacklyn, einem Veteranen der SEPTA-Transportpolizei in Philadelphia und ehemaligen Ausbilder im Militärschiessen, löst sich ein Schuss, als er mit seinem Partner in der abendlichen Hauptverkehrszeit in einem unterirdischen Bahnhof ist. Er versichert, dass seine Hände bei der unkontrollierten Schussauslösung nicht in der Nähe seiner Dienstwaffe waren. Die anschliessende interne Untersuchung ergibt kein Fehlverhalten und keine strafrechtliche Schuld.
Nachdem ein Video des Vorfalls bestätigt hat, dass es keine Betätigung des Abzugs gab, ersetzt die Transportpolizei alle SIG Sauer P320 in ihrem Arsenal.
Juli 2019
US-YouTuber und Sportschütze von Unfall mit P320 betroffen
Der amerikanische YouTuber Gunghis berichtet detailliert über einen persönlichen Vorfall während eines sportlichen Wettkampfs an jenem Sommertag. Er steckte seine SIG Sauer P320 X5 ins Holster, worauf sie gemäss seiner Schilderung – und der Bestätigung eines Augenzeugen – ohne Betätigung des Abzugs feuerte.
Der junge Mann hat Glück im Unglück: Er kommt mit Prellungen davon, weil die Kugel von seinem Klappmesser in der rechten Beintasche abprallte.
Die Unfallwaffe wies gemäss SIG Sauer eine defekte Schlagbolzen-Rückholfeder auf. Der Waffen-YouTuber entschied sich gegen die Weiternutzung der P320 und wechselte zu einem anderen Modell.
Juli 2019 👮🩸
Schuss aus der Sporttasche
Walter Collette, Jr., ein erfahrener Polizist in Somerville, Massachusetts, erleidet erhebliche Verletzungen, als sich aus seiner P320 ein Schuss löst. Die Pistole des erfahrenen Beamten befindet sich zum Zeitpunkt der Schussauslösung gemäss Klageschrift mitsamt Waffengürtel in einer Sporttasche, sie steckt im Holster und ist «sorgfältig mit einem Tuch umwickelt».
Juli 2019 👮🩸
Jimmy S.C. Jinn, ein Spezialagent der US-Bundesbehörde DHS, trainiert in einem Schiessstand in der Bronx, New York, als sich aus seiner P320 ein Schuss löst, ihn ins Bein trifft und dauerhafte Nervenschäden verursacht.
Laut dem Geschädigten ging die Pistole während eines Geschwindigkeitsdrills («Speed Drill») unerwartet los, als er sie mit der Hand nach unten drückte, «um sie aus einem engen, neuen Holster zu ziehen».
Mit seiner anschliessenden Zivilklage findet der Geschädigte vor Gericht kein Gehör.
Mai 2019 👮
Der Leiter des SWAT-Teams, der vergeblich warnte
Die P320 von Lieutenant Commander Thomas Ahern, Leiter einer Polizei-Sonderheit (SWAT) in Cambridge, Massachusetts, geht im Fahrzeug seiner Einheit los, in dem sich noch sechs weitere Teammitglieder aufhalten. Wie durch ein Wunder wird niemand verletzt.
Der erfahrene Beamte und Schiessinstruktor hatte zuvor während Jahren vor dem Einsatz der P320 als Dienstwaffe gewarnt und seinen Vorgesetzten dringend von der Beschaffung abgeraten. Ohne Erfolg.
2018
Dezember 2018 🩸💰
Die private P320-Pistole des US-amerikanischen Waffenliebhabers Robert Lang geht in Roswell, Georgia, zu Hause im Holster los und verursacht schwere «Tunnelwunden» an seinem rechten Bein.
2024 spricht eine Jury dem Geschädigten eine Entschädigungszahlung von 2,35 Millionen Dollar zu. «Noch bevor er die Waffe vom Gürtel nehmen konnte, löste sich ein Schuss», heisst es in der Klageschrift.
Die Geschworenen befinden, dass der Pistolenhersteller wegen der Konstruktionsweise der Waffe, unter anderem der fehlenden Abzugssicherung, für die Verletzungen verantwortlich sei.
Im Februar 2025 bestätigt ein Bundesrichter in dem Produkthaftungsverfahren gegen SIG Sauer USA das laut Fachleuten wegweisende Urteil der Vorinstanz. Der Anwalt Robert Zimmerman, der P320-Geschädigte überall in den Vereinigten Staaten vertritt, sagt:
März 2018 👮🩸
Ein Beamter des Orlando Police Department wird von seiner privat erworbenen P320 angeschossen. Der 50-Jährige ist Mitglied einer Sondereinheit (SWAT) und soll wegen einer möglichen Geiselnahme ausrücken. Als er zum Auto rennt, fällt ihm die Pistole im Holster versehentlich auf die Betoneinfahrt. Die Kugel durchbohrt das linke Bein und zertrümmert das Schienbein.
Februar 2018 👮🩸💰
Polizistin schwer verletzt
Marcie Vadnais, eine 37-jährige Deputy des Sheriffbüros von Loudoun County im US-Bundesstaat Virginia, will beim Betreten einer Trainingsanlage ihr Holster mitsamt Dienstwaffe P320 von ihrem Gürtel abnehmen, als sich ein Schuss löst. Die Kugel bricht ihr den Oberschenkelknochen an mehreren Stellen, verursacht massiven Blutverlust sowie weitere innere Verletzungen.
Sie sagt aus, den Abzug nicht berührt zu haben, denn dieser sei in dem von SIG Sauer USA ausgegebenen Paddle-Holster gar nicht zugänglich, und sie verklagt in der Folge das Unternehmen auf eine Entschädigungszahlung von 10 Millionen Dollar und verlangt einen Rückruf des Modells durch den Hersteller.
Die Auswahl der Geschworenen und die Eröffnungsplädoyers sind bereits abgeschlossen, als sich Klägerin und Beklagte aussergerichtlich einigen. Wie viel der Pistolenhersteller bezahlt, ist nicht öffentlich bekannt.
2017
Oktober 2017 👮
Der US-Polizist Derrick Broughton ist in der Kleinstadt Riverdale im Bundesstaat Georgia mit zwei weiteren Beamten auf der Suche nach einem Verdächtigen, als er auf einem Betonblock ausrutscht und stürzt. Aus seiner im Holster getragenen Dienstwaffe löst sich ein Schuss. Verletzt wird niemand. Fünf Monate nach dem Vorfall nimmt die Polizeibehörde ein Angebot des Herstellers SIG Sauer Inc. an, die Waffen zu «verbessern».
Juni 2017 👮
Aus der im Holster getragenen P320 eines Polizeibeamten des Police Department von Howell Township, New Jersey, löst sich beim Fallenlassen ein Schuss.
Nach diesem Vorfall tauscht SIG Sauer «alle 125 Pistolen» der Polizeibehörde gegen neue P320 aus – als wäre nur eine Charge der P320 mangelhaft gewesen. Einige Jahre später wird eine zweite Beamtin, respektive ein zweiter Beamter aus Howell durch eine weitere unbeabsichtigte Schussabgabe einer P320 verletzt.
2017 👮
Im US-Bundesstaat Georgia löst sich aus der geholsterten P320 eines Polizeibeamten ein Schuss, als er stolpert und hinfällt.
Januar 2017 👮🩸💰
Der Fall Sheperis
Vincent Sheperis, ein erfahrener US-Polizist und Mitglied des SWAT-Teams in Stamford, Connecticut, wird von seiner P320 ins Knie geschossen, als ihm die im Holster steckende Pistole aus weniger als einem Meter Höhe auf den Betonboden in einer Tiefgarage fällt.
Wenige Tage nachdem sein Anwalt im August 2017 Klage einreicht und eine Entschädigung von über 6 Millionen Dollar fordert, bietet SIG Sauer allen Besitzern der P320 ein «freiwilliges Upgrade» an, um die fehlende Fallsicherung und andere Probleme zu beheben.
Sheperis und SIG Sauer einigen sich aussergerichtlich. Die gezahlte Entschädigung bleibt vertraulich.
Januar 2017 👮🩸
Im selben Monat informiert das Sheriff’s Department von Anoka County, Minnesota, die SIG Sauer Inc. darüber, dass ein Deputy der Polizeibehörde beim Abnehmen seiner Gürtelhalterung von seiner im Holster steckenden P320 angeschossen wurde.
2016
November 2016 👮🩸
In Holmes Beach, Florida, geht die P320 eines Polizeibeamten unbeabsichtigt los und trifft ihn ins Bein.
Im gleichen Monat wird ein Einwohner von Tacoma, Washington, gemäss Berichten von seiner im Holster steckenden P320 ungewollt angeschossen.
Schuss beim Aussteigen 👮
Aus einer vollständig im Holster getragenen P320 im Fahrzeug eines US-Polizeibeamten aus Roscommon, Michigan, löst sich ohne Betätigen des Abzugs ein Schuss, als er während eines Schneesturms aus dem Fahrzeug aussteigt. Der Vorfall wird von der am Körper getragenen Kamera (Bodycam) aufgezeichnet.
2014
Das US-Unternehmen SIG Sauer Inc. lanciert seine allererste Schlagbolzenpistole überhaupt, die P320 – wohl als Reaktion auf den kommerziellen Erfolg des österreichischen Konkurrenten Glock. Der Rahmen aus Kunststoff (Polymer) der P320 basiert auf dem Vorgängermodell P220, das in Europa entwickelt worden war und dessen Auslösemechanismus anders funktioniert.
Wie ist das alles möglich?
Auch zehn Jahre nach dem ersten Auftreten ungeklärter P320-Schiessunfälle ist nicht bekannt, welchen Anteil das Design der Schlagbolzenpistole daran trägt.
Gemäss den übereinstimmenden Einschätzungen diverser Waffenexperten bräuchte es umfassende Untersuchungen, die allerdings durch den Fakt erschwert werden, dass einige Unfall-Pistolen an den Hersteller SIG Sauer USA zurückgeschickt wurden und dieser keine Informationen zu internen Untersuchungen der mutmasslich fehlerhaften Pistolen publiziert.
Vertreter des Unternehmens bestreiten vehement jegliche Verantwortung an Unfällen und führen publik gemachte Vorfälle meistens auf unsachgemässe Handhabung oder Fremdkörper im Holster zurück.
SIG Sauer versucht auch, sich auf politischem Weg vor kostspieligen Klagen zu schützen. 2025 erliess das Parlament im Bundesstaat New Hampshire, wo der Waffenhersteller angesiedelt ist und als einer der wichtigsten Arbeitgeber gilt, ein Gesetz, das Waffenhersteller vor zivilrechtlichen Haftungsklagen schützen soll.
US-Politik schützt heimische Waffenhersteller
Im US-Bundesstaat New Hampshire hat das republikanisch dominierte Parlament 2025 ein Gesetz erlassen, das alle Waffenhersteller und Inhaber staatlicher Waffenlizenzen in New Hampshire vor Produkthaftungsansprüchen schützen soll – und zwar in Zusammenhang mit dem «Fehlen oder Vorhandensein» von vier spezifischen Sicherheitsmerkmalen bei Schusswaffen, wie die Nachrichtenagentur AP im Juni 2025 berichtete.
Die Befürworter argumentierten, das neue Gesetz sei notwendig, um einem grossen Arbeitgeber, sprich SIG Sauer, zu helfen.
Keine externe Abzugssicherung
Eines der im Gesetz erwähnten Merkmale ist eine externe mechanische Sicherung, die bei der P320 fehlt. Aufgrund ihrer Konstruktion, respektive Funktionsweise, sollte eine Abzugssicherung eigentlich Standard sein, wie es in mehreren Klagen heisst.
Zu den Personen, die SIG Sauer verklagt haben, gehören Polizisten, Bundesbeamte und andere erfahrene P320-Benutzer aus mehreren Bundesstaaten, die durch ungewollte Schüsse verletzt wurden.
Entschädigungsansprüche wegen Herstellungsfehlern können weiterhin geltend gemacht werden im Heimstaat von SIG Sauer.
Kritiker und Anwälte von P320-Unfallopfern werfen SIG Sauer vor, durch Lobbyarbeit den Rechtsweg für Geschädigte zu blockieren. Das regionale Gesetz wird als bedeutender Sieg für die Waffenbranche gewertet. Der juristische Schutz gilt aber nicht für Herstellungsfehler.
Fakt ist: Mit keinem anderen Pistolenmodell sind auch nur annähernd so viele ungewollte Schussabgaben und ungeklärte Schiessunfälle registriert worden. Und im Herstellerland, den USA, sind P320-Modelle mit grossem Abstand am meisten verbreitet – sowohl bei zivilen Waffenbesitzern als auch bei Polizei und Militär.
Schusswaffen gehören – wie oben erwähnt – zu den wenigen US-Produkten, die von den landesweit geltenden Konsumentenschutz-Vorschriften ausgenommen sind. Trotz der Gefahren durch Fehlfunktionen darf keine Bundesbehörde Rückrufaktionen anordnen.
Selbst wenn die Jury in einem Geschworenenprozess einen Konstruktions- oder Herstellungsfehler feststellt, liegt es am Waffenhersteller, das Problem zu untersuchen und die Öffentlichkeit zu informieren.
Auf einer von SIG Sauer USA extra eingerichteten Webseite zu den verunsicherten US-Kunden heisst es weiterhin: «Die P320 kann unter keinen Umständen ohne Betätigung des Abzugs ausgelöst werden.»
Der US-Anwalt Jeff Bagnell, der zahlreiche P320-Opfer in zum Teil langjährigen Gerichtsverfahren vertreten hat und weiter vertritt, widerspricht gegenüber watson der Darstellung des Waffenherstellers:
2022 habe eine US-Bundesbezirksrichterin nach fünf Tagen der Beweisaufnahme und der Anhörung von Sachverständigen ausdrücklich festgestellt, dass die P320 seines Mandanten ohne Betätigung des Abzugs in seinem Holster ausgelöst wurde.
Das vorläufig letzte Wort soll der Gunsite-Geschäftsführer Ken Campbell haben. Er erklärt im folgenden Video (auf Englisch) die Entscheidung der Firma, die P320 in den eigenen Trainingsanlagen zu verbieten.
Im Video erzählt er, dass ein Freund von ihm, ein von SIG Sauer zertifizierter Waffenschmied, eine P320 anschauen konnte, bei der sich im Holster ein Schuss gelöst hatte. Auf Bitte der betroffenen Polizeibehörde habe sein Freund, «ein zuverlässiger Informant», die Pistole, die in einem der zirkulierenden YouTube-Videos zu sehen sei, etwas im Holster gewackelt. So habe er es geschafft, den Schlagbolzen «nach vorn fallen zu lassen» – was bei einer Patrone im Lauf zur Zündung führen würde.
Er glaube, dass SIG Sauer an einem Wendepunkt stehe, was das angekratzte Vertrauen in die P320 und den Ruf des US-Waffenherstellers betrifft:
PS: In einem weiteren Recherche-Artikel wird watson auf technische Fragen zur Funktionsweise der P320 und auf wahrscheinliche Ursachen für die angeblich unerklärlichen ungewollten Schussabgaben eingehen.
Quellen
- Eigene Recherchen, vor allem mithilfe der gemeinnützigen juristischen Recherche-Website «CourtListener», die Millionen von US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen und Klageschriften umfasst
- Interview mit dem US-Rechtsanwalt Jeff Bagnell, der zahlreiche P320-Unfallopfer vertritt
- Stellungnahmen von SIG Sauer
- Diverse Berichte von US-Medien
