Wenn Sie die Dominanz der Bayern in der Bundesliga abartig finden, dann sei Ihnen ein Blick in die schottische Premiership empfohlen. Dort kann Celtic Glasgow über die 19 Punkte Vorsprung des deutschen Dominators nur müde lächeln.
Zwar haben «The Bhoys» gestern im 27. Ligaspiel gegen den Tabellenzweiten Aberdeen mit 1:2 ihre erste Niederlage kassiert, aber wirklich beunruhigen kann sie diese Entwicklung nicht.
Denn elf Runden vor Schluss zieht Celtic trotz dieses kleinen Betriebsunfalls mit 21 Punkten Vorsprung fast schon ausser Konkurrenz seine Kreise. Die Frage lautet darum auch in Schottland nicht, ob der Tabellenführer Meister wird, – sondern wann. Es wird aller Voraussicht nach bereits im März der Fall sein.
Ein Blick auf die Marktwertschätzungen zeigt, dass dieser Saisonverlauf keine Überraschung ist. Während das Celtic-Kader mit einem Gesamtwert von 65 Millionen Franken ziemlich genau auf einer Höhe mit dem hiesigen Krösus FC Basel liegt, müsste man für das Spielermaterial des insgesamt überforderten Verfolgers Aberdeen gerade mal knapp 12 Millionen berappen. In der Schweiz ist das vergleichbar mit dem Kader des FC Thun.
Celtic Glasgow hat nach 14 Spielen ohne Gegentor mal wieder ins eigene Netz greifen müssen.
— jasparaias (@JasperZacharias) 26. Februar 2014
Mangels realer sportlicher Herausforderungen hat man sich bei Celtic längst auf das Brechen historischer Rekorde spezialisiert. So war Keeper Fraser Forster bis zum ersten Gegentor von gestern Abend während 1256 Minuten unbezwungen geblieben und hatte damit eine 43 Jahre alte Bestmarke geknackt.
Wenn der Fokus einer Liga nur noch auf solchen Spassrekorden liegt, dann ist die Lage grob im Argen. Die Hoffnungen der Anhänger von spannendem Fussball ruhen in Schottland deshalb – wieder einmal – auf dem gefallenen protestantischen Engel Glasgow Rangers.
Zur Erinnerung: Der Erzrivale von Celtic wurde 2012 zu einer Steuernachzahlung von umgerechnet rund 70 Millionen Franken verdonnert und ging an dieser Last zugrunde. Nach der Insolvenz musste der stolze Traditionsverein, welcher 54 nationale Titel und 1972 den Europapokal der Pokalsieger gewonnen hatte, in der vierten Liga einen Neuanfang starten.
Es folgte ein modernes Fussballmärchen. Zwar verliess ein Grossteil der Leistungsträger den Klub, aber die Loyalität der Fans blieb ungebrochen. Zum ersten Heimspiel gegen den Provinzklub East Stirlingshire strömten 49'000 Anhänger in den Ibrox Park – Weltrekord für ein Viertligaspiel.
Und diese Bestmarke blieb keine Eintagsfliege. Beim darauf folgenden Durchmarsch, welcher im Aufstieg in die dritthöchste Spielklasse mündete, lag der Durchschnitt über die ganze Saison hinweg bei rund 40'000 Zuschauern.
And the Glorious Glasgow Rangers are still unbeaten in the league.
Unlike some...
— Alexander McCoist (@Alex_McCoist) 25. Februar 2014
Auch in der aktuellen Saison pflügen «The Gers» ihre Liga nach Belieben um. Zehn Runden vor Schluss sind sie noch ungeschlagen und haben ebenfalls 21 Punkte Vorsprung. Am 15. März dürften sie den Aufstieg in die zweithöchste Division gegen den ersten Verfolger Dunfermline Athletic perfekt machen.
Sorgen die Rangers also schon im Jahr 2015 dafür, dass die Spannung in den schottischen Fussball zurückkehrt? Kommt es spätestens in der übernächsten Saison zur langersehnten 400. Auflage des legendären «Old Firm» – dem Derby zwischen den beiden Glasgower Erzrivalen?
Die Chancen stehen nicht ganz so gut, wie es der Blick auf den sportlichen Bereich vermuten lässt. Denn bei den Rangers hat man trotz des kürzlich erlebten finanziellen Desasters nicht gelernt, vernünftig zu haushalten.
Auch in den Niederungen der vierten und dritten Liga leistet man sich am Ibrox Park horrende Personalkosten von umgerechnet 26 Millionen Franken. Zum Vergleich: Die Meistermannschaft von 2011 soll im Unterhalt 40 Millionen gekostet haben. Der Plan ist so klar wie riskant: Manager Ally McCoist will seine Mannschaft so schnell wie möglich und um jeden Preis wieder ganz nach oben bringen, wo die Fernsehgelder fliessen und das internationale Geschäft mit fetten Prämien lockt.
Doch wie lange können die Rangers derart massiv über ihren Verhältnissen leben? In der vergangenen Saison resultierte ein Verlust von umgerechnet 20 Millionen Franken. Das entspricht einem Defizit von 55'000 Franken pro Tag.
Während die Aktie aufgrund dieser wirtschaftlichen Selbstmordmission innerhalb eines Jahres 65 Prozent an Wert verloren hat, zahlte sich Finanzvorstand Brian Stockbridge zu allem Hohn noch 325'000 Franken Erfolgsprämie aus.
Präsident Wallace wandte sich kürzlich mit einem flammenden Appell an die Öffentlichkeit. Wenn keine neuen Geldgeber an Land gezogen werden, dann sind die Rangers bereits Ende April erneut zahlungsunfähig.
Die Führung prüft jetzt einen verzweifelten Rettungsplan, den Ibrox Park zu verkaufen und anschliessend zurückzuleasen. Es braucht kein Finanzgenie, um zu begreifen, dass diese Verzögerungstaktik das Problem in der Zukunft noch viel schlimmer machen würde.
Das Zittern um die Rangers geht also in die nächste Runde. Und Celtic hamstert derweil weiter fleissig Titel – bis es endlich wieder einmal gefordert wird.