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Zürcher Pensionärin zahlte jahrelang zu hohe Steuern – jetzt soll sie auch noch einen Vorschuss blechen, um vom Gericht angehört zu werden

Steueropfer Simone Stöhr
Steueropfer Simone Stöhrbild: beobachter tv

Zürcher Pensionärin zahlte jahrelang zu hohe Steuern – jetzt soll sie auch noch einen Vorschuss blechen, um vom Gericht angehört zu werden

Weil Simone Stöhr zahlungsunfähig ist, verlangt das Steuerrekursgericht einen Vorschuss, um die Kosten zu decken. Dabei klagt Stöhr gegen die zu hohe Einschätzung des Steueramtes – die Ursache ihrer Zahlungsunfähigkeit also.
28.05.2015, 19:1629.05.2015, 11:20
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Anwältin Patrizia Stiegler spricht von einem Skandal: Ihre vom Steueramt jahrelang zu hoch eingeschätzte Mandantin Simone Stöhr will gegen die Gemeinde Männedorf und den Kanton Zürich klagen, weil sie jahrelang zu hohe Steuern bezahlte. Doch das kantonale Steuerrekursgericht will erst mal Geld sehen, bevor es den Fall behandelt – Geld, das Simone Stöhr, am Existenzminimum, nicht hat.

Nur wenn Stöhr einen Vorschuss von 28'500 Franken leiste, werde das Gericht auf die Klage eintreten, schreibt der «Beobachter», der den Fall Stöhr publik gemacht hatte. Grund für die Vorschussforderung: Stöhr ist zahlungsunfähig und könnte bei einer Niederlage die Kosten nicht tragen. Zahlungsunfähig ist Stöhr aber genau deshalb, weil sie jahrelang zu viel Steuern bezahlen musste. 

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Rechtsweg praktisch abgeschnitten

«Zuerst wurde die Frau in die Zahlungsunfähigkeit getrieben. Und jetzt wird ihr auch noch der Rechtsweg praktisch abgeschnitten», kritisiert ihre Rechtsvertreterin Patrizia Stiegler gegenüber watson. Das Gericht sei nicht verpflichtet, den Vorschuss zu verlangen, da es sich bei der entsprechenden gesetzlichen Regelung lediglich um eine «Kann»-Bestimmung handle. 

«Trotzdem verlangt das Steuerrekursgericht die Bevorschussung ausgerechnet von Frau Stöhr, die jahrelang zuvor auf das Existenzminimum gesetzt worden ist», enerviert sich Stiegler. Das kantonale Gericht verlange Geld, in dessen Besitz der Kanton bereits sei. Zudem sei es fraglich, ob sich das Gericht auf Verlustscheine stützen dürfe, die erst durch die zu hohe Steuerrechnung zustande gekommen seien und je nach Ausgang des Verfahrens wegfallen könnten.

Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege? 

«Hier beisst sich also die Katze in den Schwanz, so dass nicht einzusehen ist, weshalb sich eine solche gerichtliche Verfügung menschlich wie auch rechtlich rechtfertigen lässt», sagt Stiegler. Stöhr bleibe nun nichts anderes übrig, als zu zahlen. Und das ziemlich schnell: Am 4. Juni läuft die Frist des Gerichts ab. «Ansonsten verliert die jahrelang gebeutelte Steuerpflichtige nebst ihrem gesamten Vermögen auch noch die Möglichkeit, beim Gericht überhaupt angehört zu werden», resümiert Stiegler.  

Stimmt nicht, heisst es beim Steuerrekursgericht. Die Frist sei erstreckbar. Zudem bestehe die Möglichkeit, ein Gesuch für unentgeltliche Rechtspflege zu stellen. «Ein solches Gesuch ist bis heute bei unserer Instanz aber nicht eingegangen», sagt der leitende Gerichtsschreiber Claude Treyer. (dwi)

Der Fall Stöhr
Das Steueramt war von einem jährlichen Verdienst von bis zu 750'000 Franken ausgegangen – das Dreifache der Summe auf dem Lohnausweis. Die an einer Depression leidende Frau hatte die Fehleinschätzungen lange ignoriert. Mittlerweile haben sich 1,8 Millionen Franken Steuerschulden angehäuft. Die 64-jährige Pensionärin steht vor dem Ruin. «Beobachter TV» hatte den Fall publik gemacht.
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8 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Le_Urmel
28.05.2015 20:28registriert Juni 2014
Wieso die Aufregung, jedenfalls hat das Gericht endlich eindeutig geklärt, was die meisten Schweizer schon ahnten: Recht bekommen nur die Reichen
2010
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