Eine Warnung vorneweg: In diesen Artikel sind persönliche Ressentiments eingeflossen. Vor Jahren war ich nahe daran, eine Anstellung als Sportredaktor beim damaligen Fernsehen DRS zu erhalten. Man wolle mehr Kompetenz im Ressort, sagte mir der zuständige Vorgesetzte beim Vorstellungsgespräch. Ich machte mir einige Hoffnungen, zumal ich die Vorauswahl überstanden hatte und ein einwöchiges Stage am Leutschenbach absolvieren konnte.
Umso herber traf mich die Absage und vor allem die Begründung dafür. Er fürchte, ich komme mit meiner zurückhaltenden Art in der Ellbogen-Mentalität des Sportressorts unter die Räder, sagte der erwähnte Vorgesetzte. Von Kompetenz war keine Rede mehr. Ich ärgerte mich und hatte doch auch verstanden. Denn meine Schnupperwoche hatte mir vor Augen geführt, dass in dieser «geschützten Werkstätte» nicht Köpfchen gefragt ist, sondern eine grosse Klappe.
Am Leutschenbach tummeln sich die Selbstdarsteller, die sich für etwas Besseres halten, weil sie «bim Färnseh» arbeiten. Sie sind überzeugt, die Elite des Journalismus zu verkörpern, und wollen nicht wahrhaben, dass sie nur mit Wasser kochen. Gleichzeitig kultivieren sie ein Klima der permanenten Intrige.
Ein Paradebeispiel für die Leutschenbach-Arroganz ist der grippebedingte Kollaps von Moderatorin Cornelia Boesch in der «Tagesschau»-Hauptausgabe vom 25. Januar. Obwohl man als Zuschauer sofort erkannte, dass sie in miserabler Verfassung war, hinderte niemand sie daran, vor die Kamera zu treten. Und Boesch selbst wollte sich lieber durch die Sendung seuchen, als ihren Platz für jemanden aus der zweiten Reihe zu räumen. Nach fünf Minuten klappte sie zusammen, die gebührenzahlenden Zuschauer wurden mit Landschaftsbildern abgespeist.
Muss man erwähnen, dass Cornelia Boesch sich für diese Fehlleistung nie öffentlich entschuldigt hat?
In einem solchen Umfeld sind journalistische Fähigkeiten zweitrangig. Entsprechend dürftig ist die Qualität vieler – nicht aller! – Sendungen, vor allem in den Bereichen News und Sport. Wie es ginge, zeigen die Kolleginnen und Kollegen in der Westschweiz, die mit weniger Geld ein besseres Fernsehen produzieren. Was alle bestätigen, die beide Seiten des Röstigrabens kennen.
Beim SRF scheint das niemanden zu kümmern, dort lebt man in einer eigenen Welt. Das betrifft nicht nur das Fernsehen. Als der aktuelle FIFA-Skandal platzte und sieben Funktionäre in Zürich verhaftet wurden, herrschte in den Morgennachrichten von Radio SRF Funkstille. Während die Online-Newsportale die entsprechende Meldung der bestens informierten «New York Times» längst aufgegriffen und sich teilweise bereits um eine Bestätigung durch die Behörden bemüht hatten.
Erst nachdem es eine solche vom Bundesamt für Justiz erhalten hatte, bequemte sich Radio SRF, mit dem Thema auf Sendung zu gehen. Man könnte das positiv interpretieren, als Verweigerung des Aufgeregtheits-Journalismus. In Wirklichkeit bedeutet es, dass man im Hause SRF die moderne Medienrealität nicht verstanden hat.
Muss man auch nicht, denn die Gebühren fliessen reichlich, dank der starken Zuwanderung der letzten Jahre. Entsprechend ist der «Moloch» SRG (so die «NZZ am Sonntag») gewuchert:
Diese Entwicklung muss zu denken geben, auch jenen, die den Service Public grundsätzlich befürworten. Die angekündigte Debatte zu diesem Thema muss ernsthaft und vertieft geführt werden. Die SRG wird einige Fragen zu beantworten haben, etwa folgende:
Sollte man Unterhaltungsformate wie Castingshows nicht den Privaten überlassen? Und das Geld in die Entwicklung besserer Drehbücher investieren? Damit man sich beim «Bestatter» nicht mehr über papierene Dialoge, holprige Erzählstrukturen und an den Haaren herbeigezogene Plots ärgern muss? Und damit SRF mit einem Serienformat international Anerkennung findet, wie dies den Westschweizern schon heute gelingt?
Darf die SRG mit den Gebühren, die wir für den Radio und Fernsehempfang bezahlen, ein Online-Newsportal betreiben und damit die privaten Anbieter konkurrenzieren? Und diesen Werbegelder streitig machen, wie das die SRG-Führung fordert? «Auf die Stellung und die Aufgabe anderer Medien, vor allem der Presse, ist Rücksicht zu nehmen», heisst es im Artikel der Bundesverfassung, der die Grundlage für die Arbeit der SRG bildet.
Ist die SRG bereit, bei den Finanzen für Transparenz zu sorgen? Bis heute kann oder will sie nicht ausweisen, wie viel die einzelnen Sendungen und Formate kosten. Und wie viel die Moderatorinnen und Moderatoren mit ihren lukrativen Zusatzengagements bei privaten Veranstaltungen verdienen. Die Gebührenzahler, die ihr jährlich 1,2 Milliarden Franken zukommen lassen, sollten darüber Bescheid wissen.
Es gäbe noch einiges zu klären. Und auf die Worte müssen Taten folgen, denn nach der Ohrfeige durch das Stimmvolk vom Wochenende kann die SRG nicht weitermachen wie bisher. Fragt sich nur, ob die Politiker den Mut für eine umfassende Reform haben. Oder ob sie aus Sorge um ihre Radio- und Fernsehpräsenz davor zurückschrecken.
Es ist kein gutes Zeichen, wenn die Basler SP-Ständerätin Anita Fetz sich erst als mutige SRG-Kritikerin profiliert und danach nicht nur zurückkrebst, sondern sich auch bei SRF-Chefredaktor Tristan Brenn schriftlich entschuldigt.
Mein Unbehagen über die SRG mag durch persönliche Ressentiments mitgetragen sein, doch ich bin offensichtlich nicht allein. Will die SRG wieder mehr Akzeptanz gewinnen, dann muss sich einiges ändern. Zum Beispiel mit mehr Kompetenz und weniger Leutschenbach-Arroganz.
Zum Ausgleich hier die Liebeserklärung von Kollegin Simone Meier an das SRF.
Dass Sie dafür eine Entschuldigung verlangen ist nicht nur eine Frechheit, es zeigt vor allem auch, dass Sie auf eine Absage vor (offenbar) vielen Jahren wie ein Kleinkind reagieren, dem man sein Spielzeug weggenommen hat.
Klar, jedem seine Meinung. Aber von Ihnen hätte ich mehr erwartet