Mit diesen Worten startete Tommy Caldwell in den letzten Tagen des alten Jahres sein bisher vielleicht grösstes Abenteuer: Die Dawn Wall im Yosemite Nationalpark frei zu durchklettern. «Die härteste Route, die niemals begangen wurde», wie es der Sponsor nennt.
Im Yosemite Valley ragt dieses Ungetüm rund 1000 Meter fast senkrecht in die Höhe. Die Ostwand des El Capitan gilt als glatteste und furchterregendste der ganzen Welt. 1970 wurde die Wand erstmals bestiegen. Gesichert natürlich. 27 Tage hat's damals gedauert. Die beiden Erstbesteiger harrten in einem viertägigen Sturm aus und wollten ausdrücklich nicht gerettet werden.
Jetzt wollen die beiden Amerikaner Tommy Caldwell, der 2001 bei einem Unfall mit einer Tischsäge seinen linken Zeigefinger verlor, und sein Kollege Kevin Jorgeson die Wand erstmals frei durchklettern. Die beiden sind aus Sicherheitsgründen zwar gesichert, dürfen aber keine Hilfsmittel wie Haken oder Seile benutzen, sondern müssen jede Stelle «frei» meistern.
Ohne das Sicherheitsseil wären sie schon mehrmals in den Tod gestürzt. Denn die Oberfläche ist glatt, meist ragt nur ein kleiner Vorsprung für die Fingerkuppen hervor. Auch ein Sprung – und sich dann mit den Fingerkuppen auffangen – gehört zum Programm (siehe Video und Bilder).
Sechs Jahre dauerte die Vorbereitung der beiden. Jetzt hängen sie seit 14 Tagen in der Wand. Unter ihnen mehrere hundert Meter Abgrund, über ihnen mehrere hundert Meter glatte Felswand.
Über ihre Social-Media-Kanäle lassen sie die nicht ganz so Mutigen an ihren Erlebnissen teilhaben (Facebook Kevin Jorgeson, Facebook Tommy Caldwell, Instagram Tommy Caldwell). Auf Youtube erscheinen täglich Videos ihrer Etappen. Sie lassen jedem Zuschauer den Atem stocken.
In Kontakt mit der Aussenwelt sind die zwei Waghalsigen dank Akkus ihrer elektronischen Geräte, die mit Sonnenenergie aufgeladen werden können, und einem befreunden Kletterer, der alle fünf Tage zu ihnen hochklettert und die Verpflegung bringt. Die zwei Extremkletterer schlafen in Zelten, die in der Wand befestigt sind. Ihr Geschäft erledigen Sie in eine Tüte oder sie «brünzlen» auch mal über den Zeltrand.
Hauptproblem sind die Fingerkuppen, welche durch die Kletterei und die teilweise scharfen Kanten heftig in Mitleidenschaft gezogen werden. Cladwell stellt seinen Wecker im Vierstundentakt, um die Finger zu pflegen. Dabei wird nur am Nachmittag und Abend (mit Stirnlampen!) geklettert. Denn in der Nacht ist es zu kalt, am Tag so heiss, dass der Schweiss die Finger rutschig machen würde.
So schlagen sich die beiden Kletterer die Zeit im Sonnenschein jeweils tot. Das Schwierigste dabei ist, dass sie sich nicht gross bewegen können. Sie würden mittlerweile viel dafür geben, um nur einige Meter einen Weg entlang gehen zu können. Darauf müssen sie noch warten.
In insgesamt 32 Seillängen wollen Cladwell und Jorgeson durch die Wand steigen. Momentan stecken sie bei Nummer 16. Die Gipfelbesteigung war ursprünglich für das Wochenende geplant. Es wird nicht reichen. Noch nicht. Denn aufgeben scheint für die beiden keine Option zu sein. Denn Cladwell will seinem Sohn seine Werte vermitteln: Optimismus, Beharrlichkeit, Hingabe und die Wichtigkeit von grossen Träumen.