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Ärztin über Angelina Jolies Eierstock-Entfernung: «Manche Betroffene sind der Meinung, dass man sich nicht so damit brüsten muss»

Auch an den privatesten Dingen lässt Schauspielerin Angelina Jolie die Öffentlichkeit teilhaben.
Auch an den privatesten Dingen lässt Schauspielerin Angelina Jolie die Öffentlichkeit teilhaben.Bild: Matt Sayles/Invision/AP/Invision
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Ärztin über Angelina Jolies Eierstock-Entfernung: «Manche Betroffene sind der Meinung, dass man sich nicht so damit brüsten muss»

Wegen einer Genmutation und einem dadurch erhöhten Krebsrisiko liess Angelina Jolie ihre Brüste und Eierstöcke entfernen. Onkologin Susanna Stoll spricht im Interview über die Häufigkeit des Phänomens und wie weniger prominente Betroffene damit umgehen.
04.04.2015, 10:4705.04.2015, 11:13
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Wie stehen Sie zu der Entscheidung von Angelina Jolie, sich Brüste und Eierstöcke entfernen zu lassen? 
Dr. Susanna Stoll: Das sind Standardverfahren, die in den Guidelines entsprechend aufgeführt sind und von der Krankenkasse übernommen werden.

Finden Sie es gut, dass Angelina Jolie so direkt an die Öffentlichkeit geht damit? 
Das ist ein Thema, das kontrovers diskutiert wird. Ich persönlich finde das weder schlecht noch gut. Es ist klar, dass durch solch einen prominenten Fall die Sensibilität für vererbliche Brustkrebserkrankungen in der Bevölkerung zunimmt. Betroffene Frauen, die ich kenne, haben darauf eher zurückhaltend bis negativ reagiert. Einige von ihnen sind der Meinung, dass man sich nicht unbedingt so sehr damit brüsten muss, wenn man diesen Schritt gegangen ist. 

«Ich habe auch Patientinnen, die sich für diese Massnahmen entschieden haben.»

Angelina Jolies Brustkrebs-Risiko lag bei 87 Prozent, das Eierstockkrebs-Risiko bei 50 Prozent. Wie häufig kommt es vor, dass eine Frau so hohe Risikowerte hat? 
In der Allgemeinbevölkerung kommt eine entsprechende Genmutation bei einer von 800 bis 1000 Personen vor. Und dieser Gendefekt ist dann dafür verantwortlich, dass das Risiko für beide Krankheitsformen – also Brust- und Eierstockkrebs – entsprechend erhöht ist. 

Würden Sie Ihren Patienten in einem solchen Fall auch zu diesen beiden Schritten raten?
Raten nicht. Unsere Aufgabe als Ärzte besteht darin, den Patientinnen in einem solchen Fall die bestehenden Optionen mit den damit verbundenen Vor- und Nachteilen aufzuzeigen. Die Entscheidung liegt dann ganz bei den Betroffenen. Ich habe auch Patientinnen, die sich für diese Massnahmen entschieden haben und denen die Brüste oder die Eierstöcke entfernt wurden. Die Entscheidung ist aber in jedem Fall ganz individuell.

«Der Jolie-Hype war im ganzen Land zu spüren.»

Als Erstes hat Angelina Jolie ihre Brüste entfernen lassen. Haben sich daraufhin besonders viele Patientinnen bei Ihnen gemeldet, die über den gleichen Schritt nachgedacht haben?
Absolut, der Jolie-Hype war im ganzen Land zu spüren.

Und der zweite Schritt, den Jolie gegangen ist?
Der hat bisher noch keinen Einfuss.

Sind das komplizierte, risikobehaftete Eingriffe? 
Die Eierstockentnahme im Allgemeinen nicht. Bei der Entfernung der Brüste kommt es darauf an, ob und welche Rekonstruktionsmassnahmen angestrebt werden. Jeder operative Eingriff ist mit Risiken behaftet.

Welche Folgen hat eine Eierstockentnahme für den restlichen Körper?
Wenn sich die betroffene Person in der Menopause befindet, gibt es kaum Folgen. Hat sie die Wechseljahre jedoch noch vor sich, fallen die entsprechenden Hormone aus. Die Menopause wird dadurch zeitlich vorverlagert und damit sind Nachteile verbunden.

Wie stehen Sie insgesamt zu solchen Vorsichtsmassnahmen? 
Ich habe dazu keine wertende Meinung. Der Eierstockentfernung kommt insofern im Vergleich zur Brustentfernung eine grössere Bedeutung zu, als es kein Screeningverfahren gibt, mit dem Eierstockkrebs zuverlässig im frühen Stadium erkannt werden kann. Mammakarzinome können dagegen mittels einer Mammographie und Mamma-Magnetresonanztomographie in der Mehrheit der Fälle schon früh diagnostiziert werden.

Zur Person:

Dr. Susanna Stoll ist Oberärztin in der Klinik für Onkologie am Universitätsspital Zürich.
Dr. Susanna Stoll ist Oberärztin in der Klinik für Onkologie am Universitätsspital Zürich.Bild: zvg
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