Wie der Online-Gigant Amazon seine Angestellten minutengenau überwacht – und dafür jetzt die Quittung kassiert
Die Angestellten von Amazon in Deutschland haben einmal mehr ihre Arbeit niedergelegt. Die Gewerkschaft Verdi, die Anfang Woche zum Streik aufgerufen hat, will das Ostergeschäft ins Stocken bringen und den Internetgiganten unter Druck setzen.
Betroffen sind sechs deutsche Verteilerzentren, von denen auch die Schweiz beliefert wird. Laut Gewerkschaft legten 1700 der 10'000 Amazon-Angestellten ihre Arbeit nieder, das Unternehmen hingegen spricht von einer «sehr zurückhaltenden Streikbeteiligung». Gestern Abend kündigte Verdi an, die Massnahme, die bis Dienstag dauern sollte, bis Gründonnerstag zu verlängern.
Verdi kritisiert die Arbeitsbedingungen und fordert einen Gesamtarbeitsvertrag – doch der Konzern sperrt sich. Ein Streit, der nun schon seit zwei Jahren tobt. «Wir geben keine Ruhe, solange es keine Tarifverträge gibt», sagt der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske. Der Leistungsdruck sei enorm. «Die Beschäftigten werden nicht wie Menschen, sondern wie Roboter behandelt», so Bsirske.
Amazon beruft sich darauf, dass er «sehr wettbewerbsfähige Löhne» zahle und in Deutschland seit seinem Start vor 16 Jahren 12'500 Stellen geschaffen habe.
Vorwurf: Amazon überwacht Arbeiter systematisch
Ein Dokument, das Verdi der Welt vor zwei Wochen zugespielt hat, zeigt, wie es um die Arbeitsbedingungen steht: Es legt nahe, dass Angestellte minutengenau überwacht werden. In diesem Fall wurden bei einer Mitarbeiterin mehrere inaktive Phasen zwischen einer und neun Minuten festgehalten.
Am Schluss steht, die Mitarbeiterin hätte ihre «arbeitsvertragliche Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung verletzt». Sie hätte die Unterbrechungen ihrer Arbeit ihrem Manager anzeigen müssen. Für die Gewerkschaft ist klar: Mit solchen Mitteln übt Amazon Druck auf die Beschäftigten aus.
Verdi wirft Amazon auch vor, die Arbeiter systematisch zu überwachen. Über den mobilen Handscanner, der die Angestellten mit sich herumtragen, könne ihre Aktivität genau nachverfolgt werden.
Amazon weist die Anschuldigungen entschieden zurück. Bei dem besagten Protokoll habe es sich um einen Einzelfall gehandelt, bei dem ein Vorgesetzter fehlerhaft gehandelt habe. Der Vorfall liege über ein Jahr zurück. «Natürlich sind Verweise wegen Arbeitsunterbrechungen von ein bis zwei Minuten absurd, und dieser Hinweis wurde bereits vor rund einem Jahr aus der Personalakte des Mitarbeiters entfernt», erklärt sich das Unternehmen im Tagesspiegel.
«Es kommt nicht zu Verzögerungen»
Es komme trotz allem nicht zu Verzögerungen im Ostergeschäft, hält Amazon fest. Man greife auf das ganze europäische Netz von 28 Standorten zurück, damit die Kunden sicher ihre Ware bekommen.
Stefan Najda von Verdi bezweifelt dies: «Natürlich haben unsere Streiks Auswirkungen auf die Liefergarantie von Amazon. Wir haben Testkäufe gemacht vor Weihnachten, die verspätet ankamen», sagt er zur Welt.
(Mit Material der Nachrichtenagentur SDA)