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Die Zeiten haben sich geändert. Den Vorteil des «Hockey-Sonderfalles Schweiz» – den Aufbau der Nationalmannschaft während der Saison – haben wir längst preisgegeben. Ralph Krueger hatte unsere besten Spieler einst während der Saison zur Verfügung und trimmte sie zur taktisch besten Nationalmannschaft der Welt. So haben wir den Mangel an Talent kompensiert und sind unter die Besten der Welt zurückgekehrt.
Das geht heute nicht mehr. Inzwischen haben die Klubs die Macht und gestatten es nicht mehr, dass ihre besten Spieler zu allen Nationalmannschafts-Zusammenzügen aufgeboten werden. Darüber soll hier nicht Klage geführt werden. Es ist, wie es ist. Vielmehr geht es jetzt darum, die Frage zu beantworten, ob es möglich ist, dass einer wie Arno Del Curto die Nationalmannschaft im Nebenamt führen kann.
Die Idee des nebenamtlichen Nationaltrainers ist uralt. Der legendäre, hoch angesehene Winterthurer Hockey-Chronist Hermann Pedergnana, der noch heute für die NZZ tätig ist, hat sie schon in den 1970er-Jahren vorgebracht: am Ende der Saison übernimmt einfach ein Klubtrainer das Nationalteam für die WM. Er war ein Visionär und kam mit seiner Idee mehr als 40 Jahre zu früh.
Arno Del Curto als nebenamtlicher Nationaltrainer – aus mehreren Gründen eine faszinierende Idee. Heute ist schon fast vergessen, dass er als Junioren-Nationaltrainer ein Trendsetter war. Ich erinnere mich gut an die U20-WM von 1995 in Boston (Hauptspielort). Ich war damals vor Ort. Arno Del Curto hatte die U20-Junioren ein Jahr zuvor in die A-Gruppe zurückgeführt.
Die Schweizer schafften als Aufsteiger nicht nur den Klassenerhalt. Zum ersten Mal überhaupt brachten sie einen Titanen an den Rand einer Niederlage. Gegen die Kanadier – sie gewannen das Turnier – lieferten sie am 27. Dezember 1995 in Amherst ein grandioses Spiel, das nur 1:2 verloren ging. Bis heute eines der grössten Spiele einer eidgenössischen Mannschaft bei einem Titelturnier. Laurent Müller hatte in der 50. Minute vorübergehend ausgeglichen. Die wilden Schweizer dominierten die Kanadier mit 36:29 Torschüssen!
Arno Del Curto war damals schon ein charismatischer Nonkonformist. Beim ZSC entlassen und gerade beim Erstligisten Luzern tätig, inspirierte er bei dieser U20-WM eine neue Spielergeneration. Zum ersten Mal überhaupt gingen die Jungs mit der Überzeugung aufs Eis, gegen die Besten der Welt eine echte Chance zu haben. Es war im Grunde die vergessene Geburtsstunde der «neuen Eishockey-Schweiz». Der Anfang einer beispiellosen Erfolgsgeschichte mit der Eroberung der NHL durch die Schweizer und der Rückkehr in die Weltklasse.
In diesem Team spielten unter anderem Reto von Arx, Sandy Jeannin, Laurent Müller, Ivo Rüthemann, Mattia Baldi, Michel Riesen, Mark Streit, Matthias Seger, Sandro Rizzi und Martin Plüss. 1998 standen von Arx, Seger, Jeannin, Baldi, Streit, Plüss, Riesen und Rüthemann mit der «richtigen» Nationalmannschaft bei der WM in Zürich und Basel mit Ralph Krueger im Halbfinal. Arno Del Curtos Saat war aufgegangen.
Inzwischen sind bald 20 Jahre vergangen. Durch den Erfolg in Davos ist Arno Del Curto noch charismatischer, nonkonformistischer, eigenwilliger – kurzum noch besser geworden. Ich bin sicher, dass er dazu in der Lage ist, auch unsere NLA-Stars bei einer «richtigen» WM so zu begeistern wie damals in Boston die Junioren. Für jene, die noch nie unter ihm gearbeitet haben, würde eine WM mit Arno Del Curto zu einem hockeytechnischen «Pfingsterlebnis».
Und neben dem Eis und ausserhalb der Kabine? Nun, Arno Del Curto hätte bei einer WM internationales Kultpotenzial. Er würde die obligatorischen Medienkonferenzen nach den Spielen, eigentlich langweilige Pflichtübungen, zu einer Show aufpeppen – wir müssten ihn nur geschickt verbal provozieren. Der Unterhaltungswert wäre grandios. Denn nach zwei oder drei Tagen könnte er sich nicht mehr zusammenreissen und wäre wieder sich selber – offen, direkt, ehrlich, cholerisch-aufbrausend-hochfahrend, ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten, hockeypolitisch unkorrekt und archaisch charmant. Unsere Verbandfunktionäre wären vollkommen machtlos und überfordert.
Und wie müsste das ganze Nationalmannschafts-Programm organisiert werden? Nun, wir sollten in diesem Falle einen starken Nationalmannschafts-Manager haben. Sozusagen einen Stabschef für Arno Del Curto, der während der Saison für die gesamte Organisation zuständig ist und die Spieler jeweils nach den Wünschen des HCD-Trainers aufbietet.
Während der Saison brauchen wir zudem einen Stellvertreter-Nationalcoach, der die Mannschaft führt, bis Arno Del Curto nach Saisonschluss zur Verfügung steht. Warum nicht Felix Hollenstein für diese Aufgabe? Er könnte bei der WM dann auch Arno Del Curto zusammen mit Kevin Schläpfer assistieren.
Für die Lösung Arno Del Curto braucht es aber eine starke Verbandsführung, die dem eigenwilligen Coach kompromisslos und durch alle Böden hindurch den Rücken stärkt, wenn die Klubs murren, und die Konflikte aushalten kann. Denn rund um Arno Dell Curto würde nie Ruhe einkehren. Es würde immer Klubmanager geben, die maulen und Verschwörungstheorien («Arno benützt sein Nationaltraineramt, um Transfers einzufädeln») verbreiten.
Haben unsere Verbandsgeneräle den Mut, das «Experiment Arno Del Curto» zu wagen? Im Wissen, dass es viel aufregender und anstrengender wird, als sie es sich heute vorstellen können? Und haben sie die Überzeugungskraft, ihn zu diesem Experiment zu überreden? Ich habe da meine Zweifel.