Wer kennt es nicht, dieses überschwangere Angebot an Kinderbilderbüchern. Und entweder kann man sich dann für keines entscheiden oder sie sind allesamt so grauenhaft illustriert, dass man es einfach nicht übers Herz bringt, eines davon zu kaufen. Selbst dann nicht, wenn das Kind danach schreit und ruft: «Ich will, ich will, ich will!» Du guckst dir nur diese rosa glitzernde Prinzessin an, nach der das gierige Kinderhändchen greift, und dann sagt du Nein.
Bilderbücher müssen auch uns ansprechen. Erwachsene müssen auch ab und zu in dieses freie Kinderreich eintauchen können, sonst zerbrechen sie noch am Ernst der Welt. Also los, wer ein bisschen fliehen will, darf sich jetzt gerne diese sieben ausgesuchten Bücher ansehen.
Dieses wunderbare Büchlein ist den Zeichnerhänden des Niederländers Max Velthuijs zu verdanken. Das Fröschlein mit den rot-weiss gestreiften Hosen fühlt sich eines Tages sehr komisch. Es setzt sich auf einen Stein am Fluss, es weiss nicht, ob es glücklich ist oder traurig.
Der Hasen-Arzt hört sein kleines und wild schlagendes Froschherzchen ab, und sagt seinem Patienten: «Du bist verliebt!» Und wie er das ist! In die schöne, weisse Ente. Aber der Frosch ist schüchtern, er malt eine Zeichnung für die Ente – mit viel Grün, seiner Lieblingsfarbe, und legt sie in der Nacht auf ihre Türschwelle. Er pflückt ihr einen Blumenstrauss, aber auch der landet nur vor ihrer Haustür. Der Frosch rennt ganz schnell weg, damit die Ente ihn nicht sieht. Danach wird er aber plötzlich sehr waghalsig: Der von den ganz grossen Gefühlen überflügelte Frosch will den Weltrekord im Hochsprung brechen, um die Ente zünftig zu beeindrucken ...
Die Bilderbücher des französischen Illustrators und Schriftstellers Tomi Ungerer werden auf der ganzen Welt angeschaut. «Crictor» ist ein wunderhübsch simpel gezeichnetes Frühwerk des Strassburgers aus dem Jahr 1959 und erzählt die Geschichte der alten Madame Bodot, die von ihrem reisenden Sohn ein Päcklein kriegt. Es ist ganz rund und hat in der Mitte ein Loch. Was da wohl drin sein mag? Eine Boa! Madame Bodot kriegt einen Riesenschrecken, aber die Schlange ist sehr lieb, und so werden die beiden gute Freunde.
Und nicht nur das. Am Ende kriegt Crictor sogar ein Denkmal. Wir verraten natürlich nicht, wofür. Es ist aber wohlverdient.
Man kann als Mensch wahrscheinlich kaum sagen, das Problem sei bekannt. Die grosse, stinkige Notdurft wird gemeinhin nicht auf unseren Köpfen verrichtet. Die Tauben lassen wir jetzt mal aus dem Spiel.
Der kleine Maulwurf aber wird Opfer dieser höchst verwerflichen Tat. Und er ist kolossal empört darüber, man kann das ganz leicht an seiner Haltung und seinem Gesicht erkennen: Er hat eindeutig den Anschiss. Mit dem – wohl geschwungenen und gut sitzenden – Fremdkot auf seinem Köpflein macht er sich auf den Weg, den Übeltäter zu überführen.
Er geht strategisch vor. Er fragt alle Tiere, die ihm über den Weg laufen: «Hast du mir auf den Kopf gemacht?» Und zum Beweis ihrer Unschuld pfunden sie ihm vor die Füsse. Der Kot als Identitätsmerkmal. Das ist doch mal eine pädagogisch wertvolle Lektüre!
Helme Heine ist in Deutschland geboren, wohnt aber jetzt in Australien. In der Bucht, wo einst Captain Cook landete. Er lebte lange in Südafrika und hat dort politisches Kabarett gemacht, in der Zeit, in der Apartheid herrschte und man jederzeit von der Geheimpolizei verhaftet werden konnte. Ein interessanter Mann, der Schöpfer dieser unsterblichen Bilderbuch-Helden.
Heines «Freunde» sollten so gegensätzlich sein wie «Dick und Doof oder Don Quijote und Sancho Panza» hat der Autor in einem Interview mit der «Süddeutschen» verraten. Und so erschuf er «den dicken Waldemar, das Schwein, ein Typ wie Helmut Kohl, der die Dinge aussitzt». Der kleine Johnny Mauser ist listig und clever, nur so kann er überleben. Und Franz von Hahn ist der Künstler. «Der möchte gerne abheben, aber die Schwerkraft holt ihn immer wieder ein.»
Das Symbol für die Freundschaft der drei ist das Fahrrad: Keiner von ihnen kann es alleine fahren, zusammen aber gelingt es. Zusammen sind sie unbesiegbar.
Nun kommen wir zu einem weiteren Schmuckstück aus der wunderbaren Heine-Sammlung, das vielleicht einige noch nicht kennen. Es ist die Geschichte von Biba, der beim Spielen eine Flussperlmuschel findet und fest daran glauben will, dass sich darin eine Perle befindet. Verliebt guckt er seine Muschel an, presst sie überglücklich an sein pochendes Biberherz und fängt an, von seinem Reichtum zu träumen.
Der Traum endet nicht gut für den kleinen Biba. Die Tiere vom Wald sind eifersüchtig und wollen auch eine solchen Schatz haben. Der grosse Perlenrausch setzt ein: Alles wird verwüstet, der Biberbau und auch der Wasserdamm und überhaupt alles Gute und Schöne. Aber irgendwann wacht Biba auf und tut natürlich das Richtige.
Der Schrifststeller und Illustrator Maurice Sendak wurde von Heine vor gut drei Jahren als «der grösste lebende amerikanische Kinderbuchautor» beschrieben. Inzwischen ist er leider gestorben. Aber seine Bücher nicht. Die Konservativen hatten keine Freude an seiner «grauslichen» Geschichte von Max und den wilden Kerlen, sie wollten sie sogar aus den öffentlichen Bibliotheken verbannen.
Das war ihm egal. Er mochte interessante Menschen und das waren für ihn die Kinder. Für sie schrieb er, für die «härtesten Kritiker, die einem sagen, was sie denken und nicht, was sie meinen, denken zu müssen.»
Max, der Protagonist seiner Geschichte, blieb für Sendak stets die «tapferste» und daher auch seine «liebste Schöpfung». Max, der sein Wolfskostüm anzieht und Unfug treibt. Seiner Mutter gefällt das natürlich nicht. Sie schimpft ihn «wilder Kerl» und schickt ihn ohne Abendessen ins Bett. Und so segelt er dann auch zu den wilden Kerlen, die ihn sehr mögen und ihn sogar zu ihrem König machen wollen.
Pitschi ist die Geschichte des Kätzchens, das immer etwas Anderes sein wollte. Ein Hahn, ein Hase, eine Ente, egal was, Hauptsache nicht das, als was es eigentlich geboren wurde. Ein sehr fein gezeichnetes, altes Büchlein von einem Schweizer, der schon sehr lange tot ist. In den 50ern hat Hans Fischer Pitschi für seine eigenen Kinder erschaffen. Und dann ist dieses eigenwillige Kätzchen quer über den Erdball gewandert. Bis nach Japan. Dort wird Hans Fischer noch immer gefeiert. Im Kinderbuch-Museum in Nagano findet sich die weltweit umfassendste Sammlung seines Kinderbuchschaffens.