
Roland Fischer wirbt in der Stadt Luzern um Wählerstimmen.
Bild: HO
Ein guter
Leistungsausweis ist keine Garantie für eine Wiederwahl. Diese
Erfahrung macht der Luzerner GLP-Nationalrat Roland Fischer. Ihm droht
das unfreiwillige Ende seiner Politkarriere.
12.10.2015, 10:2413.10.2015, 12:19
Besonders gestresst
wirkt der freundliche Mann mittleren Alters nicht. «Ich schlafe
sehr gut», bestätigt Roland Fischer beim Gespräch im Café des
Kultur- und Kongresszentrums Luzern (KKL). Dabei hätte er allen
Grund für schlaflose Nächte. Der 50-jährige Nationalrat der
Grünliberalen Partei (GLP) gehört zu den Wackelkandidaten, nach nur
vier Jahren im Bundeshaus droht ihm ein Dasein als
politischer Frühpensionär. Seine Perspektiven sind nicht rosig.
Fischer macht sich
keine Illusionen: «Bereits 2011 war es am Wahltag lange unklar, ob
es für einen Sitzgewinn reichen würde. Am Ende hat es geklappt.
Dieses Mal wird es ähnlich sein, wenn wir nicht substanziell zulegen. Es
wird eine Zitterpartie.» Die «NZZ am Sonntag» hat ihn in ihrer
Wahlsimulation bereits abgeschrieben. Profitieren könnte die SVP,
die vor vier Jahren ihren dritten Sitz verloren hat. Roland Fischer schätzt seine Chancen auf 50:50, bleibt aber optimistisch: «Die Grundhaltung von mir und der Partei lautet: Wir schaffen es.»

Finanzpolitik als Kernkompetenz: Roland Fischer im Gespräch mit Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf.
Bild: KEYSTONE
Warum muss der
Luzerner zittern? Am Leistungsausweis liegt es nicht. Fischer
ist kein Hinterbänkler, den kaum jemand vermissen würde. Vielmehr
ist er einer der wenigen Grünliberalen, die neben dem übermächtigen
Parteichef Martin Bäumle ein eigenständiges Profil entwickeln
konnten. In der Öffentlichkeit war er vor allem als Wortführer des
liberalen Komitees «Nein zum Gripen» präsent. Weniger
spürbar, aber umso grösser ist ein Einfluss im Parlament, besonders
in der Finanzpolitik, die er als seine Kernkompetenz
bezeichnet.
Anstoss zu NFA-Kompromiss
«Kaum jemand –
von links bis rechts – bringt ähnlich hohe Fachkenntnisse mit»,
rühmte ihn sein Fast-Namensvetter, der Zürcher Grüne Daniel
Vischer, in der «Neuen Luzerner Zeitung». Das betrifft speziell
den nationalen Finanzausgleich (NFA), den Roland Fischer als
stellvertretender Projektleiter in der Eidgenössischen
Finanzverwaltung mitentwickelt hat. Zum dieses Jahr beschlossenen NFA-Kompromiss habe er den Anstoss gegeben. «Er ist
meine wohl wichtigste Errungenschaft», sagt Fischer, obwohl einige
Geberkantone darüber ziemlich sauer sind.
Seine Arbeit schlägt
sich in diversen Ratings nieder. Das Magazin «Bilanz» kürte ihn zum wirtschaftsfreundlichsten Nationalrat, ex aequo mit
seiner St.Galler Fraktionskollegin Margrit Kessler. Den
entsprechenden «Bilanz»-Sonderdruck lässt Fischer im Wahlkampf
verteilen. Noch mehr gefreut hat er sich über das Rating des «SonntagsBlick», wonach kein Mitglied der Luzerner Delegation
mehr Einfluss in Bern hat als der Nationalrat der Grünliberalen: «Diese Bewertung stammt von den Kolleginnen und Kollegen. Sie
zeigt, dass meine Arbeit sehr geschätzt wird.»
Derartige Meriten
nach nur vier Jahren im Bundeshaus können wenige vorweisen. Für
seine durchzogenen Wiederwahlchancen gibt es andere Gründe. Da wäre
etwa der Formstand seiner Partei, die nach der desaströsen
Niederlage mit ihrer Energiesteuer-Initiative im März einen Taucher
in den Umfragen gemacht hat. Zuletzt ging es wieder aufwärts, doch
selbst das könnte nicht reichen. Denn das Hauptproblem von Roland
Fischer nennt sich Listenverbindung.
«Partnerschaft ohne Liebe»
Vor vier Jahren
konnte GLP-Präsident Martin Bäumle in mehreren Kantonen clevere
Bündnisse schliessen, von denen seine Partei überdurchschnittlich
profitierte. Nun machen einige der damaligen Partner nicht mehr mit.
Die Sitze in Graubünden und Thurgau sind deshalb so gut wie
verloren. Stark gefährdet sind die Mandate von Margrit Kessler in
St.Gallen und jenes von Roland Fischer in Luzern. 2011 profitierte
er von einer vorteilhaften Allianz mit BDP und EVP. Nun haben sich
diese Parteien einer breiten Mitte-Verbindung mit CVP und FDP
angeschlossen.
Der GLP blieb nichts
anderes übrig, als beim Linksbündnis von SP und Grünen
anzudocken, in dem sie anders als 2011 nicht die stärkste Kraft ist. Die «Neue Luzerner Zeitung» bezeichnete die
Verbindung als «Partnerschaft ohne Liebe». Das ist untertrieben.
SP-Kantonalpräsident David Roth nimmt Roland Fischers Mandat direkt ins
Visier: «Wir sehen durchaus Chancen, dass wir einen zweiten SP-Sitz
auf Kosten der GLP erkämpfen können», sagte der frühere
Juso-Chef. Der Attackierte nimmt es gelassen und gibt offen zu, dass
er seinerseits auf den Sitz der Grünen schielt, die noch mehr
schwächeln als die Grünliberalen.
Ein «echter Liberaler»
Das
Nationalratsmandat der Grünen, das derzeit von Louis Schelbert
belegt wird, steht im Innerschweizer Zentrumskanton traditionell auf
der Kippe. «Am idealsten wäre,
wenn alle drei Parteien je einen Sitz erhalten und die SVP weiterhin
zwei hätte», sagt Fischer. Er
hofft, dass der angesagte Rechtsrutsch nicht
stattfindet, da dieser die Energiewende gefährde. Vor allem der
Lenkungsbereich, der zweite Teil der Energiestrategie 2050, könnte
unter die Räder kommen.
«Die Politik macht mir Spass, ich würde sie vermissen.»
Roland Fischer
Lenkungsabgaben
seien ein urliberales Anliegen, sagt Roland Fischer. Der passionierte
Biker und Langläufer, der im Luzerner Vorort Udligenswil lebt,
bezeichnet sich als «echten Liberalen». Das betreffe die Finanz-
und Steuerpolitik ebenso wie die Gesellschaftspolitik, bei der man
Fischers Positionen fast schon als links bezeichnen kann: Er
befürwortet die Homo-Ehe, die Cannabis-Legalisierung und vertritt
eine offene Ausländer- und Europapolitik.
40'000 bis 50'000 Franken
Fischer hofft auf
Panaschierstimmen von links und rechts, die seine Wahlchancen erhöhen könnten. Publizität soll ihm auch die
Kandidatur für den Ständerat einbringen. Im Schlussspurt bis zum Wahltag will er die Unentschlossenen überzeugen, unter anderem mit Verteilaktionen
auf Bahnhöfen. Geplant sind auch Inserate
in den Zeitungen, sofern es die Finanzlage erlaubt. Sein Budget
beziffert Roland Fischer auf 40'000 bis 50'000 Franken. Davon stammen
20'000 Franken aus Spenden, den Rest zahlt er aus dem eigenen Sack.
Eine Abwahl würde
ihn schmerzen, sie wäre für Roland Fischer aber kein Weltuntergang.
Er hat bereits heute ein 20-Prozent-Pensum als Dozent an der
Hochschule Luzern, das er wohl erhöhen könnte. Und ein kompetenter
Finanzpolitiker hat in der Regel wenig Mühe, ein Auskommen zu
finden. Daran denken aber mag der Luzerner Grünliberale nicht, dazu
hat er zu viel Gefallen am Dasein als Nationalrat gefunden: «Die
Politik macht mir Spass, ich würde sie vermissen.»
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