Fahren oder Ferien machen? Unterschiedlicher hätten Dominique Aegerter (24) und Tom Lüthi (28) die dreieinhalbwöchige Sommerpause nicht gestalten können. Nach dem GP von Deutschland (12. Juli) wollte Tom Lüthi keinen Motorenlärm mehr hören, keinen Töff mehr sehen, kein Benzin mehr riechen. «Ich mache es jedes Jahr so, ich brauche diese Pause.» Er verbrachte die Ferien am Strand beim Kite-Surfen.
Dominique Aegerter gestaltete seine GP-Ferien ganz anders. Er fuhr und fuhr und fuhr. Wie vor einem Jahr bestritt er das Acht-Stunden-Rennen in Suzuka. Bereits am Sonntagabend nach dem GP auf dem Sachsenring flog er von München aus nach Japan. Erst für Tests, dann bestritt er erneut das legendäre Langstreckenrennen.
«Ich sass wohl mehr als zehn Stunden auf der Rennmaschine und fuhr mehr als 1200 Kilometer.» Und zwar nicht gemütlich. Sondern am Limit auf 1000er-Viertakter-Höllenmaschinen. Bei Tests, im Training und schliesslich im Ernstkampf. Beim Acht-Stunden-Rennen absolvierte Dominique Aegerter von den drei Piloten im Team den längsten Einsatz (viereinhalb Stunden) und hatte den Löwenanteil am sensationellen 2. Platz.
Was ist nun besser? Fahren oder Surfen? Nun, soeben hat sich am ersten Trainingstag zum GP von Indianapolis gezeigt: Surfen ist besser. Wohl war Dominique Aegerter (4.) im ersten freien Training klar besser als Tom Lüthi (12.). Ja, Lüthi musste sogar einen Sturz übers Vorderrad und einen Austritt verkraften. «Bei der Anfahrt auf die Kurve ist der Gang rausgesprungen und ohne Motorenbremse bin ich übers Vorderrad gestürzt.» Der Unfall war harmlos, die Reparatur war aber so aufwändig, dass zu viel Trainingszeit verloren ging und nur acht Runden möglich waren. Aegerter absolvierte 22 Runden.
Doch bereits am Nachmittag, beim zweiten freien Training, fixierte Tom Lüthi die Teamhierarchie wieder. Nach dem ersten Trainingstag steht er auf dem 9. und Dominique Aegerter auf dem 14. Platz. Vielleicht sollte Aegerter doch surfen. Aber er sagt: «Nein, es ist gut so wie es ist. Ich kann ja gar nicht surfen und habe es noch nie probiert.»
Bei aller Coolness und trotz des Images als Töff-Rockstar: Langsam aber sicher kehren die Dämonen des Zweifels zurück, die den Rohrbacher schon vor der Sommerpause so oft geplagt haben. Diese Sommerpause hat nichts daran geändert, dass Tom Lüthi einfach schneller ist. Und das Grundmuster ist immer gleich. Im allerersten Training ist Dominique Aegerter vorne dabei – aber dann kann er sich, im Gegensatz zur Konkurrenz und zu Tom Lüthi, am zweiten Tag und im Rennen nicht mehr steigern.
Er sagt, man habe einfach zu wenig Informationen und ab und zu arbeite man in die falsche Richtung. «Mit der Suter hatten wir mehr Informationen.» Der Wechsel von Suter auf Kalex hat sich noch nicht gelohnt. Wenn nicht bald der Befreiungsschlag gelingt, muss Dominique Aegerter die ganze Saison 2015 als «Lernsaison» auf der Kalex abschreiben – und sich wieder über die Frage ärgern, ob er am Ende halt doch einen «Lüthi-Komplex» hat.