Ach, so romantisch kann also die Hockey-Welt auch heute noch sein. Deutschland wird im 145. Duell zum 60. Mal gebodigt – und gleich mit 4:1. Der Star kommt aus Ambri, nicht aus Bern, Zürich oder Davos. Inti Pestoni wird beim einzigen richtigen Schweizer Antgriff im ersten Drittel gefoult und versenkt den Penalty magistral zum 1:0. Es ist sein 5. Treffer in den letzten 7. Länderspielen. Er wird später auch noch zur definitiven Entscheidung auflegen: Gregory Hofmann trifft zum 3:1 und auch noch ins leere Tor zum 4:1 – seine beiden ersten Länderspieltreffer.
Die Helden kommen aus den Hockey-Provinzen, aus dem Welschland (Genazzi, Froidevaux), aus Rapperswil-Jona (Sieber, Hächler) und aus dem freiburgischen Uechtland – Benjamin Conz hext so wie nie mehr seit er bei der U-20-WM der beste Torhüter war. Selbst der 7. Verteidiger (Samuel Erni) und der 4. Center des EV Zug (Nolan Diem) sind ein Teil des Teams. Samuel Erni verteidigt neben Lausannes Joel Genazzi, Nolan Diem stürmt mit den Flügeln Tristan Scherwey und Mike Künzle. Noch vor zehn Jahren hätten sich der 7. Verteidiger und 4. Center des EV Zug glücklich geschätzt, wenn sie vom Verband ein Gratis-Ticket für ein Länderspiel erhalten hätten.
Die Deutschen waren zwar auch nur mit einer B-Nationalmannschaft da, und SCB-Verteidiger Justin Krueger musste eine ähnliche Rolle spielen wie bei uns Roman Josi an der Silber-WM 2013. Die Schweizer waren ganz einfach smarter, technisch und läuferisch besser als die Deutschen mit ihrem ungelenken preussischen Infanterie-Hockey. Als der erste Ansturm der Deutschen überstanden war (5:15 Torschüsse im ersten Drittel), lief das Konterspiel der Schweizer wie Örgelimusik (21:33 Torschüsse insgesamt).
Mit acht Neulingen ist Nationaltrainer Glen Hanlon in die Slowakei gereist. Es ist die unerfahrensten Auswahl seit Menschengedenken: Durchschnittlich haben die Schweizer gerade mal Erfahrung aus acht Länderspielen. Wir leben in Zeiten der billigen internationalen Hockey-Ehre. Sage und schreibe 56 Spieler hat Glen Hanlon für die drei Termine in November, Dezember und eben jetzt im Februar diese Saison schon aufgeboten, 22 davon sind Neulinge. Wer in diesen Zeiten nicht Nationalspieler wird, muss sich als NLA-Profi wahrlich fragen, ob er den Beruf verfehlt hat.
Im letzten Jahrhundert reichte es nicht einmal dann zu einem Sieg über Deutschland, wenn wir mit unseren besten Spieler antraten. Jetzt haben wir mit einer Mannschaft gegen die Deutschen gewonnen, aus der vielleicht kein einziger die WM-Nomination schaffen wird. Ein Sieg über Deutschland sozusagen mit der dritten Garnitur. Ein eindrücklicher Beweis für die enormen Fortschritte unseres Hockeys.
Wenn es um die WM-Nomination geht, wird der grossartige Auftritt von Inti Pestoni nicht mehr viel zählen. Denn wenn es wirklich zählt, werden Titanen wie Martin Plüss (er will sich nach einem Jahr Pause wieder für die WM zur Verfügung stellen), Severin Blindenbacher, Kevin Romy, Andres Ambühl, Tobias Stephan, Eric Blum, Morris Trachsler, Luca Cunti, Reto Suri oder Damien Brunner zum Zuge kommen.
Jetzt, da die Klubs in allem das letzte Wort haben (auch bei den Nominationen des Nationalteams) ist den Titanen im Februar eine Reise ins Herz der Slowakei nicht zuzumuten. Sie haben sich jetzt beim Klub auf die Playoffs vorzubereiten.
Da die Deutschen gegen die Slowaken bereits 1:4 verloren haben, können wir heute mit einem Sieg gegen die Slowakei (17.00) den Slowakei Cup gewinnen. Es wäre nach der Arosa-Challenge bereits der zweite Turniersieg beim dritten Einsatz unter dem Nachfolger von Sean Simpson.