Hilfe vor Ort
watson und das Schweizerische Rote Kreuz sammeln eine Woche lang Spenden für syrische Flüchtlinge im Libanon. Mach mit!
Taxi-Fahrer Abdul zeigt aus dem Autofenster. «Siehst du, das ist das Hisbollah-Quartier. Hier ist es sauber und aufgeräumt», sagt er, während er sein Taxi durch ein Mittelstandsquartier lenkt. Gerade liessen wir Jnah hinter uns, wo der «Flüchtlingscocktail» lebt, so drückt es Abdul aus. Vollgestopfte Strassen und offene Stromkabelnetze prägen das Strassenbild. Dass Abdul sich so ausdrückt, legt seine Gesinnung offen. Abdul ist Schiit und sympathisiert mit der Assad-nahen Hisbollah. Die meisten flüchtenden Syrer sind Sunniten.
Das Verhältnis zu den syrischen Flüchtlingen ist nicht nur deswegen angespannt. Die humanitäre Solidarität zu den arabischen Brüdern und Schwestern wird dadurch belastet, dass die Syrer schon mal hier waren: Zwischen 1976 bis 2005 waren ständig syrische Streitkräfte im Libanon stationiert. Je nach politischer Gesinnung empfand das der Libanese als Schutz oder Besatzung.
Die syrischen Truppen wurden erst 2005, nach dem bis heute unaufgeklärten Bombenattentat auf Ex-Ministerpräsident Rafiq al-Hariri abgezogen. Der hatte sein Amt aus Protest gegen die syrische Präsenz niedergelegt. Die USA unter Präsident George Bush machten syrische Geheimdienste für seinen Tod verantwortlich.
Für Politik interessiert sich Taxifahrer Abdul weniger. Für den 74-Jährigen sind die Politiker, die sich ihre Legislaturperiode ohne Wahlen verlängert haben, «sowieso alle von der Mafia». Abdul würde lieber mal mit Arbeiten aufhören. Doch daran ist nicht zu denken. «Womit sollte ich mein Leben finanzieren?» Wer nicht reich oder Staatsangestellter ist, hat im Libanon keine Rente.
Unter den Flüchtlingen leiden vor allem die libanesischen Arbeiter. Die Löhne sind in den letzten Jahren merklich zurück gegangen. Die Syrer mit Flüchtlingsstatus dürfen nicht arbeiten und verrichten deshalb die Arbeit schwarz zu einem Bruchteil des gängigen Lohns. Die Baubranche im Libanon boomt bereits, weil die syrischen Kräfte so billig sind.
Zum Leidwesen der libanesischen Arbeiter. Achmed verkauft in einer Seitenstrasse in einem Mittelstandsquartier Occasion-Mofas. «In den letzten zwei Jahren haben in meiner Strasse drei weitere Läden eröffnet, die dasselbe machen wie ich», sagt er. «Nur zahlen die Syrer als Flüchtlinge keine Import-, Mehrwert- oder Einkommenssteuer, wie ich.»
Die Syrer würden eine Garage für den Laden mieten und im Räumchen dahinter mit der ganzen Familie leben. «Zu fünft, zu siebt leben sie da und drücken meinen Preis», sagt Achmed. Er wohnt mit seiner Frau in einer Wohnung im selben Quartier. «So viele Flüchtlinge ertragen wir nicht.»
Zwei junge Studenten, die im Café vis-à-vis Shisha rauchen, klingen ähnlich: «Es sind einfach zu viele geworden», sagt der 26-Jährige Elias. Er studiert Informatik. «Sie sollten nicht noch mehr reinlassen.»
Die Jungen sind besorgt. Das ist auch an der Libanesisch-Amerikanischen Universität nicht anders. Hier machen Omar, Tarik und Rafik gerade Pause. «Unser Land hat schlicht nicht die Infrastruktur für so viele Flüchtlinge», sagt Omar. Ganz abgesehen davon, dass der Libanon keine funktionierende Regierung habe.
Omar spricht ein gepflegtes Englisch. Er stammt aus einer reichen Familie und studiert Elektrotechnik. «Vor der Krise betrug der Mindestlohn eines Libanesen 30 Dollar pro Tag. Heute macht ein Syrer dieselbe Arbeit für 15 Dollar. Das verursacht soziale und ökonomische Probleme», sagt er.
Zurück im Taxi erklärt es Abdul an einem einfachen Beispiel: «Stell dir vor du hast eine Pizza. Zwei Menschen könnten davon essen und hätten einen vollen Magen. Für sieben Menschen reicht eine Pizza aber einfach nicht.
(rar)