Es war ein kleines Grüppchen, das sich am Donnerstag vor dem Sitz der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in Zürich versammelte. Aber es hatte dicke Post dabei, die es zwei SNB-Vertretern überreichte. Mit einem «Klimaschutz-Memento» in Form eines offenen Briefes forderten die Vertreterinnen und Vertreter der Klima-Allianz Schweiz die Nationalbank auf, ihre Anlagestrategie zu überdenken und aus Investitionen in Kohle, Erdöl und Erdgas auszusteigen.
Unterzeichnet wurde das Memento von 135 teilweise illustren Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und NGOs. Der Klima-Allianz gehören 73 Organisationen an, darunter Alliance Sud, Greenpeace oder die Klimaseniorinnen, die im letzten Herbst eine Klage gegen den Bundesrat eingereicht haben, weil er zu wenig gegen den Klimawandel unternehme.
Nun ist die Nationalbank im Visier, die ihre Devisenreserven auf den internationalen Finanzmärkten anlegt. Eine Studie habe aufgedeckt, dass sie 10,8 Prozent des US-Aktienportfolios in die fossile Industrie investiere, kritisiert die Klima-Allianz. Diese produziere jährlich einen ähnlich hohen CO2-Ausstoss wie die gesamte Schweiz. Die SNB-Anlagepolitik sei «nicht kompatibel mit dem Pariser Klima-Abkommen von 2015», heisst es im Memento.
Für die Nationalbank und ihren Präsidenten Thomas Jordan kommt diese Kritik zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Sie befinden sich derzeit in verschiedenen Bereichen unter Druck:
Die Anlagepolitik der SNB wird nicht nur als «klimaschädlich» kritisiert. Erst letzte Woche sorgte eine Aktion beim Berner Sitz der Notenbank für Aufsehen. Die 86-jährige Pazifistin Louise Schneider sprayte den Slogan «Geld für Waffen tötet» auf einen Baustellenzaun. Die vermeintliche Sponti-Tat des «Sprayer-Grosis» war genau geplant. Sie diente als «Werbegag» für eine am gleichen Tag lancierte Volksinitiative der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA).
Das Volksbegehren will Investitionen in die Rüstungsindustrie verbieten. Neben den Pensionskassen ist auch in diesem Fall die Nationalbank der Hauptadressat. Sie investiert nicht nur in fossile Energien, sondern auch in Waffenhersteller. Die SNB kontert die Kritik mit dem Argument, ihre Anlagen erfolgten «indexbasiert». Ihr Portfolio orientiere sich am Gesamtmarkt.
Die Nationalbank gehe bei der Anlagepolitik «marktschonend» vor, sagte der stellvertretende SNB-Direktor Dewet Moser am Geldmarkt-Apéro Ende März. Die Preise sollten sich «möglichst nicht bewegen», auch wenn grosse Beträge investiert würden. Als Finanzinvestorin verfolge die SNB «keine strategischen Absichten» etwa mit Blick auf bestimmte Unternehmen oder Branchen, sagte Moser.
Dennoch hat die Nationalbank ethische Ausschlusskriterien definiert. Sie investiert nicht in Aktien von Unternehmen, die «international geächtete Waffen produzieren, grundlegende Menschenrechte massiv verletzen oder systematisch gravierende Umweltschäden verursachen». Davon betroffen waren ein Hersteller von Streumunition oder ein Bergbaukonzern.
Genau hier setzen die Kritiker an. Der Klimawandel sei gravierend und entspreche damit den Kriterien der Nationalbank, meint Christian Lüthi, Geschäftsführer der Klima-Allianz Schweiz: «Wir verlangen, dass die Nationalbank die Wissenschaft ernst nimmt und nicht wie Donald Trump auf alternative Fakten vertraut.» Am Rande der SNB-Generalversammlung am 28. April in Bern wollen die Klimaschützer diese Forderung mit einer Strassenaktion beim Bundesplatz unterstreichen.
Apropos Trump: Bereits letzte Woche musste die SNB dicke Post in Empfang nehmen, vom US-Finanzministerium in Washington. Es setzte die Schweiz neben China, Japan, Korea, Taiwan und Deutschland auf eine Beobachtungsliste für Währungsmanipulation. In der Kritik stehen insbesondere die Interventionen der Nationalbank zur Schwächung des Schweizer Frankens.
Der Bericht enthält Zündstoff, denn die neue Regierung von Präsident Donald Trump hat Handelspraktiken den Kampf angesagt, die sie als «unfair» beurteilt. Die SNB wies die Vorwürfe zurück. «Wenn wir intervenieren, tun wir das nicht, um der Schweiz Vorteile durch eine unterbewertete Währung zu verschaffen», sagte Präsident Thomas Jordan in einem Interview.
Die Formulierungen im neuen Bericht seien «deutlich kompromissloser» ausgefallen als in der ersten Version vom letzten Oktober, der noch von der Regierung Obama stammte, schreibt der «Tages-Anzeiger». Zwar hat Trump beim Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping seine Tonalität abgeschwächt. Doch der Republikaner und seine Regierung sind unberechenbar.
Mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses von 1.20 Franken sorgte die Nationalbank im Januar 2015 für einen Paukenschlag. Der Kurs des Euro rasselte zeitweise unter die Parität von 1:1. Die vom SNB-Direktorium erhoffte nachhaltige Erholung fand bis heute nicht statt. Der häufig als «Schmerzgrenze» bezeichnete Kurs von 1.10 Franken konnte nur kurzzeitig «geknackt» werden.
Nach dem Brexit und der Trump-Wahl ging es mit dem Euro wieder bergab, seit Monaten verharrt der Kurs bei rund 1.07 Franken. Was die Einkaufstouristen freut, nervt Fremdenverkehr und Exportindustrie. Die Möglichkeiten der Nationalbank sind beschränkt. Die Negativzinsen lassen sich kaum weiter senken. Bleiben nur die verpönten Interventionen am Devisenmarkt, also der Kauf von Euros.
Die Devisenreserven der SNB sind per Ende März auf 683,2 Milliarden Franken gestiegen. Bereits im Vormonat gab es einen deutlichen Zuwachs. Ursache für die anhaltende Euro-Schwäche dürfte das «Super-Wahljahr» in Europa sein. Insbesondere die Präsidentschaftswahl in Frankreich am Sonntag sorgt für Nervosität. Das Horrorszenario wäre eine Stichwahl zwischen den Populisten Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon, die den «Frexit» anstreben oder zumindest damit liebäugeln.
Für die Schweizerische Nationalbank gibt es in nächster Zeit immerhin einen Lichtblick. Am 10. Mai wird die neue Zwanzigernote vorgestellt und eine Woche später in Umlauf gebracht. Thomas Jordan und Konsorten müssen nur hoffen, dass drei Tage zuvor nicht Marine Le Pen zur Präsidentin gewählt wird. In diesem Fall dürfte der Freudentag einen ziemlich bitteren Beigeschmack bekommen.