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QR-Code-Fail: Bund führt Ukraine-Geflüchtete ins Leere

QR-Code-Fail: Bund führt Ukraine-Geflüchtete ins Leere

QR-Codes können praktisch sein, um lange Webadressen schnell aufrufen zu können. Pannen gibt's, wenn man auf externe Dienstleister vertraut. Genau das passierte nun dem Bund.
26.04.2022, 18:2827.04.2022, 08:11
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Den Bundesbehörden ist wieder einmal ein Digitalisierungs-Malheur passiert. Verbockt hat es diesmal das Staatssekretariat für Migration (SEM), das derzeit die erste Kontaktstelle für Geflüchtete aus der Ukraine ist. Die Behörde veröffentlichte vor zwei Wochen ein Informationsblatt «über das Leben in der Schweiz mit Schutzstatus S». Auf diesem wird grundlegendes Wissen unter anderem zum Föderalismus, Umzug und Schule vermittelt.

Das SEM hielt die Informationen bewusst knapp: Ein paar Sätze zu jedem Bereich sollten reichen. Würde das Dokument zu lang werden, wäre auch der Übersetzungsaufwand riesig, da die Informationen in ukrainisch, russisch, englisch, deutsch, französisch und italienisch angeboten werden. Stattdessen setzte man auf die Hilfe von QR-Codes: Wer mehr Informationen will, kann sich diese aufs Handy scannen.

Das klappte auch grundsätzlich. Ausgerechnet bei den ersten beiden Informationen zum Thema «Föderalismus» und «Adresswechsel» konnten die Geflüchteten aber keine Webseite aufrufen. Angezeigt wurde stattdessen eine Fehlermeldung: QR-Code-Kampagne sei aus irgendeinem Grund deaktiviert worden.

Der QR-Code lässt sich scannen, führt aber ins Leere.
Der QR-Code lässt sich scannen, führt aber ins Leere.bild: watson

Der Grund für diese Panne hängt mit der Funktionsart von QR-Codes zusammen. Diese verpacken eine Webadresse in maschinenlesbarer Form. Will man längere Webadressen in einen solchen QR-Code verpacken, wird das Bild entsprechend dichter. Abhilfe schaffen sogenannte URL-Verkürzer (englisch: URL shortener): Sie generieren für lange Webadressen eine Kurz-Form, die dann als Weiterleitung dient.

Weniger Probleme dank eigenen Adressverkürzer

Idealerweise verfügen Webseiten-Betreiberinnen und -Betreiber über eigene solche Verkürzungsservices: So hält man die Hoheit über Datenschutz-Aspekte und ist nicht vom Wohlwollen von externen Dienstleistern abhängig. watson entschied sich für dieses Vorgehen: Dieser Artikel ist unter zwei verschiedenen Webadressen erreichbar:

Der Bund hatte vermutlich mit demselben Problem zu kämpfen: Die Adresse zum Informationsblatt für Ukraine-Geflüchteten war ultra lang und benötigte entsprechend viele «QR-Code-Pixel». Die Behörde verkürzte die Adresse, nutzte jedoch dafür den externen Dienstleister «qr-code-generator.com» – der gleich automatisch auch den QR-Code als Bilddatei generierte.

https://www.sem.admin.ch/dam/sem/de/data/asyl/ukraine/leben-in-schweiz-mit-schutzstatus-s-ukr.pdf.download.pdf/leben-in-schweiz-mit-schutzstatus-s-ukr.pdf
https://qrco.de/bcvwDF

Darin verpackt waren die beiden Webadressen https://qrco.de/bcvwDF bzw. https://qrco.de/bcvvOW, die eigentlich zur Bundeswebseite weiterleiten sollten. Bloss taten sie das nicht (mehr): Die Kurz-Adressen wurden deaktiviert und führten entsprechend ins Leere.

Das SEM erfuhr dank der watson-Anfrage von der Panne und erklärt sich die Fehlermeldung mit einer Umstellung der eigenen Website. «Dabei haben sich offenkundig Dateipfade verirrt, wir passen das so rasch wie möglich an», sagt ein SEM-Sprecher. So rasch wie möglich heisst konkret: Die Korrektur wird erst am Donnerstag erfolgen, weil bis dann das Informationsblatt komplett überarbeitet wird.

Kostenlose, eigene Alternative dank Open Source

Die Behörde vermutet also die Panne bei sich selbst. Diese Situation hätte aber andere Fehlermeldungen verursacht, wie ein Test durch watson zeigt. Wahrscheinlicher ist deshalb, dass die Sperrung durch eine Drittperson verursacht wurde, welche die Webadresse missbräuchlich als Missbrauch meldete. Wahrscheinlicher ist auch ein zweites Szenario: Der Bund verkürzte die Webadresse mit einem «Pro-Account», ohne dafür zu bezahlen.

Auf der Frage-Antwort-Seite von «qr-code-generator.com» heisst es dazu: «Wenn Sie während der Testphase dynamische QR-Codes erstellt haben, werden diese [nach Ablauf der Probezeit] deaktiviert und mit einer Serviceseite verknüpft.» Ob dies der Fall ist, konnte das SEM bis Redaktionsschluss nicht beantworten, weil die verantwortliche Person dafür nicht erreicht werden konnte. Auch Fragen zum Datenschutz blieben deshalb zunächst unbeantwortet: Diese kommen auf, weil der Dienstleister «qr-code-generator.com» fleissig Daten sammelt.

Die Panne hätte mit einem eigenen Verkürzungsservices verhindert werden können. Solche Dienste werden von verschiedenen Entwicklerinnen und Entwickler kostenlos und mit offenem Quellcode angeboten. So etwa in Form des URL-Shortener-Pakets von «Kutt.it»: Die Bundes-IT hätte damit mit geringem Aufwand offizielle «admin.ch»-Kurzadressen generieren können, ohne teure Software beschaffen zu müssen.

Welchen QR-Code-Generator soll ich nutzen?
Im Internet wimmelt es von seriösen und unseriösen QR-Code-Generatoren. Die allermeisten Services lassen den QR-Code serverseitig generieren – sprich: Jedes mal, wenn du einen Text in ein Bild verpacken willst, wird er an einen Fremdserver geschickt, wodurch auch eine Menge an privaten Daten gesammelt werden können. Dank der Weiterentwicklung von Webbrowsern sind solche Generatoren auch in datensparsamer Form möglich: Aktuell (Stand 26. April 2022) bietet the-qrcode-generator.com ein Tool an, bei dem der QR-Code Browser-seitig generiert wird. Ein ähnliches Tool existiert auch für Schweizer QR-Rechnungen unter qr-rechnung.net.
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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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M1rS0l
26.04.2022 20:40registriert Januar 2018
"Die Bundes-IT hätte damit mit geringem Aufwand offizielle «admin.ch»-Kurzadressen generieren können, ohne teure Software beschaffen zu müssen.." es handelt sich um ein informationsblatt, oder? ich gehe mal davon aus, dass die bundes-it nicht für die erstellung eines solchen dokumentes und damit einhergehend für die generierung eines qr-codes für einen url-shortener zuständig ist, sondern das amt resp. der ersteller des dokumentes in der eile auf etwas zurück gegriffen hat ohne sich mit den vor- und nachteilen des verwendetenn services auseinandergeset zu haben. shit happens!
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Niccolo Birnstiel (1)
26.04.2022 22:08registriert Oktober 2021
Watson kann ja den Bund in IT-Fragen beraten.
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SolexVelo
26.04.2022 22:37registriert März 2022
Teil 2: Letzte Woche Tel an Helpline Kanton: Essen? Aaah, müssen sich registrieren für Termin, online. OK, getan. Heute Termin in Bellinzona. Nach Anfrage auf Hotline müssten auch alle Kinder dabei sein. In Bellinzona: Sie hätten die Kinder nicht mitnehmen müssen...

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