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Sparprogramm des Bundes: Finanzkontrolle kritisiert

ARCHIV - ZUM SPARBESCHLUSS DES NATIONALRATS BEI DEN BUNDESFINANZEN 2017 STELLEN WIR IHNEN DIESES ARCHIVBILD ZUR VERFUEGUNG - Ein Chinesischer Tourist aus Shanghai laesst einige Muenzen der insgesamt 8 ...
In den letzten Jahren schloss der Bund seine Rechnung fast ausschliesslich mit einem Plus ab.Bild: KEYSTONE

Um Milliarden verschätzt: Sparprogramm war nicht nötig

Der Bund hat jahrelang Ausgaben in Milliardenhöhe budgetiert, die nicht eingetroffen sind. Der Spardruck, der dadurch entstand, war nicht immer nötig, analysiert nun die Finanzkontrolle.
29.05.2020, 14:0930.05.2020, 15:29
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Die Finanzpolitik des Bundes hat in den letzten Jahren viel Kritik einstecken müssen. Der Bund prognostizierte regelmässig rote Zahlen, der Ruf nach Sparpaketen wurde laut. Am Ende zeigte sich, dass die Staatskasse mit einem dicken «Plus» in Milliardenhöhe abschliessen konnte.

Hat das ganze System? Diese Frage hat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) nun erstmals im Detail untersucht. Ein vierköpfiges Team nahm in einer zwölf Monate langen Analysearbeit fünf Sparprogramme des Bundes unter die Lupe. Ihr 55-seitiger Bericht ist am Freitagnachmittag veröffentlicht worden.

Darin kommt die Finanzpolitik des Bundes alles andere als gut davon. Im Bericht heisst es, dass «grosse systematische Prognosefehler» zum Spardruck geführt hätten. Im Nachhinein wären deshalb «mindestens zwei der fünf Sparprogramme zur Einhaltung der Vorgaben der Schuldenbremse nicht zwingend nötig gewesen».

Das macht die Finanzkontrolle (EFK)
Die Berichte der Eidgenössischen Finanzkontrolle haben regelmässig politische Sprengkraft. Ihre Analystinnen und Analysten überwachen die finanzielle Führung der Bundesverwaltung und zahlreiche halbstaatliche sowie internationale Organisationen.

Was ist die Schuldenbremse?

Um zu verstehen, wieso der Bund regelmässig sparen will, muss man die Schuldenbremse kennen. Sie wurde vom Volk 2001 angenommen und fordert, dass der Bund mittelfristig für stabile Finanzen sorgen muss.

Abbildung 4: Entwicklung der ordentlichen Ausgaben des Bundes 2003–2017 gemäss Voranschlag, Bundes- beschluss und Rechnung im Vergleich mit den ordentlichen Einnahmen gemäss Rechnung, Quellen: Voran-  ...
Die Ausgaben des Bundes wurden in den letzten Jahren regelmässig deutlich höher budgetiert (blau/grün) als tatsächlich eingetroffen (orange).Bild: efk

Zeigt sich, dass die Finanzen aus dem Lot kommen, so muss der Bundesrat dem Parlament ein Sparprogramm vorschlagen. Seit der Einführung der Schuldenbremse passierte das fünf mal, heisst es im EFK-Bericht.

Einmal lehnte das Parlament das Sparpaket ab, in den übrigen vier Beschlüssen gab es vom National- und Ständerat in einzelnen Punkten Ver- oder Entschärfungen.

  • Entlastungsprogramm 2003
  • Entlastungsprogramm 2004
  • Konsolidierungsprogramm 2012/13
  • Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspaket 2014
  • Stabilisierungsprogramm 2017–19

Was haben Sparprogramme gebracht?

Bundesraetin Eveline Widmer-Schlumpf spricht waehrend einer Medienkonferenz am Mittwoch, 21. Oktober 2015 in Bern. Der Bundesrat will die Anforderungen fuer systemrelevante Banken verschaerfen. Damit  ...
Eveline Widmer-Schlumpf war von 2010 bis 2015 Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements.Bild: KEYSTONE

Die Antwort der EFK ist dazu nicht eindeutig. Sie schreibt, dass der «Spardruck» aufgebaut wurde, weil die Zinsen auf Staatsschulden und die Teuerung «wiederholt überhöht» geschätzt wurden. Jährlich seien «mehrere 100 Millionen Franken» an Ausgaben geplant worden, die am Ende viel geringer ausfielen.

Das sei wesentlich der Grund gewesen, wieso die beiden Sparpakete für 2012/13 und 2014 vorgeschlagen wurden (ersteres wurde vom Parlament dann abgelehnt). Diese seien nicht zwingend nötig gewesen, damit die Schuldenbremse eingehalten werden könne.

Die EFK kommt zu diesem Schluss auch wegen der Analyse von insgesamt 369 Sparmassnahmen, die die Ausgaben betreffen. Nur drei Viertel davon hätten tatsächlich eine Einsparung gebracht. Diese Sparpakete hätten zwar laut EFK-Bericht dazu «beigetragen», dass der Bund in den letzten Jahren stabil haushalten konnte. Wie gross der Effekt tatsächlich jedoch war, könne man aber «nicht feststellen».

Wie reagiert der Bund?

Er hat schon 2017 Massnahmen ergriffen, um das Staatsbudget besser schätzen zu können. Das habe das Problem des unnötigen Spardrucks entschärft, entnimmt man dem EFK-Bericht.

Die Eidgenössische Finanzverwaltung ist für die Finanzplanung des Bundes zuständig. Sie schreibt, dass es «intensive Diskussionen» mit der EFK gab und lässt eine Stellungnahme veröffentlichen, in der sie sich mit dem «Inhalt über weite Strecken» einverstanden zeigt, aber auch Kritik äussert:

  • Die Finanzverwaltung kann nachvollziehen, dass die EFK zwei Sparprogramme im Rückblick als nicht notwendig betrachtet.
  • Die ungenauen Schätzungen bei den Schuldzinsen seien passiert, weil es eine historisch einmalige Situation bei den Zinsen gab. Das hätten nicht mal Konjunkturexperten so erwartet.
  • Der Bundesrat habe so handeln müssen, einen «Handlungsspielraum» habe es bei den Sparprogrammen nicht gegeben.
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Daniel Jositsch (SP/ZH).
quelle: keystone / lukas lehmann
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Video: srf
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51 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Satanarchist
29.05.2020 15:24registriert März 2019
Besser als Geld auszugeben, das man nicht hat.
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rueuni11
29.05.2020 16:17registriert März 2018
Sehr interessant, aber hinsichtlich der aktuellen Lage können wir alle gottenfroh darüber sein, dass diese Fehler in der Budgetierung gemacht wurden.
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sheimers
29.05.2020 17:19registriert April 2014
Dieses Jahr wird richtig teuer. Sind wir doch froh, dass wir die letzten Jahre etwas gespart und Schulden abgebaut haben.
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«Erster wirklicher Stresstest für die Schuldenbremse»: Ökonom ordnet drohendes Defizit ein
Beim Bund drohen Defizite von bis zu vier Milliarden Franken. Wie schlimm ist das? Und wie hat man in der Vergangenheit darauf reagiert? Ökonom Thomas M. Studer, der zur Geschichte der Bundesfinanzen seine Dissertation verfasst hat, gibt Auskunft.

Jahrelang schrieb der Bund Überschüsse. Jetzt drohen Defizite in Milliardenhöhe. Verglichen mit früher: Wie schlecht steht es um die Bundesfinanzen?
Thomas M. Studer:
Um das vergleichen zu können, stellt man das Defizit ins Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP). Bei jährlichen strukturellen Defiziten von 2 bis 4 Milliarden Franken, wie sie der Bund erwartet, sind das gemessen am aktuellen BIP rund 0,25 bis 0,5 Prozent. In der Schuldenkrise der 1970er-Jahre waren es bis zu 0,9 Prozent, in den 1990er-Jahren sogar bis 2 Prozent. So schlimm ist es heute noch nicht. Was die Geschichte aber zeigt: Es ist schwierig, aus einer Defizitphase herauszukommen, wenn man mal drin ist.​

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