Um Milliarden verschätzt: Sparprogramm war nicht nötig
Die Finanzpolitik des Bundes hat in den letzten Jahren viel Kritik einstecken müssen. Der Bund prognostizierte regelmässig rote Zahlen, der Ruf nach Sparpaketen wurde laut. Am Ende zeigte sich, dass die Staatskasse mit einem dicken «Plus» in Milliardenhöhe abschliessen konnte.
Hat das ganze System? Diese Frage hat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) nun erstmals im Detail untersucht. Ein vierköpfiges Team nahm in einer zwölf Monate langen Analysearbeit fünf Sparprogramme des Bundes unter die Lupe. Ihr 55-seitiger Bericht ist am Freitagnachmittag veröffentlicht worden.
Darin kommt die Finanzpolitik des Bundes alles andere als gut davon. Im Bericht heisst es, dass «grosse systematische Prognosefehler» zum Spardruck geführt hätten. Im Nachhinein wären deshalb «mindestens zwei der fünf Sparprogramme zur Einhaltung der Vorgaben der Schuldenbremse nicht zwingend nötig gewesen».
Was ist die Schuldenbremse?
Um zu verstehen, wieso der Bund regelmässig sparen will, muss man die Schuldenbremse kennen. Sie wurde vom Volk 2001 angenommen und fordert, dass der Bund mittelfristig für stabile Finanzen sorgen muss.
Zeigt sich, dass die Finanzen aus dem Lot kommen, so muss der Bundesrat dem Parlament ein Sparprogramm vorschlagen. Seit der Einführung der Schuldenbremse passierte das fünf mal, heisst es im EFK-Bericht.
Einmal lehnte das Parlament das Sparpaket ab, in den übrigen vier Beschlüssen gab es vom National- und Ständerat in einzelnen Punkten Ver- oder Entschärfungen.
- Entlastungsprogramm 2003
- Entlastungsprogramm 2004
Konsolidierungsprogramm 2012/13- Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspaket 2014
- Stabilisierungsprogramm 2017–19
Was haben Sparprogramme gebracht?
Die Antwort der EFK ist dazu nicht eindeutig. Sie schreibt, dass der «Spardruck» aufgebaut wurde, weil die Zinsen auf Staatsschulden und die Teuerung «wiederholt überhöht» geschätzt wurden. Jährlich seien «mehrere 100 Millionen Franken» an Ausgaben geplant worden, die am Ende viel geringer ausfielen.
Das sei wesentlich der Grund gewesen, wieso die beiden Sparpakete für 2012/13 und 2014 vorgeschlagen wurden (ersteres wurde vom Parlament dann abgelehnt). Diese seien nicht zwingend nötig gewesen, damit die Schuldenbremse eingehalten werden könne.
Die EFK kommt zu diesem Schluss auch wegen der Analyse von insgesamt 369 Sparmassnahmen, die die Ausgaben betreffen. Nur drei Viertel davon hätten tatsächlich eine Einsparung gebracht. Diese Sparpakete hätten zwar laut EFK-Bericht dazu «beigetragen», dass der Bund in den letzten Jahren stabil haushalten konnte. Wie gross der Effekt tatsächlich jedoch war, könne man aber «nicht feststellen».
Wie reagiert der Bund?
Er hat schon 2017 Massnahmen ergriffen, um das Staatsbudget besser schätzen zu können. Das habe das Problem des unnötigen Spardrucks entschärft, entnimmt man dem EFK-Bericht.
Die Eidgenössische Finanzverwaltung ist für die Finanzplanung des Bundes zuständig. Sie schreibt, dass es «intensive Diskussionen» mit der EFK gab und lässt eine Stellungnahme veröffentlichen, in der sie sich mit dem «Inhalt über weite Strecken» einverstanden zeigt, aber auch Kritik äussert:
- Die Finanzverwaltung kann nachvollziehen, dass die EFK zwei Sparprogramme im Rückblick als nicht notwendig betrachtet.
- Die ungenauen Schätzungen bei den Schuldzinsen seien passiert, weil es eine historisch einmalige Situation bei den Zinsen gab. Das hätten nicht mal Konjunkturexperten so erwartet.
- Der Bundesrat habe so handeln müssen, einen «Handlungsspielraum» habe es bei den Sparprogrammen nicht gegeben.
