Die soziale Ungleichheit in der Schweiz habe «ein ungeheures Mass» angenommen und sei eine «himmelschreiende Ungerechtigkeit», sagte Juso-Präsidentin Ronja Jansen am Dienstag laut Redetext an einer Medienkonferenz.
Nach Angaben des Initiativ-Komitees konnten die reichsten 300 Personen in der Schweiz ihr Vermögen in den letzten sieben Jahren von 352 Milliarden auf 707 Milliarden Franken verdoppeln. Mittlerweile besitze das reichste Prozent über 42 Prozent des Gesamtvermögens. Und dieses vermehre sich laufend in Form von Dividenden, Mieteinnahmen oder Zinsen.
Die Juso will deshalb mit der 99-Prozent-Initiative genau diese Vermehrung stärker besteuern. Sie fordert, dass Kapitaleinkommen und Börsengewinne ab 100'000 Franken 1,5-mal höher besteuert werden sollen als Löhne.
Von der höheren Besteuerung erhoffen sich die Initianten zusätzliche Steuereinnahmen in der Höhe von zehn Milliarden Franken pro Jahr.
Dieses Geld soll dann zurück zur arbeitenden Bevölkerung fliessen: So sollen die Steuern auf tiefe und mittlere Arbeitseinkommen gesenkt, der Service Public ausgebaut, Kitas finanziert und damit die erwerbstätigen Frauen entlastet, in Prämienverbilligung investiert und Weiterbildungsangebote finanziert werden.
Lanciert wurde die 99-Prozent-Initiative von den Jungsozialistinnen und Jungsozialisten. Unterstützung erhalten die Juso-Mitglieder von ihrer Mutterpartei der SP und den Grünen.
Heute seien Kapitaleinkommen bei der Besteuerung privilegiert, argumentieren die Befürworter. So müssten Grossaktionäre beispielsweise auf 60 Prozent ihres Einkommens Steuern zahlen – während alle anderen ihr gesamtes Einkommen versteuerten. Die 99-Prozent-Initiative weist diese Steuerprivilegien der Reichen zurück.
Der Bundesrat, eine Mehrheit des Parlaments und der Kantone lehnen die Initiative ab. SVP, Mitte-Partei, FDP und GLP sind gegen die 99-Prozent-Initiative.
Der Bedarf nach Umverteilungen sei in der Schweiz geringer als in anderen Ländern, argumentierte der Bundesrat. Progressive Vermögens- und Einkommenssteuern verstärkten die Umverteilung.
Eine Erhöhung der Steuern auf Kapitaleinkommen würde zudem die Anziehungskraft der Schweiz für Reiche mindern. Aufgrund der Steuerempfindlichkeit dürften entgegen der Hoffnungen der Initianten auch keine Mehreinnahmen resultieren.
Auch der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, der Gewerbeverband SGV, die Interessenorganisation der Familienunternehmen Swiss Family Business, Digitalswitzerland und der Verband SWESA, der KMU und Startups vertritt, lehnen die Volksinitiative ab.
Die Markteinkommen seien in der Schweiz so gleichmässig verteilt wie in keinem anderen Industrieland, hiess es von Seiten der Wirtschaftsverbände und Interessenorganisationen. Würde Kapitaleinkommen noch stärker besteuert, würde noch weniger investiert.
Neu ist die Idee der Kapitalgewinnbesteuerung nicht. 2001 hat das Schweizer Stimmvolk bereits über eine ähnliche Initiative abgestimmt, die vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund lanciert wurde. Auch er wollte das Kapital zu einem einheitlichen, proportionalen Satz von mindestens 20 Prozent besteuern. Die Initiative wurde mit 66 Prozent Nein-Stimmen verworfen.
Am 26. September entscheidet das Schweizer Stimmvolk über die 99-Prozent-Initiative.
(ohe/sda)