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Was der Ukraine-Krieg für die Haustiere und die Tiere im Zoo bedeutet

Was der Ukraine-Krieg für die Tiere bedeutet – und was versucht wird, um sie zu retten

Haustiere im Handgepäck, evakuierte Löwen und Zoowärter, die in den Zoo eingezogen sind: Die Ukrainer unternehmen viel, um ihre Tiere zu retten oder zu versorgen. Doch die Hürden sind hoch – und ein Problem wird immer akuter.
06.03.2022, 12:3107.03.2022, 11:25
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Seit dem 24. Februar 2022 ertönen die Kriegs-Sirenen über den ukrainischen Städten. Viele Menschen sind seither gezwungen, ihr Zuhause fluchtartig zu verlassen. Nach nur einer Woche sind laut der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR bereits über eine Million Menschen in die Nachbarländer geströmt.

Nach Einschätzung der UNHCR wird sich diese Zahl noch drastisch erhöhen: Das Flüchtlingshilfswerk rechnet mit bis zu vier Millionen Menschen, die die Ukraine verlassen werden. Es droht eine der grössten Flüchtlingswellen in diesem Jahrhundert.

Oftmals sind die Flüchtlinge nicht alleine unterwegs. Im Handgepäck nehmen sie ihre Katzen, Hunde oder andere Haustiere mit auf die beschwerliche Reise. Und das, obwohl dies die Flucht ins Ausland nicht unbedingt erleichtert – im Gegenteil.

Eine Frau, die aus der Ukraine flieht, trägt einen kleinen Hund in einem Rucksack an der Grenze in Wysne Nemecke, Slowakei, 3. März 2022.
Eine Frau, die aus der Ukraine flieht, trägt einen kleinen Hund in einem Rucksack an der Grenze in Wysne Nemecke, Slowakei, 3. März 2022.bild: keystone

Grund dafür sind die gesetzlichen Bestimmungen der EU-Mitgliedstaaten: Tiere wie Hunde und Katzen brauchen bei der Einreise eine Kennzeichnung (z.B. einen Mikrochip) sowie eine Impfung gegen Tollwut, die mindestens drei Wochen zurückliegt.

Ein kleiner Hund, der einer ukrainischen Frau auf der Flucht gehört, wartet auf einem Stapel Gepäck am rumänisch-ukrainischen Grenzübergang in Siret, Nordrumänien, 27. Februar 2022.
Ein kleiner Hund, der einer ukrainischen Frau auf der Flucht gehört, wartet auf einem Stapel Gepäck am rumänisch-ukrainischen Grenzübergang in Siret, Nordrumänien, 27. Februar 2022.bild: keystone

Teils Ausnahmebestimmungen für Flüchtende mit Haustieren

Viele Tiere erfüllen die Kriterien nicht. Auf Druck von vielen Tierschutzorganisationen hat die EU-Kommission am 28. Februar beschlossen, dass die Mitgliedsstaaten ihre Regeln für die Einfuhr von Haustieren lockern dürfen. Einige Staaten, unter anderem Polen, Ungarn und Deutschland, haben die Einreise von Tieren bereits unbürokratischer gestaltet. Und auch das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) erarbeite in Zusammenarbeit mit der EU und den kantonalen Veterinärdiensten derzeit ein mögliches Konzept, hiesst es auf Anfrage von watson.

Ein ukrainisches Mädchen kuschelt ihre Katze in ihrem Mantel am Bahnhof von Lwiw, Ukraine, 28. Februar 2022.
Ein ukrainisches Mädchen kuschelt ihre Katze in ihrem Mantel am Bahnhof von Lwiw, Ukraine, 28. Februar 2022.bild: AP Photo/Bernat Armangue
«Wenn wir uns nicht um sie kümmern, haben sie kaum eine Überlebenschance.»
David Barritt, Direktor vom Network for Animals

Dort, wo diese bürokratische Hürde überwunden ist, geht man bereits einen Schritt weiter. Tierschutzstiftungen wie Vier Pfoten unterstützen Menschen auf der Flucht, die mit Haustieren unterwegs sind: Nebst Verpflegung, Transportboxen und medizinischer Versorgung bietet die Organisation auch Impfungen sowie das Einsetzen von Mikrochips an.

Ein ukrainischer Soldat streichelt einen zurückgelassenen Hund in der Region Luhansk im Osten der Ukraine, 28. Januar 2022.
Ein ukrainischer Soldat streichelt einen zurückgelassenen Hund in der Region Luhansk im Osten der Ukraine, 28. Januar 2022.bild: keystone

Doch längst nicht alle konnten ihre Haustiere an einen sicheren Ort bringen. «Durch Flucht und Evakuierung sind in der Ukraine zahlreiche Tiere zurückgeblieben», berichtete der Tierschützer Andreas Dinkelmeyer der Organisation International Fund for Animal Welfare.

Viele Menschen hatten schlicht keine andere Wahl, als ihre Tiere auf der Strasse auszusetzen, erklärte David Barritt, Direktor vom Network for Animals. Diese Tiere seien sich nicht gewohnt, für sich selbst zu sorgen. Ausserdem seien viele Tiere bei den Angriffen verletzt worden. Sein Team versuche deshalb, die zurückgelassenen Tiere zu versorgen und zu verarzten. «Wenn wir uns nicht um sie kümmern, haben sie kaum eine Überlebenschance», sagt der Tierschützer gegenüber «Indianexpress».

«Die Evakuierung mit teils bis zu achtstündigen Fahrten ist mit sehr vielen Gefahren verbunden gewesen.»
Dr. Shkvyria, leitende Zoologin des Zoos in Kiew

Menschen bleiben, um Tierleben zu retten

Barritts Organisation ist nicht die einzige, die sich dazu entschieden hat, in der Ukraine zu bleiben. Auch die Tierschutzgemeinschaft Love Furry Friends hat das Land bislang noch nicht verlassen. «Wir verlassen das Land nicht. Wir bleiben und versuchen, so viele Haustiere zu retten wie möglich», schrieb die gemeinnützige Organisation auf ihrer Webseite. Doch die Bedingungen seien schwer.

Eine der grössten Herausforderungen sei einerseits, die Haustiere zu finden, denn oft versteckten sie sich verängstigt in beschädigten Häusern. Andererseits fehle es an Futter sowie an Unterkünften. Die Tierheime in der Ukraine seien bereits überfüllt. Die verschiedenen Organisationen versuchen deshalb, Futter aufzubringen und einige der Tiere in die Nachbarländer zu bringen.

Doch dies dürfte nur ein kleiner Teil sein. Für einige Tierheime, darunter Shelter Friend, sei die Entfernung zur Grenze schlicht zu gross, um über 500 Tiere ins Ausland zu verfrachten.

Zoowärter zogen in den Zoo

Der Zoo in Kiew wagte die lange Reise trotzdem. Die beschädigten Strassen und die ständige Gefahr, angegriffen zu werden, hielt die Mitarbeitenden des Zoos nicht davon ab, einige ihrer Tiere in den Zoo nach Polen zu bringen. «Die Evakuierung mit teils bis zu achtstündigen Fahrten ist mit sehr vielen Gefahren verbunden gewesen», teilte Dr. Shkvyria, leitende Zoologin, der Tageszeitung «The National» mit.

Löwen, Tiger, Windhunde und ein Affe konnten bereits erfolgreich evakuiert werden. Weitere Tiere – darunter sieben Bären – sollen bald folgen. Etwa 4000 Tiere, darunter Elefanten, Kamele und der einzige Gorilla der Ukraine, können nicht an einen sicheren Ort gebracht werden. Dies sei logistisch schlicht unmöglich.

Animal keeper Kirilo Trantin comforts an elephant at the Kiev Zoo in Kyiv, Ukraine, Tuesday, March 1. 2022. (AP Photo/Emilio Morenatti)
Tierpfleger Kirilo Trantin tröstet einen Elefanten im Kiewer Zoo, 1. März 2022.Bild: keystone

Um die Tiere trotzdem zu versorgen und so gut wie möglich zu beschützen, sind Zoowärter nicht nur zurückgeblieben, sondern gleich in den Zoo eingezogen. So können sie sich permanent um die Tiere kümmern. Um die Tiere vor Granaten und Raketen zu schützen, habe man sie bereits in Innengehege sowie unterirdische Gänge umgesiedelt.

Der Zoo hofft nun, dass bald weitere Tiere evakuiert werden können. Im Mittelpunkt stehe nun aber besonders die Aufstockung an Tierfutter, da die Bestände sowohl im Zoo als auch in den Tierheimen langsam knapp würden. Der europäische Zoodachverband EAZA arbeitet laut eigenen Angaben gerade an einem Fundraising.

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27 Kommentare
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Lion:ess
06.03.2022 14:29registriert Dezember 2015
Wir als Familie mit Katze und 2 Axolotls, die wir einen Plan für den Fall eines Feuers ausgearbeitet haben, können uns überhaupt nicht vorstellen, wie das im Fall einer Flucht vor Krieg funktionieren sollte. Krieg ist für alle Lebewesen schrecklich, danke all denen, die auch an die Tiere denken.
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mirimimi
06.03.2022 13:21registriert Dezember 2018
der gedanke seine tiere zurückzulassen bricht mir das herz... ich danke allen menschen, die sich um diese kümmern und den organisationen, die alles mögliche tun, um die tiere zu versorgen!
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Aber ähm…
06.03.2022 19:34registriert August 2019
Dieses Thema geht mir seit Kriegsausbruch immer wieder durch den Kopf. Ich hoffe, dass ich nie vor der Entscheidung stehe, entweder zu flüchten oder im Krieg zu bleiben und somit bei meinen Tieren. Es würde mir das Herz brechen meine Katze, die Hühner und die Zwergziegen im Stich zu lassen. Sie gehören doch irgendwie auch zur Familie.
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