Die Gespräche am Runden Tisch in der Ukraine haben nach Angaben des OSZE-Diplomaten Wolfang Ischinger erste, zaghafte Fortschritte gebracht. Kurz vor der Präsidentschaftswahl mehren sich zudem die Anzeichen, dass Russland seine Truppen von der ukrainischen Grenze abzieht.
Ischinger, der die Gespräche im Auftrag der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) leitet, sprach am nach dem dritten Treffen von einer «Kurve, die sich nach oben bewegt». «Wir werden bei jedem Gespräch besser», ergänzte der Deutsche am Donnerstag an einer im Internet übertragenen Medienkonferenz.
Er schlug vor, die Gespräche nach den Präsidentschaftswahlen am Sonntag fortzusetzen. Zudem sei es sein Bestreben, so viele Gruppen und Kräfte wie möglich in die Diskussionen einzubeziehen. Das dritte Gespräch am Runden Tisch hatte am Mittwoch in der südukrainischen Stadt Nikolajew stattgefunden. Zuvor hatten sich die Gruppen je einmal in Kiew und Charkow getroffen.
Ischinger verwahrte sich gegen Kritik am Runden Tisch, nachdem die Vertreter der Separatisten zu keinem der drei Treffen eingeladen worden waren. Die Übergangsregierung in Kiew betonte stets, Gespräche seien nur mit Kräften möglich, die «kein Blut an den Händen» hätten.
Die Separatisten hätten selbst keine Absicht, mit Vertretern der Übergangsregierung in Kiew an einen Tisch zu sitzen. «Selbst wenn wir ihnen vergoldete Einladungen geschickt hätten, wären sie nicht gekommen», sagte Ischinger. Der Diplomat sieht die separatistischen Kräfte in der Ostukraine nicht als einheitliche Gruppe an. Man könne nicht sagen, dass alle diese Kräfte vom Kreml gesteuert würden, ergänzte er.
Der OSZE-Vertreter begrüsste das Engagement des Geschäftsmanns Rinat Achmetow, der zum friedlichen Widerstand gegen die Separatisten aufgerufen hatte. Zudem sei es erfreulich, dass es von russischer Seite Zeichen gebe, vorwärts zu gehen.
Auch die NATO sah am Donnerstag Zeichen für einen beginnenden Abzug der russischen Truppen von der ukrainischen Grenze. «Es ist noch zu früh, um zu sagen, was das bedeutet, aber ich hoffe, dass es der Beginn eines umfassenden und ehrlichen Rückzugs ist», sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Vortag den Abzug der Truppen angekündigt, «damit nicht Spekulationen entstehen, wir würden die Präsidentenwahl behindern».
Mit Blick auf die Wahlen hat die Führung in Kiew den UNO-Sicherheitsrat um eine Dringlichkeitssitzung gebeten. Es würden sich Hinweise auf «russische Sabotageakte» häufen, sagte der Übergangsregierungschef Arseni Jazenjuk in Kiew. «Wir werden bei der Sitzung Beweise vorlegen, dass Russland mit einer Eskalation des Konflikts die Präsidentenwahl vereiteln will.»
Die Präsidentenwahlen in der Ukraine sind aus Sicht der Führung in Kiew auf jeden Fall gültig, auch wenn nicht überall im Land gewählt werden kann.
Auch OSZE-Diplomat Ischinger rief Ukrainerinnen und Ukrainer mit Nachdruck auf, an der Präsidentenwahl teilzunehmen: «Üben Sie ihre demokratischen Rechte aus, helfen Sie auch anderen, an den Wahlen teilzunehmen und verhindern Sie, dass andere daran gehindert werden, an den Wahlen teilzunehmen.»
Die prowestliche Regierung geht in der Ostukraine derweil mit einem «Anti-Terror-Einsatz» gegen Separatisten vor. Gemäss offiziellen Angaben wurden am Donnerstag mindestens 17 Regierungssoldaten bei zwei Angriffen im Osten des Landes getötet. Übergangsregierungschef Jazenjuk verlangte eine Krisensitzung des UNO-Sicherheitsrates, da Russland «den Konflikt anheizt» und die Wahl zu sabotieren versuche.
Allein bei einem Granaten- und Mörserangriff nahe der Donbass-Stadt Wolnowacha wurden 16 Soldaten getötet. Nach mehreren Tagen relativer Ruhe hatten die Separatisten dort in der Nacht auf Donnerstag offenbar gezielte und massive Angriffe gegen die Streitkräfte geführt, um ihre Hochburgen zu verteidigen.
Bei einer Rebellenattacke auf einen Militärkonvoi vor der Stadt Rubischne in der Region Lugansk wurde nach Angaben des Verteidigungsministeriums ein weiterer Soldat getötet. Zusammen seien bei beiden Angriffen rund 20 Truppenmitglieder verletzt worden.
Die Separatisten wiederum sprachen von 20 Toten und über 42 Verletzten bei Wolnowacha. In der selbst ernannten «Volksrepublik Lugansk» riefen die Machthaber das Kriegsrecht aus. Die «Volksrepubliken» Donezk und Lugansk hatten sich am 11. Mai in nicht anerkannten Referenden vom Rest des Landes losgesagt. (tvr/sda/dpa)