Wenn die Schweiz teure Spezialisten ausbildet, sollen diese auch hier arbeiten können. Das fordert FDP-Nationalrat Marcel Dobler in einer Motion, die kommende Woche im Ständerat behandelt wird. Der Nationalrat hatte ihr im September 2018 zugestimmt.
Dobler schreibt, schon lange sei bekannt, dass ausländische Hochschulabsolventen wichtige Fachkräfte für den Schweizer Arbeitsmarkt darstellten. Deshalb müsse man die Voraussetzungen schaffen, um in der Schweiz ausgebildete ausländische Studenten einfach und unbürokratisch in der Schweiz behalten zu können.
Der St. Galler Nationalrat greift mit seiner Motion ein Thema auf, das auch dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse schon lange ein Dorn im Auge ist. In einer neuen Untersuchung kommt der Verband zum Schluss, dass die Schweiz im internationalen Vergleich in diesem Bereich besonders schlecht aufgestellt ist. Personen aus Nicht-EU/EFTA-Ländern, die hier studiert haben, werden nach ihrer Ausbildung kaum in den Schweizer Arbeitsmarkt integriert.
In dem Papier, das watson vorliegt, schreibt Economiesuisse: «Die Schweiz investiert jedes Jahr insgesamt rund 180 Millionen Franken in die Ausbildung von Studierenden aus Drittstaaten. Doch nur 10 bis 15 Prozent all dieser Absolventen bleiben danach in der Schweiz, um hier zu arbeiten.» Zum Vergleich: In der EU liegt dieser Wert bei 15 bis 29 Prozent.
Rudolf Minsch, Chefökonom bei Economiesuisse, findet das problematisch: «In Zeiten von Fachkräftemangel nimmt der weltweite Wettbewerb um die besten Köpfe stetig zu. Viele Länder versuchen, ausländische Studierende anzuziehen und sie erfolgreich in den inländischen Arbeitsmarkt zu integrieren.»
Bei Personen aus den EU- und EFTA-Staaten tue die Schweiz dies erfolgreich mittels des Personenfreizügigkeitsabkommens. Doch für Studierende aus anderen Ländern seien die Bedingungen hier zu bleiben alles andere als attraktiv. «Deshalb steht die Schweiz im weltweiten Wettbewerb um die besten Talente nicht gut da», so Minsch.
«Die Schweiz schneidet sich mit ihrer Politik im Kampf um die weltweit besten Talente ins eigene Fleisch», meint der Economiesuisse-Mann. Die Schweiz müsse Uni-Abgängern aus Drittstaaten endlich bessere Bedingungen bieten: Nur so könnten hoch qualifizierte, junge Personen, die die Schweiz gut kennen, aber noch nicht über eine ausreichende Arbeitserfahrung verfügen, längerfristig an den Standort gebunden werden.
In ihrer Untersuchung weist die Economiesuisse auf verschiedene Hindernisse für Studierende aus Drittstaaten hin. Besonders stossend ist der Umstand, dass viele Studierende nur an eine Schweizer Hochschule zugelassen werden, wenn sie vorab versichern, dass sie nach der Ausbildung wieder ausreisen. Obwohl diese Regelung 2011 abgeschafft wurde, wird laut Chefökonom Minsch in der Praxis nach wie vor eine Wiederausreiseverpflichtung eingefordert. «Warum das so ist, blieb uns unklar. Klar hingegen ist, dass diese Praxis einerseits potenzielle Talente abschreckt und andererseits Drittstaatenabsolventen davon abhält, hierzulande nach Abschluss eine Arbeit zu suchen», sagt Minsch.
Studierende aus Drittstaaten sind dem Ausländergesetz unterstellt. Nach ihrer Ausbildung können sie eine einmalige Verlängerung des Visums um weitere sechs Monate beantragen. Diese Frist ist für die Suche nach einer Arbeitsstelle vorgesehen. Doch während dieser Frist ist nur eine Arbeit von bis zu 15 Stunden pro Woche erlaubt. Ein Vollzeitpraktikum ist demnach nicht möglich. In anderen Ländern ist der Zugang zum Arbeitsmarkt wesentlich einfacher.
Eine weitere Hürde für Studierende aus Drittstaaten ist die Kontingentierung der Arbeitsmigranten. Auch das grösste Talent erhält keine Arbeitsbewilligung, wenn das Kontingent bereits ausgeschöpft ist. Laut der Economiesuisse-Untersuchung lag die Kontingentierung für Erwerbspersonen aus Drittstaaten bei 3500 Aufenthaltsbewilligungen. Im laufenden Jahr wurden sie nochmals um weitere 1000 auf 4500 aufgestockt. Die Erfahrung der letzten Jahre habe gezeigt, dass die Kontingente regelmässig ausgeschöpft seien, so Minsch. Insbesondere in Kantonen mit einem hohen Anteil an internationalen Unternehmen wie Basel, Zürich oder Genf seien die Kontingente oft bereits in der ersten Jahreshälfte aufgebraucht.
Auf diese Problematik weist auch FDP-Nationalrat Marcel Dobler in seiner Motion hin. Wegen den ausgeschöpften Kontingenten würden hierzulande ausgebildete Spezialisten ihre Erstanstellung im Ausland finden und gingen für den Schweizer Arbeitsmarkt verloren. Jährlich verliessen rund 1700 Masterabsolventen oder Doktoranden aus Drittstaaten die Schweizer Hochschulen, schreibt Dobler. Ungefähr 1000 davon stammten aus dem MINT-Bereich oder der Medizin: «Disziplinen, in welchen in der Schweiz ausgewiesener Fachkräftemangel besteht».
Thomas Aeschi, SVP-Fraktionschef und Nationalrat aus Zug, widerspricht der Diagnose von Minsch und Dobler. Er habe keine Freude daran, dass mit Schweizer Steuergeldern die teure Ausbildung von ausländischen Studierenden finanziert werde: «Aber hier ist das grösste Problem, dass wir ihre Ausbildung subventionieren anstatt von ihnen höhere Studiengebühren zu verlangen.» Aeschi verweist darauf, dass britische oder amerikanische Universitäten von Ausländern viel höhere Studiengebühren als die Schweiz verlangen.
Die Forderung, Hochschulabgänger von den Drittstaat-Kontingenten auszunehmen, lehnt Aeschi ab: «Das würde eine weitere Aufweichung der vom Volk angenommenen Masseneinwanderungs-Initiative bedeuten.» Erhielten Drittstaat-Hochschulabgänger automatisch Zugang zum Arbeitsmarkt, gäbe der Staat die Kontrolle über die Zuwanderung an die Universitäten ab: «Wenn man das konsequent zu Ende denkt, dann entscheiden die Aufnahmekriterien der Hochschulen darüber, wer dann später in der Schweiz ein Recht auf Niederlassung und Zugang zum Arbeitsmarkt erhält.»
Es brauche jetzt ein Ja zur Begrenzungs-Initiative, welche voraussichtlich 2020 zur Abstimmung kommt und mit der die SVP das Personenfreizügigkeitsabkommen (PFZ) mit der EU kündigen will: «Nur so können wir die Zuwanderung wieder selber steuern», sagt Aeschi. Danach könne man mit Kontingenten gezielt diejenigen Arbeitskräfte in die Schweiz holen, auf welche die Wirtschaft angewiesen sei.
SVP-Fraktionschef Aeschi sagt, er sei sich der Bedeutung der besten Talente aus aller Welt für die Schweizer Hochschulen bewusst: «Mir ist klar, dass gewisse ausländische Hochschulabsolventen mit dem richtigen fachlichen Hintergrund auch einen wirtschaftlichen Gewinn bringen können, wenn sie nach dem Abschluss hier bleiben.» Die SVP werde im Falle einer Annahme der Begrenzungs-Initiative Hand dafür bieten, hier pragmatische Lösungen im Interesse der Schweiz zu ermöglichen.