Greg Abbott, Gouverneur von Texas, ist ein Mann, der es eilig hat. Er will nicht mehr und nicht weniger als Präsident der Vereinigten Staaten werden. Bisher schien er auf gutem Weg ins Weisse Haus zu sein. Dank seiner stockkonservativen Politik und der schon fast hündischen Unterwerfung unter den Maximo Leader Donald Trump kam er bei den konservativen Texanern sehr gut an.
Abbott, der wegen eines Unfalls im Rollstuhl sitzt, schien nicht zu stoppen zu sein. Und nun das: Die jüngsten Umfragen zeigen, dass nur noch 41 Prozent der Texanerinnen und Texaner die Arbeit ihres Gouverneurs unterstützen. Schlimmer noch: Nur noch 35 Prozent sind der Meinung, der Lone Star State sei auf dem richtigen Weg.
Der Absturz Abbotts hat zwei Gründe: Covid und Abtreibung.
Zusammen mit Florida – dessen Gouverneur Ron DeSantis auch präsidiale Ambitionen hat – betreibt Texas die aggressivste Covid-Politik aller Bundesstaaten: keine Maskenpflicht in Bars und Beizen oder bei Sportanlässen. Obwohl die Delta-Variante sich nun auch bei Schülern rasant ausbreitet, werden Schulleitungen bestraft, wenn sie eine Maskenpflicht in den Klassen verlangen. Zusammen mit Florida hat Texas denn auch die höchste Anzahl von Neuinfizierten und Covid-Toten.
Seit dem 1. September ist in Texas auch das härteste Gesetz gegen die Abtreibung in Kraft. Nur noch sechs Wochen nach der Zeugung kann eine Frau abtreiben, obwohl neun von zehn zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind. Vergewaltigung und Inzest sind kein Grund, ein Kind abzutreiben.
Besonders perfide ist die Tatsache, dass jeder, der die Helfer einer Abtreibung denunziert, ein Kopfgeld von 10’000 Dollar einstreichen kann.
Texas kann sich deshalb rühmen, das härteste Abtreibungsgesetz der USA zu haben. Und weil es mit rund 30 Millionen Einwohnern nach Kalifornien der zweitgrösste Bundesstaat ist, hat dieses Gesetz nationale Bedeutung. Verschiedene konservative Staaten haben bereits angekündigt, dieses Gesetz zu kopieren.
Dabei war es ausgerechnet Texas, welches am Anfang der Legalisierung der Abtreibung stand. Das legendäre Urteil des obersten Gerichtshofes «Roe versus Wade» wurde 1973 aufgrund einer abtreibungswilligen Texanerin gefällt. Dank diesem Urteil hatten in der Folge alle Frauen das Recht, über ihren Bauch selbst zu entscheiden.
«Roe versus Wade» wurde vom ersten Tag seiner Inkraftsetzung von konservativen Kreisen bekämpft. Zuerst vor allem in den nördlichen Bundesstaaten, weil dort viele Katholiken leben. Die Evangelikalen im Süden konnten zunächst mit dem Urteil gut leben.
Das änderte sich, als die Republikaner im Laufe der Neunzigerjahre an die Macht kamen. Für sie war der Kampf gegen die Abtreibung gleichbedeutend mit dem Kampf gegen die linken Liberalen. Das neue Abtreibungsgesetz in Texas ist der bisherige Höhepunkt in diesem Kulturkrieg.
Doch es scheint, dass der Ehrgeizling Abbott damit der Grand Old Party (GOP) ein Kuckucks-Ei ins Nest gelegt hat. Er mag zwar seine konservative Basis entzückt haben, noch mehr hat er jedoch seine Gegner erzürnt. Gegen das neue Abtreibungsgesetz regt sich Widerstand auf breiter Front:
Obwohl die Wahl von Joe Biden noch kein Jahr alt ist, richten sich bereits alle Augen in Washington auf die Zwischenwahlen im Herbst 2022. Dank dem Gerrymandering – einer neuen Aufteilung der Wahlbezirke – sollte es den Republikaner gelingen, die Mehrheit im Abgeordnetenhaus zurückzugewinnen. Auch der Senat könnte wieder in ihre Hände fallen, denn in der Regel verliert die regierende Partei in den Zwischenwahlen Sitze.
Nun jedoch fürchten die Republikaner bei den Midterms eine Wiederholung des Trump-Effektes. Auch dem Ex-Präsidenten ist es zwar gelungen, seine Basis in erstaunlichem Mass zu mobilisieren – er erhielt rund sechs Millionen mehr Stimmen als 2016 –, doch er trieb auch seine Gegner zur Urne. Deshalb wurde er von Biden mit acht Millionen Stimmen geschlagen.
Das kopflose Vorgehen der Republikaner in Texas könnte so zu einem veritablen Eigengoal werden. Das befürchtet auch das «Wall Street Journal». «Manchmal fragen wir uns, ob Ken Paxton, der Justizminister von Texas, heimlich eine progressive Pflanze ist», klagt das Blatt. «Seine schlecht durchdachte Attacke gegen ObamaCare wurde zum Bumerang in den letzten Wahlen und vom Obersten Gericht abgeschmettert. Nun halten er und seine Mitstreiter in Texas dem Gegner ihr Glaskinn hin. Wie wäre es, wenn sie zuerst ihr Gehirn einschalten würden?»