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China geht auf die Tech-Milliardäre los

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Muss Federn lassen: Jack Ma, der chinesische Vorzeige-Unternehmer.Bild: keystone

China geht auf die IT-Milliardäre los

Mehr Wettbewerb und bessere Behandlung der Mitarbeiter: Das verordnet Präsident Xi Jinping Alibaba, Tencent & Co.
18.08.2021, 15:1418.08.2021, 15:28
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Deng Xiaoping, der Vater des chinesischen Wunders, predigte einst: «Reich zu werden, ist herrlich». Lange liess sich diese Losung problemlos mit dem «Sozialismus mit chinesischen Charakteristiken» vereinbaren. Die chinesische Wirtschaft entwickelte sich in Rekordzeit von einem Steinzeit-Kommunismus zu einem modernen Supertanker.

Nun aber haben die Tech-Milliardäre den Bogen offensichtlich überspannt. Gestern hat Chinas starker Mann, Präsident Xi Jinping, nach einer Sitzung der Wirtschaftskommission der chinesischen kommunistischen Partei (CKP) erklärt, es gehe darum, die «exzessiv hohen Einkommen zu regulieren und den Superreichen nahezulegen, der Gesellschaft mehr zurückzugeben.»

In this photo released by Xinhua News Agency, Chinese President Xi Jinping delivers a speech at the CPC and World Political Parties Summit held in Beijing Tuesday, July 6, 2021. Chinese leader Xi Jinp ...
Will bei den Tech-Milliardären durchgreifen: Präsident Xi Jinping.Bild: keystone

Milliardäre gibt es in China inzwischen zuhauf, mehr noch als im Silicon Valley. «Heute gibt es in China 73 digitale Firmen, die mehr als zehn Milliarden Dollar wert sind», schreibt der «Economist» in seiner jüngsten Ausgabe. «Eine dynamische Wagniskapital-Szene produziert regelmässig neue Stars. Von den 160 chinesischen Einhörnern (Startups, die mehr als eine Milliarde Dollar wert sind), sind die Hälfte auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, Big Data oder Robotics tätig.»

Xis Äusserung ist kein Zufall. Seit Monaten schiesst sich die chinesische Führung auf die Tech-Unternehmen ein. Milliardenverluste an den Börsen werden dabei billigend in Kauf genommen. Insgesamt hat sich die Kapitalisierung der chinesischen IT-Unternehmen an den Börsen von Hongkong und New York in den letzten neun Monaten beinahe halbiert. Das entspricht einem Verlust von rund einer Billion Dollar.

Zu den Opfern gehören die klingendsten Namen der chinesischen Tech-Szene. Jack Ma, der charismatische Gründer von Alibaba, musste seinen rekordverdächtigen Börsengang mit dem Finanzkonzern Ant Group abblasen, ebenso Didi, die chinesische Antwort auf Uber.

Tencent, die Mutter der äusserst erfolgreichen App WeChat, wurde gebüsst, weil es angeblich pornografische Inhalte verbreitet hat. Meituan, ein Food-Delivery-Dienst, muss ebenfalls mit einer Busse rechen, weil es seine Mitarbeiter lausig bezahlt und ihnen anständige Sozialleistungen vorenthält.

Jack Ma vs. Xi Jinping
Duell zweier Super-Egos: Jack Ma gegen Xi Jinping.Bild: keystone

Die Attacke auf die IT-Milliardäre hat mehrere Gründe. Zum einen geht es darum, die riesigen Gewinne der Konzerne breiter zu streuen und damit die Nachfrage anzukurbeln. «Die stagnierenden Konsum-Daten haben aufgezeigt, dass es dringend nötig geworden ist, die Einkommen der Menschen zu erhöhen und die Fairness der Verteilung zu erhöhen», erklärt dazu Wang Jun vom China Center for International Economic Exchanges in der «Financial Times».

Mittelfristig wollen die chinesischen Kommunisten auch die Rahmenbedingungen für die IT-Industrie verändern. Konkret wollen sie mehr Wettbewerb erzwingen. Deshalb sollen die bestehenden Oligopole zerschlagen und die Plattformen von Alibaba und Tencent auch für kleine Unternehmen geöffnet werden. Konsumenten werden von tieferen Preisen profitieren. Die bestehenden Monopolgewinne der abgeschotteten Plattformen werden zurückgestutzt.

Auch die Mitarbeiter dieser Konzerne gehören zu den Gewinnern. Unternehmen wie Didi und der Lieferdienst Meituan beschäftigen Heerscharen von schlecht bezahlten Fahrern. Sie werden nun gezwungen, Löhne zu erhöhen und Sozialversicherungen auszubauen.

Der Angriff auf die Tech-Milliardäre bedeutet keineswegs, dass China das Feld der westlichen Konkurrenz überlassen will. Im Gegenteil: Das Ziel, die führende Tech-Nation der Zukunft zu werden, bleibt bestehen. Deshalb weist die chinesische Führung die Unternehmen auch an, weniger in «spirituelles Opium» wie Unterhaltung und Videospiele zu investieren. Viel dringender seien Entwicklungen auf dem Gebiet der Techno-Infrastruktur, etwa leistungsfähigere Chips oder Fortschritte auf dem Feld der sauberen Energie.

A mural by Fernandezgraphics of Blue Origin and Amazon founder Jeff Bezos is seen on the wall of a building Tuesday in Van Horn, Texas. Bezos has blasted into space on his rocket company���s first fli ...
Steckt sein Geld in fragwürdige Abenteuer im All: Amazon-Gründer Jeff Bezos.Bild: keystone

Einmal mehr überraschen die Kommunisten mit ihrem «Sozialismus mit chinesischen Charakteristiken». Während der kapitalistische Westen davon spricht, die Oligopol-Macht von Google, Facebook, Microsoft & Co. zu brechen – und es wahrscheinlich in absehbarer Zeit nicht schaffen wird – handeln die Chinesen.

Und während wir angewidert zuschauen, wie sich Jeff Bezos, Richard Branson und Elon Musk einen absurden Wettlauf im All liefern, scheint es den Chinesen zu gelingen, die Tech-Industrie zu zwingen, sich auf die wesentlichen Probleme zu konzentrieren.

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quelle: keystone / tony gutierrez
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97 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Donny Drumpf
18.08.2021 15:22registriert November 2019
Wieder geht es auch darum der Welt zu zeigen, dass die Chinesische Art der westlichen Demokratie und dem Kapitalismus überlegen ist. Wie schon bei Corona, zeigen sie das mit Erfolg. Leider bleibt etwas dabei auf der Strecke. Die Freiheit.
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KarinaN
18.08.2021 16:24registriert Juli 2017
Ich finde diese Entwicklung sehr gut. Auch wenn ich den Überwachungsstaat in China definitiv nicht gut heisse, so ist dies doch ein Schritt in die richtige Richtung. Da könnten sich auch die demokratischen Ländern ein Beispiel nehmen. Denn die Freiheit der Reichen hört mMn dort auf wo andere Menschen den Preis zahlen (Billiglohn, Ausbeutung) egal in welchem Land.
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TodosSomosSecondos
18.08.2021 16:56registriert April 2016
Zurückgeben ist eine prima Idee.. da bin ich auch dafür... v.a. Tibet den Tibetern
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