International
USA

US-Wahlen: Trump gibt ein bisschen auf, sein Team wendet sich ab

Donald Trump meldet sich via Twitter zurück, Bildungsministerin DeVos tritt zurück und die Demokraten (hier Schumer) wollen Trump sofort vom Thron stossen.
Donald Trump meldet sich via Twitter zurück, Bildungsministerin DeVos tritt zurück und die Demokraten (hier Schumer) wollen Trump sofort vom Thron stossen.bild: keystone/twitter/watson

Trump gibt ein bisschen auf, sein Team wendet sich ab – das hast du in der Nacht verpasst

Das Ende des 45. Präsidenten der USA ist eingeläutet. Während dieser ein bisschen aufgibt, wenden sich immer mehr Republikaner von ihm ab. Ein Überblick über die neuesten Entwicklungen in der ältesten Demokratie der Welt.
08.01.2021, 05:3008.01.2021, 12:07
Mehr «International»

Trump meldet sich zurück

Nach einigem Zögern hat der amtierende US-Präsident Donald Trump die Krawalle seiner Anhänger am Kapitol scharf verurteilt. Aber wer nimmt seine Worte noch ernst?

«Wie alle Amerikaner bin ich empört über die Gewalt, Gesetzlosigkeit und das Chaos», sagte Trump in einer Videobotschaft, die er am Donnerstagabend auf Twitter verbreitete. Er sprach von einer «abscheulichen Attacke» auf den Kongresssitz. Jene, die Gewalt angewendet hätten, repräsentierten nicht das Land. Und jene, die Gesetze gebrochen hätten, würden dafür zahlen, sagte Trump. Es sei an der Zeit für «Heilung und Versöhnung».

Doch seine Worte sind scheinheilig: Am Mittwoch hatte er es unterlassen, den Mob zu kritisieren. Er ruf sie zwar dazu auf, sich friedlich zu verhalten, zugleich sagte er aber an ihre Adresse: «Wir lieben euch», und er erneuerte seine Wahlbetrugsbehauptungen. Später schrieb er in einem weiteren Tweet, solche «Dinge und Geschehnisse» passierten eben, wenn ein Erdrutschsieg gestohlen werde.

Twitter sperrte den Account des Präsidenten daraufhin für zwölf Stunden. Seine betont versöhnliche Botschaft war nun Trumps erste Twitter-Wortmeldung nach der Sperrung.

Trump sagte darin zu, sich der Amtsübergabe an den gewählten Präsidenten Joe Biden nicht weiter in den Weg zu stellen. «Eine neue Regierung wird vereidigt werden», sagte Trump. «Ich konzentriere mich nun darauf, eine reibungslose, geordnete und nahtlose Machtübergabe zu gewährleisten.» Dem Land als Präsident zu dienen, sei für ihn die Ehre seines Lebens gewesen.

Ist es ein Aufgeben? Ein bisschen. Doch ein klares Eingestehen der Wahlniederlage hört sich anders an.

Trumps Leute wenden sich von ihm ab

Wegen des Angriffs auf das Kapitol ist das zweite Mitglied von Trumps Kabinett zurückgetreten. Bildungsministerin Betsy DeVos teilte in ihrem von der «New York Times» verbreiteten Schreiben an Trump mit, sie werde ihr Amt an diesem Freitag niederlegen. Mit Blick auf die gewaltsamen Proteste am Mittwoch schrieb DeVos:

«Es ist nicht zu verkennen, welche Auswirkungen Ihre Rhetorik auf die Situation hatte, und das ist der Wendepunkt für mich.»
ARCHIV - Betsy DeVos, Bildungsministerin der USA, tritt zur�ck. Foto: Jacquelyn Martin/AP/dpa/Archiv
Bildungsministerin Betsy DeVos.Bild: sda

Kurz zuvor hatte am Donnerstag Verkehrsministerin Elaine Chao angekündigt, sie werde ihr Amt am Montag aufgeben. In einem von ihr veröffentlichten Schreiben an ihre Mitarbeiter hiess es: «Gestern hat unser Land ein traumatisches und völlig vermeidbares Ereignis durchlebt, als Unterstützer des Präsidenten das Kapitol nach einer Kundgebung stürmten, bei der er sprach. Wie es sicher bei vielen von Ihnen der Fall ist, hat mich das auf eine Weise tief beunruhigt, die ich nicht beiseite schieben kann.» Chao ist die Ehefrau des Mehrheitsführers der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell.

Nach dem Sturm aufs Kapitol trat bereits Trumps früherer Stabschef Mick Mulvaney aus Protest vom Posten des Nordirland-Beauftragten zurück. Am Mittwoch hatte die Stabschefin von First Lady Melania Trump und frühere Sprecherin des Weissen Hauses, Stephanie Grisham, ihr Amt mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Grisham nannte keine Gründe für ihren unerwarteten Schritt.

Jetzt ist auch ein Polizist gestorben

Das dürfte den Druck auf die Trump-Regierung noch weiter erhöhen: Ein Polizeibeamter der Capitol Police verstarb am späten Donnerstagabend (Ortszeit) an den Verletzungen, die er sich bei Auseinandersetzungen mit dem Trump-Mob zugezogen hatte. Die Kapitols-Polizei teilte mit, dass der Polizist danach zusammengebrochen und später in einem örtlichen Spital verstorben sei.

Somit steigt die Zahl der Opfer, die im Zusammenhang mit den wüsten Szenen vom Mittwoch ihr Leben verloren haben, auf insgesamt fünf. Eine Frau starb, nachdem sie im Kapitol von einem Polizisten angeschossen wurde. Eine weitere Frau und zwei Männer kamen nach Polizeiangaben infolge nicht näher definierter «medizinischer Notfälle» ums Leben.

Demokraten wollen Trump sofort aus Amt entfernen

Führende Demokraten haben im Kongress eine sofortige Absetzung des Republikaners gefordert. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, und der oberste Demokrat im Senat, Chuck Schumer, riefen den amtierenden US-Vizepräsidenten Mike Pence und Kabinettsmitglieder dazu auf, eine Amtsenthebung auf Basis des Zusatzartikels 25 der US-Verfassung anzustrengen.

epa08922820 Democratic Senate Minority Leader Chuck Schumer speaks to the media the morning after the Georgia Senate runoff in Washington, DC, USA, 06 January 2021. Democrats Jon Ossoff and Raphael Wa ...
Chuck Schumer, oberster Demokrat im Senat.Bild: keystone

Andernfalls könne der Kongress ein reguläres Amtsenthebungsverfahren anstossen, drohte Pelosi – es wäre bereits das zweite für Trump. Auch einzelne Republikaner sprachen sich dafür aus, Trump vorzeitig abzusetzen.

«Es sind zwar nur noch 13 Tage, aber jeder Tag kann eine Horrorshow für Amerika sein.»
Nancy Pelosi

Pelosi bezeichnete Trump als «gefährlichen Mann» und warnte, er könne in seinen verbleibenden Tagen im Amt weiteren grossen Schaden anrichten. «Es sind zwar nur noch 13 Tage, aber jeder Tag kann eine Horrorshow für Amerika sein.» Auch Schumer mahnte: «Dieser Präsident sollte keinen Tag länger sein Amt behalten.» Er machte Trump schwerste Vorwürfe mit Blick auf die Ausschreitungen vom Mittwoch: «Was gestern im US-Kapitol passiert ist, war ein Aufstand gegen die Vereinigten Staaten, aufgehetzt durch den Präsidenten.»

Auch Republikaner gegen Trump

Als erster republikanischer Abgeordneter forderte Adam Kinzinger, der Trump zuletzt wiederholt kritisiert hatte, den Präsidenten mit Hilfe des Verfassungszusatzes des Amtes zu entheben. Das Kabinett und der Vizepräsident müssten handeln, um «diesen Alptraum» zu beenden. Anstatt Amerika zu beschützen, habe Trump die Gewalt angestachelt.

Auch der republikanische Gouverneur von Maryland, Larry Hogan, unterstützte dies. «Ich denke, es steht ausser Frage, dass Amerika besser dran wäre, wenn der Präsident zurücktreten oder aus dem Amt entfernt würde», sagte Hogan am Donnerstag. «Genug ist genug. Genug der Lügen. Genug des Hasses. Genug von der totalen Dysfunktion.» Mehrere Republikaner warfen Trump offen vor, er habe den Gewaltausbruch angezettelt.

Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Trump-Anhänger stürmen Kapitol
1 / 19
Trump-Anhänger stürmen Kapitol
Am 6. Januar 2021 wurde das Kapitol in Washington von Trump-Anhängern gestürmt.
quelle: keystone / manuel balce ceneta
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Chaos in Washington
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
112 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Binnennomade
08.01.2021 08:37registriert Juli 2016
Die Scheinheiligkeit dieser Rücktritte nervt mich gewaltig. 4 Jahre so tun als wäre alles halb so schlimm, und dann auf die letzten 2 Wochen verzichten, um danach so tun zu können, als hätte man das alles nicht unterstützt.
4055
Melden
Zum Kommentar
avatar
LU90
08.01.2021 08:22registriert März 2016
DeVos, Chao, McConnell und Konsorten haben 4 Jahre lang hinter Trump gestanden und wollen nun noch kurz ihren Arsch retten. Hoffe doch sehr, dass die Amerikaner das nicht einfach so vergessen. Das Gleiche mit Pence. Nur weil er am Schluss die demokratischen Regeln beachtete, hat er Trump trotzdem 4 Jahre (fast) bedingongslos unterstützt
3105
Melden
Zum Kommentar
avatar
banda69
08.01.2021 08:49registriert Januar 2020
"...sein Team wendet sich ab".

Nur seine Groupies von der SVP bleiben ihm treu (Kleinverleger Köppel und Konsorten).
28431
Melden
Zum Kommentar
112
Papst im Oster-Stress: Was auf den 87-Jährigen zukommt – und wie er das durchhalten will
Die Osterfeierlichkeiten sind für das katholische Kirchenoberhaupt die intensivste Woche des ganzen Jahres. Der gesundheitlich angeschlagene Franziskus muss bis an seine Belastungsgrenze gehen.

Für die zehntausend Gläubigen und Touristen auf dem Petersplatz war es ein banger Moment: Papst Franziskus sass während der Palmsonntagsmesse auf seinem Platz vor der Basilika, lauschte dem Verlesen des Evangeliums und als die Textstelle erreicht war, die vom Tod Jesu berichtet, erhob er sich, um seine vorbereitete Predigt zu halten. Aber er blieb zwei oder drei endlos wirkende Minuten lang stumm und wirkte dabei müde und gebrechlich.

Zur Story