Nach einigem Zögern hat der amtierende US-Präsident Donald Trump die Krawalle seiner Anhänger am Kapitol scharf verurteilt. Aber wer nimmt seine Worte noch ernst?
«Wie alle Amerikaner bin ich empört über die Gewalt, Gesetzlosigkeit und das Chaos», sagte Trump in einer Videobotschaft, die er am Donnerstagabend auf Twitter verbreitete. Er sprach von einer «abscheulichen Attacke» auf den Kongresssitz. Jene, die Gewalt angewendet hätten, repräsentierten nicht das Land. Und jene, die Gesetze gebrochen hätten, würden dafür zahlen, sagte Trump. Es sei an der Zeit für «Heilung und Versöhnung».
Doch seine Worte sind scheinheilig: Am Mittwoch hatte er es unterlassen, den Mob zu kritisieren. Er ruf sie zwar dazu auf, sich friedlich zu verhalten, zugleich sagte er aber an ihre Adresse: «Wir lieben euch», und er erneuerte seine Wahlbetrugsbehauptungen. Später schrieb er in einem weiteren Tweet, solche «Dinge und Geschehnisse» passierten eben, wenn ein Erdrutschsieg gestohlen werde.
Twitter sperrte den Account des Präsidenten daraufhin für zwölf Stunden. Seine betont versöhnliche Botschaft war nun Trumps erste Twitter-Wortmeldung nach der Sperrung.
Trump sagte darin zu, sich der Amtsübergabe an den gewählten Präsidenten Joe Biden nicht weiter in den Weg zu stellen. «Eine neue Regierung wird vereidigt werden», sagte Trump. «Ich konzentriere mich nun darauf, eine reibungslose, geordnete und nahtlose Machtübergabe zu gewährleisten.» Dem Land als Präsident zu dienen, sei für ihn die Ehre seines Lebens gewesen.
Ist es ein Aufgeben? Ein bisschen. Doch ein klares Eingestehen der Wahlniederlage hört sich anders an.
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) January 8, 2021
Wegen des Angriffs auf das Kapitol ist das zweite Mitglied von Trumps Kabinett zurückgetreten. Bildungsministerin Betsy DeVos teilte in ihrem von der «New York Times» verbreiteten Schreiben an Trump mit, sie werde ihr Amt an diesem Freitag niederlegen. Mit Blick auf die gewaltsamen Proteste am Mittwoch schrieb DeVos:
Kurz zuvor hatte am Donnerstag Verkehrsministerin Elaine Chao angekündigt, sie werde ihr Amt am Montag aufgeben. In einem von ihr veröffentlichten Schreiben an ihre Mitarbeiter hiess es: «Gestern hat unser Land ein traumatisches und völlig vermeidbares Ereignis durchlebt, als Unterstützer des Präsidenten das Kapitol nach einer Kundgebung stürmten, bei der er sprach. Wie es sicher bei vielen von Ihnen der Fall ist, hat mich das auf eine Weise tief beunruhigt, die ich nicht beiseite schieben kann.» Chao ist die Ehefrau des Mehrheitsführers der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell.
Nach dem Sturm aufs Kapitol trat bereits Trumps früherer Stabschef Mick Mulvaney aus Protest vom Posten des Nordirland-Beauftragten zurück. Am Mittwoch hatte die Stabschefin von First Lady Melania Trump und frühere Sprecherin des Weissen Hauses, Stephanie Grisham, ihr Amt mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Grisham nannte keine Gründe für ihren unerwarteten Schritt.
Das dürfte den Druck auf die Trump-Regierung noch weiter erhöhen: Ein Polizeibeamter der Capitol Police verstarb am späten Donnerstagabend (Ortszeit) an den Verletzungen, die er sich bei Auseinandersetzungen mit dem Trump-Mob zugezogen hatte. Die Kapitols-Polizei teilte mit, dass der Polizist danach zusammengebrochen und später in einem örtlichen Spital verstorben sei.
Somit steigt die Zahl der Opfer, die im Zusammenhang mit den wüsten Szenen vom Mittwoch ihr Leben verloren haben, auf insgesamt fünf. Eine Frau starb, nachdem sie im Kapitol von einem Polizisten angeschossen wurde. Eine weitere Frau und zwei Männer kamen nach Polizeiangaben infolge nicht näher definierter «medizinischer Notfälle» ums Leben.
Führende Demokraten haben im Kongress eine sofortige Absetzung des Republikaners gefordert. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, und der oberste Demokrat im Senat, Chuck Schumer, riefen den amtierenden US-Vizepräsidenten Mike Pence und Kabinettsmitglieder dazu auf, eine Amtsenthebung auf Basis des Zusatzartikels 25 der US-Verfassung anzustrengen.
Andernfalls könne der Kongress ein reguläres Amtsenthebungsverfahren anstossen, drohte Pelosi – es wäre bereits das zweite für Trump. Auch einzelne Republikaner sprachen sich dafür aus, Trump vorzeitig abzusetzen.
Pelosi bezeichnete Trump als «gefährlichen Mann» und warnte, er könne in seinen verbleibenden Tagen im Amt weiteren grossen Schaden anrichten. «Es sind zwar nur noch 13 Tage, aber jeder Tag kann eine Horrorshow für Amerika sein.» Auch Schumer mahnte: «Dieser Präsident sollte keinen Tag länger sein Amt behalten.» Er machte Trump schwerste Vorwürfe mit Blick auf die Ausschreitungen vom Mittwoch: «Was gestern im US-Kapitol passiert ist, war ein Aufstand gegen die Vereinigten Staaten, aufgehetzt durch den Präsidenten.»
Als erster republikanischer Abgeordneter forderte Adam Kinzinger, der Trump zuletzt wiederholt kritisiert hatte, den Präsidenten mit Hilfe des Verfassungszusatzes des Amtes zu entheben. Das Kabinett und der Vizepräsident müssten handeln, um «diesen Alptraum» zu beenden. Anstatt Amerika zu beschützen, habe Trump die Gewalt angestachelt.
Auch der republikanische Gouverneur von Maryland, Larry Hogan, unterstützte dies. «Ich denke, es steht ausser Frage, dass Amerika besser dran wäre, wenn der Präsident zurücktreten oder aus dem Amt entfernt würde», sagte Hogan am Donnerstag. «Genug ist genug. Genug der Lügen. Genug des Hasses. Genug von der totalen Dysfunktion.» Mehrere Republikaner warfen Trump offen vor, er habe den Gewaltausbruch angezettelt.
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.
Nur seine Groupies von der SVP bleiben ihm treu (Kleinverleger Köppel und Konsorten).