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UV-Kameras in Badis: Der Bund nimmt Sünneler ins Visier

Viele in der Schweiz achten nicht auf ausreichenden Sonnenschutz.
Viele in der Schweiz achten nicht auf ausreichenden Sonnenschutz.Bild: Shutterstock

UV-Kameras in Badis und Spezial-Handschuhe: Der Bund nimmt Sünneler ins Visier

Noch immer wird die Stärke der Sonne unterschätzt – in der Schweiz ist Hautkrebs besonders verbreitet. Nun lassen die Behörden ungewöhnliche Massnahmen erproben.
09.05.2021, 05:49
Sven Altermatt / ch media
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Viel Sonne, milde Temperaturen, immer weniger Wolken am Himmel: Pünktlich zum Wochenende zieht allmählich der Sommer ins Land. Doch zu viel Sonnenlicht bedeutet auch ein Risiko für die Gesundheit. Schuld daran: ultraviolette Strahlen. Sie schädigen ab einer gewissen Intensität die Haut, was im schlimmsten Fall zu Hautkrebs führt.

Dass die UV-Strahlung gefährlich sein kann, ist allgemein bekannt – die Aufklärung gilt in der Schweiz als relativ weit fortgeschritten. Das würde auch im Bundesamt für Gesundheit (BAG) niemand bestreiten. Dennoch beobachtet man dort die Lage mit gewisser Sorge: Obwohl das Wissen in der Bevölkerung vorhanden sei, heisst es bei der Behörde, schützten sich viele nur unzureichend.

Gerade Sonnencreme wird mitunter zu sparsam dosiert oder mit zu tiefem Lichtschutzfaktor eingeschmiert. Auch deshalb steige die Häufigkeit von Hautkrebserkrankungen weiter an. Tatsächlich nimmt die Schweiz dabei weltweit einen Spitzenplatz ein. Pro Jahr erkranken hierzulande über 2500 Menschen an einem Melanom, dem schwarzen Hautkrebs.

Wenn Sonnenstrahlen ins Freie locken, nützt offenbar die beste Prävention nichts. Ratschläge und Informationskampagnen stiessen an die Grenzen der Wirksamkeit, stellt das BAG fest:

«Um das Sonnenschutzverhalten weiter zu verbessern, sind neue Ansätze gefragt.»

Die Gesundheitsbeamte leiten deshalb einen Strategiewechsel ein. Gemeinsam mit weiteren Bundesstellen und den Kantonalzürcher Behörden investieren sie in ausgefeilte Techniken, um die Bürgerinnen und Bürger zu einem besseren Sonnenschutzverhalten in der Freizeit zu bewegen.

Spezialhandschuhe und Schattenplätze vermarkten

Dafür wollen sie sich Methoden der Verhaltensökonomie zu Nutze machen, das sogenannte Nudging. Das Verhalten eines Menschen soll sich mit indirekten Anreizen in eine gewünschte Richtung stupsen lassen; ohne Bestrafung, Zwang oder Verbote. Die Anstupser zielen auf Verhaltensmuster im Unterbewusstsein. Hinter den Kulissen laufen seit Monaten entsprechende Vorarbeiten.

Sonnencreme einstreichen nicht vergessen: Wenn Sonnenstrahlen ins Freie locken, nützt bei manchen offenbar die beste Prävention nichts.
Sonnencreme einstreichen nicht vergessen: Wenn Sonnenstrahlen ins Freie locken, nützt bei manchen offenbar die beste Prävention nichts.bild: Urs Bucher

Ein interdisziplinäres Team – mit Fachleuten der Stiftung Risiko-Dialog und Dermatologen der Uni Basel – hat im Auftrag der Behörden konkrete Massnahmen «für die Förderung des Sonnenschutzes der Schweizer Bevölkerung» entwickelt. Diese seien breit abgestützt und umsetzungsreif, heisst es in ihrer Studie. Drei der Anstupser-Ideen lauten etwa:

  • UV-Kamera in Badis: Mit einer öffentlichen UV-Kamera können Kinder und Erwachsene im Freibad testen, ob sie ausreichend Sonnenschutz aufgetragen haben. Dadurch gebe es einen positiven Lerneffekt, der dazu führen könne, dass sich jemand auch künftig besser eincremt. Weiter könnten Hautschäden und die Alterung sichtbar gemacht werden, so die Forscher.
  • Spezieller Gartenhandschuh: Ein bekanntes Problem der Gartenarbeit sei, dass die Intensität der Sonne unterschätzt und die Zeit vergessen werden. Die Forscher schlagen vor, spezielle Handschuhe mit integriertem UV-Index-Aufkleber zu verteilen. Dieser verändert sich bei Sonneneinstrahlung farblich, was einen «hohen verhaltensbeeinflussenden Effekt» haben könne.
  • «Sonnenschirm-Symbol»: Ein Bewertungssymbol könnte beispielsweise auf Google-Karten oder Seiten wie Tripadvisor anzeigen, wo in Städten schöne Schattenplätze zu finden sind. Damit würden den Forschern zufolge auch die Betreiber von Cafés oder Spielplätzen angespornt werden, ihr Angebot an Schattenplätzen zu erhöhen.

Methode in der Kritik

Noch steht nicht fest, wo solche Massnahmen konkret eingesetzt werden könnten. Ebenso wenig ist deren Finanzierbarkeit geklärt. Derzeit entwickle man die Umsetzungsszenarien weiter, heisst es beim BAG. Danach soll über eine Zusammenarbeit mit Partnern entschieden und die weiteren Rahmenbedingungen diskutiert werden. «Ziel des BAG ist es, nächstes Jahr in einem Pilotprojekt einen Nudge-Ansatz zu testen und später regional oder national zu implementieren», erklärt ein Sprecher.

Das alles ist von grundsätzlicher Bedeutung: Kommt Nudging definitiv in der Schweizer Politik an? Bisher setzten die Behörden solche Ansätze nicht systematisch ein, trotz umfassender Grundlagenarbeit. Kritiker halten die Anstupser für Bevormundung. «Ein häufiger Vorwurf gegenüber Nudging ist, dass es sich dabei um eine Form von Manipulation handelt», räumen auch die Autoren der Sonnenschutz-Studie ein. Wichtig sei deshalb, transparent über dessen Einsatz zu informieren. (bzbasel.ch)

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So nah waren wir der Sonne noch nie
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40 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Petersilly
09.05.2021 07:40registriert August 2020
Wow ! Ein wichtiges Thema wird mal richtig angepackt. Ganz ohne Verbote etc.
Tiptop, macht bitte weiter so !!
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CogitoErgoSum
09.05.2021 07:53registriert August 2018
Solange eine gebräunte Haut "mode" ist, wird sich daran kaum etwas ändern.
Das geht übrigens auch ohne Sonnenbrand, wenn man es regelmässig und pro Halbtags nur 15-20 Minuten lang macht.
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Wenzel der Faule #NAFOfella
09.05.2021 07:33registriert April 2018
Schuldig: Gestern den Nacken verbrannt bei der Gartenarbeit...🥵🙈

Heute weiss ichs besser😁
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«Erster wirklicher Stresstest für die Schuldenbremse»: Ökonom ordnet drohendes Defizit ein
Beim Bund drohen Defizite von bis zu vier Milliarden Franken. Wie schlimm ist das? Und wie hat man in der Vergangenheit darauf reagiert? Ökonom Thomas M. Studer, der zur Geschichte der Bundesfinanzen seine Dissertation verfasst hat, gibt Auskunft.

Jahrelang schrieb der Bund Überschüsse. Jetzt drohen Defizite in Milliardenhöhe. Verglichen mit früher: Wie schlecht steht es um die Bundesfinanzen?
Thomas M. Studer:
Um das vergleichen zu können, stellt man das Defizit ins Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP). Bei jährlichen strukturellen Defiziten von 2 bis 4 Milliarden Franken, wie sie der Bund erwartet, sind das gemessen am aktuellen BIP rund 0,25 bis 0,5 Prozent. In der Schuldenkrise der 1970er-Jahre waren es bis zu 0,9 Prozent, in den 1990er-Jahren sogar bis 2 Prozent. So schlimm ist es heute noch nicht. Was die Geschichte aber zeigt: Es ist schwierig, aus einer Defizitphase herauszukommen, wenn man mal drin ist.​

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