Schweiz
Coronavirus

So steht es um die psychische Gesundheit während und nach Corona

Das Aussprechen von Problemen kann bereits ein erster Schritt sein, diese zu lösen.
Das Aussprechen von Problemen kann bereits ein erster Schritt sein, diese zu lösen. bild: shutterstock

Wir haben Woche für Woche gefragt, wie es euch geht – das waren eure Antworten

«Wie geht's dir?»: Eine einfache, ernstgemeinte Frage kann vieles in Bewegung setzen. Warum wir auch nach der Krise nach dem Gemütszustand unserer Freundinnen und Freunde fragen sollten.
15.06.2021, 16:0515.06.2021, 17:15
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Die Corona-Pandemie stellte das Leben der meisten Menschen ziemlich auf den Kopf. Arbeit, Schule, Sport, Freizeit – was vorher selbstverständlich war, durfte nur noch eingeschränkt durchgeführt werden oder musste zeitweise gar ganz gestrichen werden. Trotz der Einschränkungen erkrankten viele am Virus oder verloren gar einen Angehörigen daran.

Zu spüren bekam man das Virus auch psychisch. Unter den Massnahmen und den damit einhergehenden Unannehmlichkeiten und Unsicherheiten litten viele Menschen – teilweise so stark, dass sie auf psychologische Unterstützung angewiesen waren. Die Universität Basel stellte fest, dass der Anteil Personen mit schweren depressiven Symptomen während des Lockdowns im April 2020 rund 9 Prozent betrug und im November auf 18 Prozent anstieg.

«Sobald ein Ende der Krise absehbar war und das Wetter freundlicher wurde, ging damit ein massiver Stimmungswandel in der Bevölkerung damit einher»
Politgeograph Michael Hermann

Um mehr über die Gefühlslage der Menschen während der Pandemie herauszufinden, führte watson mit dem Politgeographen Michael Hermann von der Forschungsstelle Sotomo eine Studie durch. Zwischen Februar und Mai 2021 wurde der watson-Userschaft einmal pro Woche eine einfache Frage gestellt: «Wie geht's dir?» 33'713 Personen haben geantwortet.

Antworten auf die Frage: «Wie geht es dir heute?»

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Die Resultate zeigen, dass es Ende Mai drei Viertel der Befragten gut bis hervorragend ging. Dieser Wert lag Ende Februar noch bei zwei Drittel. Anfang März und Mitte Mai erfuhr die positive Entwicklung der Stimmung jeweils einen leichten Knick. «Die wichtigste Erkenntnis aus der Umfrage ist, dass sobald ein Ende der Krise absehbar war und das Wetter freundlicher wurde, ein massiver Stimmungswandel in der Bevölkerung damit einherging», fasst Hermann zusammen.

Die Ungewissheit über den Ausgang der Krise sei Anfang Februar sehr weit verbreitet gewesen und habe Ende Mai deutlich abgenommen. In den visualisierten Ergebnissen besonders gut sichtbar ist die Wirkung des Wetters Mitte Mai, als der Frühling auf sich warten liess. Auf die Stimmung vieler hatte dies einen negativen Effekt.

Antworten auf die Frage: «Was belastet momentan deine Stimmung?»

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Zwischen den Geschlechtern habe es teilweise grosse Unterschiede gegeben, so Hermann. «Frauen machte die Ungewissheit in der Krise mehr zu schaffen als Männern.» Sie hätten sich auch weniger unbeschwert gefühlt. Auch die Sorge über eine mögliche Covid-19-Erkrankung sei bei Frauen höher gewesen.

Besser ging es den Befragten, als ein Licht am Ende des Pandemie-Tunnes sichtbar wurde. «Dass die Zahlen nicht hochschnellten, obwohl gelockert wurde, dass man Aussicht auf eine Impfung hat, all das gab den Menschen wieder mehr Sicherheit, insbesondere Planungssicherheit. Sie fühlten sich wieder wohler», bilanziert Hermann.

«Man weiss, dass nur schon das Verbalisieren von Sorgen ein erster Schritt in die Besserung darstellt.»
Politgeograph Michael Hermann

Einen grossen Unterschied sah man allerdings bei Personen, die bereits vor der Pandemie unter psychischem Stress litten. Sie erholten sich auch mit dem kommenden Frühling und den gelockerten Massnahmen weniger schnell. Auch solche die von der Krise besonders betroffen waren, konnten nicht einfach zurück in die Normalität.

Das längerfristige Ziel der Umfrage ist eine Enttabuisierung des Themas psychische Gesundheit. Die Pandemie habe eine gute Gelegenheit dargestellt, diese Diskussion verstärkt in den Fokus zu rücken. Doch jetzt, wo alles wieder normal werde, bestehe die Gefahr, dass man es wieder vermehrt für sich behalte, wenn es einem schlecht geht, befürchtet Hermann. «Dabei weiss man, dass nur schon das Verbalisieren von Sorgen ein erster Schritt in die Besserung darstellt.» Die ernstgemeinte Frage «Wie geht's dir?» könne ein wichtiger Türöffner sein, damit sich die Menschen auch in schwierigen Lebenslagen trauen, über ihre Situation zu sprechen, schreiben die Studienautoren.

Durchgeführt wurde die Umfrage im Auftrag Pro Mente Sana, den Deutschschweizer Kantonen und der Gesundheitsförderung Schweiz. Mit der «Wie geht’s dir?»-Kampagne wolle man die Bevölkerung dafür sensibilisieren, dass es für die psychische Gesundheit wichtig ist, über die eigenen Gefühle sprechen zu können und Hilfe zu holen.

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Upsidupsiwiederda
15.06.2021 16:39registriert März 2020
Für mich sieht das so aus, als hätte Corona da nicht wirklich einen grossen Einfluss. Dass es 3% Mies geht ist doch immer so. Auch die Angaben zu gar nicht gut und nicht so gut liegen auch in der normalen Bandbreite und haben auch während Corona nicht gross geschwankt.
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Evi77
15.06.2021 17:45registriert Dezember 2020
Vielleicht fast wichtiger als die Grafiken: beim Beantworten der Umfrage merkte ich oft erst, wie es mir in dem Moment ging und musste mich ein wenig den Fragen stellen. Statt im Alltag zu stecken, kurz in sich reinhören. Mal stellte ich fest, dass ein Gang zurückschalten wohl gut wäre. Ein anderes Mal merkte ich, dass die Anspannung nachliess und ich mich wieder richtig auf Sachen freuen kann.
Hoffe, es hat auch anderen geholfen.
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