Herr Wenger, zwei Wels-Angriffe auf Menschen in einem deutschen Badesee sorgen in unserem Nachbarland für Schlagzeilen. Müssen wir uns auch in der Schweiz vor Welsen fürchten?
Stefan Wenger: Die Wahrscheinlichkeit, dass man von einem Wels gebissen wird, ist sehr klein. Welse haben ausserdem keine besonders scharfen Zähne. Da kommt es höchstens zu Schürfwunden. Ich kann aber nachvollziehen, wenn Menschen Angst vor Welsen haben. Sie können weit über zwei Meter lang werden. Wenn man einem solchen Tier im See begegnet, ist das schon ein besonderes Erlebnis.
Die Angst vor einem Angriff ist also unbegründet?
Es ist vergleichbar mit der Angst vor Hunden: Es kann immer etwas passieren. Wenn man aber schaut, wie viele Hunde es gibt, passiert verhältnismässig wenig. So ist es auch bei den Welsen.
Die Welspopulation in der Schweiz nimmt zu. Woran liegt das?
Der Wels ist ein wärmeliebender Fisch, in warmem Wasser kann er sich besser vermehren. Mit steigenden Wassertemperaturen nehmen auch die Welspopulationen zu. Der Wels profitiert vom Klimawandel. Und Welse werden sehr alt: Sie können bis 80-jährig werden.
Wo kommen Welse vor?
Welse können grundsätzlich in allen Schweizer Seen und Flüssen vorkommen. Welse sind gerne dort, wo das Nahrungsangebot gross ist. Oft sind sie in flachen Gewässern oder in Ufernähe.
Wie können sich Badende vor Welsangriffen schützen? Hilft es, wenn man sich mit Geräuschen bemerkbar macht?
Das wäre wohl kontraproduktiv, denn Welse werden von Geräuschen angelockt. Beim Wels-Fischen nutzt man das aus, man schlägt mit einem Holz aufs Wasser. Man sollte also besser nicht zu viel Lärm machen. Besser ist, man verhält sich ruhig.
Wovon ernähren sich Welse?
Welse essen grundsätzlich alle anderen Fische. Es gibt aber auch Abweichungen. Im südfranzösischen Fluss Tarn etwa fressen Welse Tauben, vermutlich, weil sie keine anderen Nahrungsquellen mehr haben.
Ist es denkbar, dass Welse vermehrt Menschen angreifen, wenn ihnen die Nahrungsquellen in Schweizer Gewässern ausgehen?
Es kann schon sein, dass Welse ihre Jagdstrategien anpassen, wenn sie im Wasser keine Nahrung mehr finden. Wahrscheinlicher ist es aber, dass sie dann Vögel essen, auch Enten. Es gibt Geschichten, dass Welse kleinere Hunde gegessen haben sollen. Von der Grösse her wäre das schon denkbar. Ich selbst habe einmal gesehen, wie ein grösserer Wels einen zwei Kilo schweren Karpfen mit einem Bissen beinahe pulverisiert hat.
Hat der Wels natürliche Feinde in Schweizer Gewässern?
Nun ja, den Fischer. Abgesehen von Krankheiten hat der Wels in der Schweiz aber keine natürlichen Feinde.
Braucht es Massnahmen, um die Welspopulationen in der Schweiz zu regulieren?
Ich persönlich bin gegen Eindämmungsmassnahmen. Ich bin der Meinung, dass sich die Natur selbst regeln sollte. Es ist zwar bedenklich, dass Welse andere Fischarten gefährden könnten. Längerfristig glaube ich aber, dass sich das einpendeln wird.
Sie sind Fischer. Welchen Status hat der Wels unter Fischerinnen und Fischern?
Viele Fischerinnen und Fischer wollen vor allem grosse Fische fangen, da ist der Wels natürlich ungeschlagen. Welse sind für sie eine beliebte Trophäe.