Es ist bereits ein Running-Gag, nicht nur in den Kommentarspalten von watson, sondern auch in der Redaktion. Wenn unser Politik- und Wirtschaftsexperte Philipp Löpfe in der Causa Trump wieder den Impeachment-Hammer hervorholt, hagelte es Sprüche. So auch gestern:
Aber dann. Die Schlagzeile wenige Stunden später:
Was lange währt, wird endlich gut. Philipp Löpfe behielt gestern endlich recht. Und erklärt nun im Interview, weshalb die Demokraten mit dieser Massnahme alles richtig machen.
Löpfe, du hast es endlich geschafft. Donald Trump wird impeached!
Philipp Löpfe: Es hat sich abgezeichnet. Der Mueller-Report beinhaltete bereits genug Schweinereien und hätte für ein Impeachment gereicht. Aber das Narrativ war zu kompliziert. Diesen Fall versteht nun auch Johnny Sixpack. Und es gibt noch einen weiteren gewichtigen Unterschied.
Und der wäre?
Es geht nicht mehr um die Suche nach dem fehlenden Puzzleteil. Trump hat bereits alles zugegeben. Es geht nur noch um die Deutung seiner Taten. Und da kommt ihm sein fehlendes Rechtsverständnis in die Quere.
Was hat er zugegeben?
Er hat zugegeben, dass Hilfe gegen Joe Biden, ein direkter politischer Gegner Trumps, während dem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten thematisiert wurde. Und er hat zugegeben, höchstpersönlich kurz vor dem Telefonat den Befehl erteilt zu haben, die bereits versprochenen und vom Kongress abgesegneten Gelder für die Ukraine in der Höhe von fast 400 Millionen, zu blockieren. Man braucht kein Raketenphysiker zu sein, um hier eins und eins zusammenzuzählen. Ausserdem hat er sich dabei in Lügen verstrickt.
Wie das?
Zuerst behauptete Trump, dass er das Geld wegen der grassierenden Korruption in der Ukraine blockierte. Wenig später liess er plötzlich verlauten, dass er damit nur sichergehen wollte, dass auch die Europäer ihren Obulus entrichten. Trump wirkt wie einer, der von seiner Mutter beim Lügen ertappt wurde und nun nach Ausreden sucht.
Die Veröffentlichung des Telefonats könnte Trump aber entlasten.
Nicht unbedingt. Eigentlich reichen die beiden Handlungen in der Reihenfolge bereits aus, um von massivem politischem Druck auszugehen. Die Ukraine braucht das Geld dringend. Ein Vorschlag für ein Quid-pro-quo [ein «dies für das»] am Telefon ist dafür nicht mehr nötig. Das sagt auch Nancy Pelosi. Das aber fand mit ziemlicher Sicherheit statt. Das «Wall Street Journal» will davon wissen, dass Trump die Sache achtmal erwähnte.
Interessant im Zusammenhang mit dem Transkript des Telefonats ist aber, dass auch einige Republikaner auf der Veröffentlichung beharren. Das ist eine schwere Niederlage für Trump und ein Zeichen, dass der Wille, sich vom Präsidenten abzuwenden, steigt.
Was erwartest du vom Whistleblower?
Ich erwarte, dass es sich um eine ranghohe Persönlichkeit handelt. Noch wissen wir nicht, was diese Person noch alles weiss und was die Beschwerde, um die sich alles dreht, genau beinhaltet. Das wurde bisher alles zurückgehalten. Der Generalsinspekteur der Geheimdienste, Michael Atkinson, kennt den Inhalt – und nannte die Sache «sehr gravierend». Atkinson ist kein hysterischer Linker – er wurde von Donald Trump eingesetzt.
Am nächsten Donnerstag muss er vor dem Kongress aussagen.
Entscheidend ist nun, dass diese Beschwerde dem Kongress nicht mehr vorenthalten werden kann. Trump hat die Fäden nicht mehr in der Hand und steckt ehrlich gesagt knietief in der Sch*****. Theoretisch könnte jetzt alles sehr schnell gehen.
Viele glauben, ein Impeachment könnte Trump auch helfen.
Die Theorie ist richtig, wenn der Grund für das Impeachment Frauengeschichten sind oder ein paar Kavaliersdelikte. Gründe dieser Art lieferte Trump ja bereits eine Zillion. Doch Nancy Pelosi hat schlauerweise abgewartet. Der Whistleblower ist ein komplett anderer Fall. Ein echter Gamechanger.
Es wir also kein Schuss ins eigene Knie für die Demokraten – auch wenn Trump die Sache überstehen sollte?
Ich glaube nicht. Trumps harte Fanboys werden sich sowieso nie überzeugen lassen. Die gemässigten Republikaner – jene, die noch über ein politisches Gewissen verfügen – wenden sich immer mehr ab. Deshalb gewannen die Demokraten bei den Parlamentswahlen auch in Bezirken, die bei den Präsidentschaftswahlen noch an Trump gingen. Pelosi wartete, bis sie auch die Abgeordneten dieser Bezirke im Boot hatte. Und das hat sie nun. Sieben davon haben in der «Washington Post» gar einen offenen Brief verfasst, weshalb ein Impeachment nun nötig ist.
Wähnte sich Trump nach der erfolgreichen Abwehr des Mueller-Rerports einfach zu sehr in Sicherheit?
Ja. Aber er verfügt über kein Rechtsbewusstsein. Trump folgt seinen Instinkten. Er hatte Angst vor Biden, sah eine Möglichkeit und griff zum Telefon. Lustig ist ja, dass Biden vermutlich nicht einmal nominiert wird.
Wer dann?
Ich denke, Warren macht das Rennen.
Wie gross ist die Chance, dass sich Trump überhaupt noch zu den Wahlen retten kann?
Wegen der Besetzung des Senats: immer noch ca. 90 Prozent. So sieht es im Moment aus. Aber es kann sehr schnell ändern.
Wenn die Erfolgschancen so klein sind – weshalb versuchen es die Demokraten trotzdem?
In diesem Fall geniesst das Impeachment in der Bevölkerung viel mehr Sympathie. Man kann die Story der Bevölkerung einfach erklären und jeder Republikaner mit einem politischen Gewissen wird sich bei den Wahlen fragen müssen, ob er solche Verhaltensweisen noch weitere vier Jahre tragen möchte.
Ist es die Rückkehr der Vernunft in der amerikanischen Politik?
Das zu sagen, wäre jetzt noch etwas verfrüht. Aber es ist ein Hoffnungsschimmer.