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Vorsicht, jetzt kommt die Wohnmobil-Rezession!

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Vorsicht, jetzt kommt die Wohnmobil-Rezession!

Der Verkauf von Wohnmobilen gilt als zuverlässigster Konjunktur-Indikator. In den USA ist er massiv eingebrochen.
20.08.2019, 12:1920.08.2019, 22:02
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Bild: montage: watson / material: shutterstock

Holländer mit Wohnwagen sind der Schrecken der Schweizer Passstrassen (auch entlang des Lago Maggiore sind sie lästig). Autofahrer nerven sich oft grün und blau ob den Vehikeln.

Ökonomen verfolgen derweil ihre Verkaufszahlen mit Argusaugen. «Die Wohnmobil-Industrie kann Rezessionen besser voraussagen als alle Ökonomen», sagt Michael Hicks, seines Zeichens ebenfalls Ökonomieprofessor an der Ball State University in Muncie (Bundesstaat Indiana), gegenüber dem «Wall Street Journal».

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Der Traum des Mittelstandes: ein eigenes Wohnmobil.Bild: EPA/EPA

Der Grund dafür ist ebenso einleuchtend wie banal. Bill Murnane, CEO eines grossen Wohnmobil-Geschäfts, beschreibt ihn wie folgt: «Du brauchst Essen und Kleider, aber du brauchst kein Wohnmobil. Verlieren die Menschen das Vertrauen in die Wirtschaft, dann halten sie sich mit dem Kauf eines Wohnmobils zurück. Genau das sehen wir derzeit.»

Tatsächlich stehen die Zeichen des Wohnmobil-Konjunktur-Barometers auf Sturm. Rund 20 Prozent weniger der Freizeit-Vehikel wurden im laufenden Jahr an den Handel ausgeliefert. Bereits im Vorjahr ist der Verkauf um 4,1 Prozent eingebrochen.

Der Handelskrieg hinterlässt Spuren

65 Prozent der amerikanischen Wohnmobile werden in Elkhart hergestellt. Die Kleinstadt im Bundesstaat Indiana bekommt die Flaute bereits zu spüren: Die Arbeitslosigkeit steigt, wenn auch von einem tiefen Stand. Einzelne Betriebe haben bereits Kurzarbeit eingeführt.

Auch der Handelskrieg mit China setzt den Wohnmobil-Herstellern zu. Viele Einzelteile – von der WC-Schüssel bis zum Abwaschbecken – werden aus dem Reich der Mitte importiert. Das läppert sich zusammen und erhöht in der Summe den Verkaufspreis.

President Donald Trump speaks with reporters before boarding Air Force One with first lady Melania Trump at Morristown Municipal Airport in Morristown, N.J., Sunday, Aug. 18, 2019, en route to Andrews ...
Will nichts von einer Rezession wissen: Donald Trump.Bild: AP

Der Handelskrieg ist der wichtigste Grund, weshalb eine Rezession der amerikanischen Wirtschaft plötzlich ein Thema geworden ist. Berichte darüber füllen Zeitungsseiten und sind Gegenstand von TV-Diskussionen. Immer deutlicher zeigt sich nämlich, dass Trump sich selbst ins Knie geschossen hat.

Entgegen seinen Behauptungen kann Peking die Strafzölle relativ locker verkraften. China hat die Importe aus den USA gedrosselt und sie durch andere ersetzt. Auch die chinesischen Exporte haben ausser nach Nordamerika zugenommen. Die aktuelle Wachstumsschwäche hat andere, hausgemachte Gründe.

Trump sitzt in der Falle

Für Trump hingegen wird dieser Handelskrieg zur Falle. Die Finanzmärkte glauben nicht mehr an einen Deal in absehbarer Zeit. Volatile Aktienkurse und inverse Zinsstrukturen sind die Folge.

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Spielwarenladen in Peking. Der Handelskrieg setzt den Chinesen bisher nicht zu.Bild: EPA

Selbstverständlich will Trump davon nichts wissen. Für ihn ist die amerikanische Wirtschaft nach wie vor «die stärkste der Welt», wie er zu Wochenbeginn einmal mehr versichert hat. Er mache sich deshalb keine Gedanken über eine allfällige Rezession.

Sollte trotzdem etwas schief gehen, dann hat er die Schuldigen bereits ausgemacht. Einerseits ist es Jerome Powell, der von ihm selbst eingesetzte Präsident der US-Notenbank. Er habe sich gegen ihn verschworen, jammert Trump und fordert eine neuerliche Reduktion des Leitzinses, um mindestens ein Prozent, und zwar subito.

Einmal mehr reitet der Präsident auch eine Kampagne gegen die Medien. «Die Fake-News-Medien unternehmen alles, um der Wirtschaft zu schaden, weil sie glauben, dass dies schlecht für meine Wiederwahl sei», tweetete er.

Doch selbst im Weissen Haus beginnt man, sich Sorgen zu machen. So meldet die «Washington Post», dass sich die Trump-Regierung Massnahmen überlegt, wie eine allfällige Rezession zu bekämpfen sei.

epa07753679 Director of the National Economic Council Larry Kudlow responds to questions from the news media following a television interview outside the West Wing of the White House in Washington, DC ...
Verbreitet Optimismus: Larry Kudlow, Wirtschaftsberater von Trump.Bild: EPA

Im Vordergrund steht dabei einmal mehr eine Steuersenkung. Vor allem die Lohnnebenkosten (Payrolltax) sollen vermindert werden, damit die Arbeitnehmer mehr Geld in der Lohntüte haben.

Was ist mit der Schweiz?

Müssen wir auch in der Schweiz Angst vor einer Wohnwagen-Rezession haben? Die Frage ist berechtigt. Deutschland, unser wichtigster Handelspartner, ist im Begriff, in eine Krise zu schlittern. Die Bundesbank hat soeben verkündet, dass die deutsche Wirtschaft wahrscheinlich auch im dritten Quartal schrumpfen wird. Technisch gesehen wären dann die Bedingungen für eine Rezession erfüllt.

Nach wie vor hängt das Damoklesschwert von Strafzöllen auch über der deutschen Industrie, vor allem über der Autoindustrie. Eine Abkühlung der US-Wirtschaft und Strafzölle wären deshalb verheerend.

Eine deutsche Rezession ist für Europa so erwünscht wie Hautkrebs. No-Deal-Brexit und Chaostage in Italien setzen der krisengebeutelten Wirtschaft bereits heftig zu; und ob die Europäische Zentralbank Schlimmeres mit noch billigerem Geld verhindern kann, ist fraglich.

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Schweizer Luxusuhren in einem Schaufenster in Seoul.Bild: EPA

Die exportorientierte Schweizer Wirtschaft wird von diesen Entwicklungen ebenfalls betroffen werden, zumal auch der Druck auf den Franken zunehmen wird. Eine erneute Aufwertung des Frankens bekommen preissensible Branchen wie etwa die Maschinenindustrie besonders hart zu spüren.

Der grösste Teil der Schweizer Exporte ist jedoch wenig abhängig von Preisschwankungen. Es sind dies in erster Linie Pharmaprodukte und Uhren. So gesehen stehen die Chancen gut, dass wir mit einem blauen Auge davonkommen, denn wer ein Medikament braucht, hat wenig Alternativen, und wer eine Rolex erwirbt, der schaut nicht auf den Preis.

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65 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bruno Wüthrich
20.08.2019 14:15registriert August 2014
Ich habe noch bei jeder Rolex, die ich kaufen wollte, auf den Preis geschaut...

...und sie dann nicht gekauft!
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b4n4n4j03
20.08.2019 18:14registriert Dezember 2016
Wenn der chf immer mehr als fluchtwährung genutzt wird könnten wir mit negativzinsen das bedingungslose grundeinkommen finanzieren... 😉
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Platon
20.08.2019 14:42registriert September 2016
Eine neue Steuersenkung😂 Die Republikaner haben so keine Ahnung von Wirtschaftspolitik, dass sie ständig auf dieselbe strunzblöde Idee kommen🤦🏻‍♂️ Hätte man all das Geld, das die Republikaner in den letzten 50 Jahren ihren Freunden schenken konsequent in Infrastruktur und gute Bildung investiert, ja dann lebte der grösste Teil der amerikanischen Bevölkerung heute in einem entwickelten Land und die US-Wirtschaft würde noch so manchen Handelskrieg wegstecken, wobei diese dann vermutlich gar nicht nötig wären. Aber wenn man keine Ahnung hat, verteilt man Geschenke an die Financiers der GOP.
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