CVP fährt grosse Negativ-Kampagne gegen andere Parteien – die Reaktionen sind heftig
Sucht man derzeit auf Google nach National- und Ständeratskandidaten, wird einem in vielen Fällen als oberstes Suchergebnis eine Anzeige ausgespielt, deren URL kandidaten2019.ch auf den ersten Blick unverdächtig daherkommt. Die Anzeige verspricht, dass man dort mehr über den Kandidaten oder die Kandidatin erfahre.
Klickt man auf den Link, kommt die Website je nach Parteizugehörigkeit der Kandidierenden im Grün-Gelb der SVP, im Rot der SP, im Blau der FDP, im Gelb der BDP oder in den verschiedenen Grüntönen von Grünen und Grünliberalen daher. Doch diese Parteien sind nicht die Urheber der jeweiligen Websites. Es ist die CVP.
Für ihre jüngste, am Montag angelaufene Online-Kampagne muss sich die Partei viel Kritik anhören. Auf Twitter fallen Worte wie «peinlich», «ohne Anstand», «Hetzkampagne» und «Verzweiflung», vom «grössten Negative Campaigning der Schweiz» ist die Rede.
Die @CVP_PDC überzieht die Schweiz einer orchestrierten Social Media Schmutzkampagne. Die @CVP öffnet den Giftschrank und packt das Senfgas aus. Negative Evolution - unschweizerisch - So nicht! Anstand bleibt! @FDP_Liberalen @SVPch @Jungfreisinnige
— Marcel Dobler (@Marcel_Dobler) September 17, 2019
Auf den gesponserten Kandidatenseiten fasst die CVP jeweils aus ihrer Sicht das Parteiprogramm der anderen Parteien in verschiedenen Politikfeldern zusammen – Gesundheitswesen, Verhältnis zur EU, Klimaschutz. Es verwundert wenig, dass deren Vorschläge jeweils in wenig positivem Licht dargestellt werden.
So heisst es etwa, die FDP betreibe in der Gesundheitspolitik «politische Rosinenpickerei» und sei in der Umweltpolitik «unglaubwürdig». Die SVP wiederum riskiere mit ihrer «Blockadepolitik» in der Europafrage das «Erfolgsmodell Schweiz». SP und Grüne wollten im Gesundheitswesen «mehr Steuergelder umverteilen» und die steigenden Gesundheitskosten «nicht an der Wurzel anpacken».
Darunter präsentiert die CVP ihre eigenen – gemäss Eigenwerbung natürlich überlegenen – Lösungen und verlinkt auf die Website der jeweiligen Kantonalpartei, wo man mehr über deren Kandidierenden erfährt.
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«Akt purer Verzweiflung»
Gegen die harschen Vorwürfe wehrt sich Parteipräsident Gerhard Pfister im Gespräch mit watson: «Wir machen eine Vergleichskampagne». Die CVP zeige die Positionen der anderen Parteien auf und biete einen Vergleich mit den eigenen Positionen. «Das ist Wahlkampf», so Pfister.
Anders bewertet der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen die Aktion. Auch ihm wurde die zweifelhafte Ehre einer Kandidatenseite aus dem Hause CVP zuteil – in seinem Fall zum Thema Umweltpolitik.
«Diese Hetzkampagne ist ein Akt von purer Verzweiflung», sagt Wasserfallen. Er glaube nicht an den Erfolg der Onlinekampagne: «Diese Aktion wird von der eigenen Wählerschaft nicht goutiert werden und vermutlich zu einer inneren Demobilisierung führen». Er sei überrascht gewesen, dass ausgerechnet die CVP auf dieses Mittel setzt: «Die Partei gibt sich sonst so lösungsorientiert und anständig und führt jetzt so eine Hetzkampagne – das passt nicht.»
«Zielen nicht auf die Person»
Ähnlich tönt es von SP-Nationalrätin Barbara Gysi aus dem Kanton St. Gallen. «Mit der Diffamierung von anderen Parteien sollte man nicht Wahlkampf betreiben. Die CVP weiss aber anscheinend nicht mehr, wofür sie sich einsetzen will.»
Diesen Vorwurf lässt man bei der CVP nicht gelten. Die Auseinandersetzung sei sachlich, auch online, betont Parteipräsident Gerhard Pfister: «Wir zielen nicht auf die Person, sondern zeigen den Wählerinnen und Wählern lediglich, für welche Positionen die anderen Parteien stehen.»
Wie lange die gestern angelaufene Werbekampagne auf Google zu sehen sein wird, ist offen. Über die geplante Dauer der Kampagne macht CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister keine Angaben. Auch wie viel Geld die Partei in die Aktion investiert, verrät er nicht.