Schweiz
Gesundheit

Gefälschte Impfausweise auch in der Schweiz – Polizei sieht kein Handlungsbedarf

Gefälschte Impf-Ausweise gegen Geld – jetzt nehmen Betrüger den Schweizer Markt ins Visier

Impfmuffel werden mit dubiosen Angeboten geködert. Wenn diese geliefert würden, stehen Käufer vor einem Problem. Die Schweizer Behörden sind den Betrügern indes noch nicht auf den Fersen.
05.07.2021, 09:03
Pascal Ritter / ch media
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Begehrte Objekte: Ein (echtes) Impf-Zertifikat.Bild: keystone

In der Smartphone-App Telegram, die für anonyme Kommunikation bekannt ist, geht es zu und her wie auf einem Markt. Gibt man den Begriff «Impfpass» ein, erscheinen mehrere Kanäle, auf denen Nachweise einer Corona-Impfung angeboten werden, ohne dass die Impfung auch tatsächlich vorgenommen wurde. Dort heisst es zum Beispiel: «Wenn Sie sich nicht impfen lassen möchten, können Sie das Impfbuch oder einfach nur den QR-Code für den Impfstoff bei uns bestellen.» Zielgruppe der Angebote sind in erster Linie Impfgegner, die trotz ihrer Haltung von Erleichterungen für Geimpfte profitieren wollen. Viele Coronaskeptiker tauschen sich auf Telegram aus.

Deutsche Anbieter werben um Schweizer Kunden

Bisher richteten sich die deutschsprachigen Angebote vor allem an ein Publikum in Deutschland. Nun haben die Betrüger den Schweizer Markt entdeckt. Ein Anbieter stellte ein Bild des Impfzentrums der Messe Luzern in den Chat und schrieb dazu: «Für alle Schweizerinnen und Schweizer, die ohne Impfung einen Impfpass erhalten möchten, können wir Sie bei dieser Impfstelle registrieren lassen und die Karte an Ihre Lieferadresse liefern.» Kontakt soll man über eine deutsche Handynummer oder über eine Gmail-Adresse aufnehmen.

In einem anderen Kanal bietet jemand «originale Impfpässe aus der Schweiz an, mit original Sticker». Wer einen solchen will, solle 120 Franken in Form der Kryptowährung Bitcoin an einem SBB-Automaten beziehen und diese dann digital überweisen. Auf diese Weise bleibt der Anbieter anonym. Die Auslieferung der Ware soll dann per Post erfolgen. Der Anbieter behauptet, einen Impfausweis mit dem Stempel einer Arztpraxis im Aargau zu liefern.

Ein Stempel wird in einen Impfausweis gemacht, in einem Pflegezentrum in Embrach, aufgenommen am Donnerstag, 21. Januar 2021. (KEYSTONE/Alexandra Wey)
Ein Stempel wird in einen Impfausweis gemacht (Archivbild).Bild: keystone

Ob die Betrüger nur bluffen und das Geld kassieren wollen oder tatsächlich einen gefälschten Impfausweis im Angebot haben, ist unklar.

Den Schweizer Behörden scheinen die dubiosen Angebote noch nicht aufgefallen zu sein. Bei der Bundespolizei heisst es, die Kantone seien zuständig. Eine Umfrage bei den Kantonspolizeien zeigt, dass der Handel mit falschen Impfpässen kein Thema ist oder die Korps ihre «Prioritäten auf anderen Hotspots» haben. Die Antworten der Korps klingen sehr ähnlich. Es gebe bisher keine Hinweise auf gefälschte Impfausweise. Wenn es solche geben sollte, gehe man dem nach.

Sonderkommission «Stempel» jagt Betrüger

Ganz anders in Deutschland: In der Stadt Köln kümmert sich eine spezielle Ermittlerkommission mit dem Codenamen «Stempel» um das Thema. In der Metropole am Rhein laufen zurzeit 23 Verfahren im Zusammenhang mit gefälschten Impfpässen. Kriminalhauptkommissarin Nicole Gentner leitet die Einheit. Sie sagt:

«Es handelt sich um ein bundesweites und internationales Phänomen. Dass auch um Schweizer Kunden geworben wird, wundert mich nicht.»

Sie geht davon aus, dass hinter den meisten Angeboten nicht die Absicht stehe, auch tatsächlich einen gefälschten Impfausweis zu liefern. Die Betrüger kassierten oft einfach das Geld. Aber sie sagt auch: «Es sind tatsächlich falsche Pässe im Umlauf». Diese seien zum Teil einfach zu erkennen. «Wir haben schon Rechtschreibfehler im falschen Stempel gesehen. Manchmal ist auch zweimal die gleiche Chargennummer eingetragen oder die Impfdaten liegen nicht zeitlich plausibel auseinander.»

Die mutmasslichen Täter kommen nach der Einschätzung von Gentner aus ganz unterschiedlichen Milieus. Zum einen haben kriminelle Organisationen ein neues Geschäftsfeld entdeckt. Zum anderen gebe es aber auch Ärzte, die gefälschte Ware anböten. «Es ist ein ähnliches Phänomen wie bei den ärztlichen Befreiungen vom Mund-Nasen-Schutz, die zum Teil missbräuchlich ausgestellt wurden», sagt Gentner.

Eine Frau, die eine Schutzmaske tr�gt, w�hrend sie am zw�lften Tag einer coronabedingten Abriegelung in Paris joggt. Seit Freitagmorgen (28. August) m�ssen die Menschen �berall in Paris aufgrund er Co ...
Auch für die Masken wurden gefälschte Atteste verkauft.Bild: sda

Impfausweise zu fälschen ist relativ einfach. Die Vorlage kann ganz legal in der Apotheke oder bei grossen Versandhäusern bezogen werden. Die Impfung wird dann mit Kugelschreiber, Stempel und allenfalls einem Aufkleber des Impfstoffherstellers eingetragen. Im Unterschied zu offiziellen Ausweisdokumenten fehlen Schutzmuster oder UV-Aufdrucke, die Fälschungen erschweren. Das schien bisher auch nicht nötig. Erst mit der Coronapandemie entstand vonseiten der Behörden ein Interesse daran, genau prüfen zu können, ob eine Person geimpft ist oder nicht.

So einfach ist die Sache dann doch nicht

Allerdings reicht ein Impfausweis in der Schweiz nicht aus, um zum Beispiel im Ausgang einen Club zu besuchen. Es braucht ein offizielles Zertifikat des Bundes, das mit einem QR-Code versehen ist. Zudem muss man den Ausweis zeigen.

Die grosse Schwierigkeit besteht darin, den gefälschten Impfausweis in ein echtes Zertifikat umwandeln lassen zu können.
Die grosse Schwierigkeit besteht darin, den gefälschten Impfausweis in ein echtes Zertifikat umwandeln lassen zu können.bild: az

Die Achillesferse des Betruges ist darum die Umwandlung eines gefälschten Impfausweises in ein Coronazertifikat. Die Internet-Betrüger raten ihren Kunden, mit dem gefälschten Pass in eine Apotheke zu gehen, um dort an das Zertifikat zu gelangen. Sie versprechen, dass dies ganz leicht möglich sei. Allerdings dürfte dies in Realität doch nicht so leicht sein: Der Apothekerverband Pharma-Suisse empfiehlt den Apotheken, nur selbst durchgeführte Covid-Impfungen einzutragen respektive zu übertragen. Bei einer Übertragung sollen Apotheker «mit grösster Sorgfalt auf die Echtheit der vorgelegten Bestätigung achten», heisst es auf Anfrage. Der Verband weist zudem darauf hin, dass es keine Verpflichtung gebe, in Apotheken die Übertragung anzubieten, wenn die Covid-Impfung nicht auch dort vorgenommen worden sei.

Zudem darf nicht jede Stelle, die Zertifikate ausstellt, auch solche Übertragungen machen. Gemäss Verordnung müssen die Kantone Aussteller «mit weitergehenden Rechten» bestimmen, die solche Einträge «ohne Primärnachweis» machen dürfen. Diese Aussteller müssen «ein hohes Vertrauen geniessen und im Umgang mit besonders schützenswerten Gesundheitsdaten vertraut sein». Im Kanton Aargau zum Beispiel hat nur der kantonsärztliche Dienst diese Kompetenz.

Trotz aller Schwierigkeiten: Hauptkommissarin Gentner aus Köln beobachtet eine grosse Nachfrage nach falschen Impfpässen. «Und solange das so ist, wird es auch solche Angebote geben», sagt sie. (bzbasel.ch)

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61 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Miicha
05.07.2021 09:14registriert März 2014
Verstehe ich da irgendwas falsch? Die zahlen lieber was für einen gefälschten Ausweis als sich einfach impfen zu lassen und ihn gratis zu bekommen?!
Auch die ganzen Jungen die nun wieder tanzen gehen und vor den Clubs Tests machen. Lasst euch doch eifach impfen!!
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Max Dick
05.07.2021 09:25registriert Januar 2017
Hoffe es fallen massenhaft Telegramm-Tubbelis drauf rein, und erhalten dann genau nix brauchbares für ihr Geld.
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Magnum
05.07.2021 09:23registriert Februar 2015
Bitte pfefferscharf gegen diesen Unfug vorgehen. Die Impfung ist im Unterschied zu gefälschten Zertifikaten gratis - und damit werden im Unterschied zu diesen gefälschten Zertifikaten auch keine Dritte gefährdet.

In Enschede, Niederlande kam es genau wegen solcher gefälschter Zertifikate nach der Wiedereröffnung der Clubs zu einem Fall, wo sich von 600 Clubbesuchern mindestens 165 angesteckt haben. Einfach nur unsäglich.

Und darum: Pfefferscharf gegen diesen Unfug vorgehen.
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