Ernsthaft: Trump spinnt jetzt wirklich
In seinem kürzlich veröffentlichten Buch «Die Stunde der Raubtiere» stellt Giuliano da Empoli fest:
Da Empoli ist ein italo-schweizerischer Schriftsteller und Wissenschaftler. Mit «Der Magier im Kreml», einem fiktionalen Roman über Wladimir Putin, hat er einen internationalen Bestseller verfasst. Als Berater von Emmanuel Macron kennt er sich auch in der internationalen Diplomatie aus.
Was den US-Präsidenten betrifft, stellt da Empoli weiter fest: «Trump funktioniert nur mündlich. Was eine ständige Herausforderung für jeden darstellt, der ihm auch nur das geringste strukturierte Wissen zu vermitteln wünscht.»
Rund 800 Generäle der amerikanischen Streitkräfte mussten sich am vergangenen Dienstag dieser Herausforderung stellen. Mehr als eine Stunde lang mussten sie eine wirre Rede über sich ergehen lassen und kamen dabei zur Erkenntnis, dass der Grat zwischen politischer Genialität und Irrsinn sehr schmal ist und dass der US-Präsident ihn wohl bereits überschritten hat.
Von «strukturiertem Wissen» ist beim US-Präsidenten keine Spur mehr vorhanden. Im «Atlantic» stellt Tom Nichols daher fest: «Der Präsident hat sehr lange gesprochen, und seine Kommentare haben den Verdacht erhärtet, dass er, wie die Kinder sagen, nicht mehr okay ist. (…) Man kann es den Generälen und Admiralen nachsehen, wenn sie sich beim Verlassen des Auditoriums gefragt haben: Was zum Teufel ist mit dem Oberkommandierenden los?»
Die Kosten und der Aufwand, die Generäle auf eine Militärbasis im Bundesstaat Virginia zu transportieren, waren enorm, das Resultat ein schlechter Witz. Sie bekamen eine Rede zu hören, wie sie Trump schon x-mal an seinen Rallys gehalten hatte, eine Rede gespickt mit Lügen, Prahlereien, Gejammer und falschen Fakten. Schlimmer noch: «Trump schien ruhiger und verwirrter als üblich zu sein», so Nichols, «er ist es sich offensichtlich nicht gewohnt, vor Zuschauern aufzutreten, die nicht klatschen und johlen.»
Als Trump schliesslich den Generälen noch weismachen wollte, dass sie amerikanische Städte wie San Francisco, Chicago oder New York als «Trainingsgelände für den Krieg» benutzen sollten, waren sie nun ihrerseits mehr als nur verwirrt. Mit gutem Grund. Bislang konnte das Offizierskorps davon ausgehen, dass «Präsidenten grundsätzlich normale Menschen, umgeben von ebenfalls normalen Männern und Frauen» sind, und dass «das konstitutionelle System Amerikas es verhindert, dass verrückte Befehle aus dem Oval Office kommen», so Nichols.
Diese Gewissheit gibt es mit Trump nicht mehr. Vielmehr müssen sich die Generäle heute die Frage stellen, die 1973 schon ein gewisser, für Atomwaffen zuständiger Offizier der Air Force zu fragen gewagt hatte: «Wie kann ich sicher sein, dass der Befehl, eine nukleare Rakete abzufeuern, von einem geistig gesunden Präsidenten kommt?»
Bei Joe Biden machte sich der geistige Zerfall erst in seinem letzten Amtsjahr bemerkbar. Trumps Verhalten wird schon im ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit seltsam. So hat er anlässlich eines Treffens mit den beiden demokratischen Führern im Kongress, Hakeem Jeffries und Chuck Schumer, ein Video veröffentlicht, in dem Jeffries als Mexikaner mit breitem Hut und Schnurrbart dargestellt wird, während Schumer KI-generierte, falsche Zitate in den Mund gelegt werden.
Hier die Videos, direkt von Trumps Account:
Als dieses Video zu Recht allgemein als rassistisch, primitiv und eines amerikanischen Präsidenten nicht würdig kritisiert wurde, legte Trump nach und veröffentlichte noch ein zweites Machwerk der gleichen Art. Sein Vize J.D. Vance entblödete sich jedoch nicht, dieses Verhalten zu rechtfertigen. «Wir versuchen alle, für das amerikanische Volk einen wichtigen Job zu erledigen», erklärte Vance. «Der Präsident der Vereinigten Staaten mag es, dabei ein bisschen Spass zu haben.»
Kein Spass ist hingegen, wie das Weisse Haus den Shutdown der Regierung für seine Zwecke ummünzt. In der Absicht, den Demokraten so viel politischen Schmerz wie möglich zuzufügen, hat Budget-Zar Russell Vought bereits vom Kongress genehmigte Projekte kurzerhand wieder gestrichen. Dabei geht es primär um ökologisch sinnvolle Projekte in demokratisch reagierten Bundesstaaten.
Das prominenteste Streichopfer ist ein 18-Milliarden-Dollar-Tunnel für eine Erweiterung der New Yorker Untergrundbahn nach New Jersey. Hunderttausende von Pendlern würden davon profitieren. Die Trump-Regierung bezeichnet diesen Tunnel als «New-Green-Deal-Betrug, der der linken Klima-Agenda dient».
Die Dummheit und der Sadismus, die bei Trump und seiner Regierung immer offener zutage treten, ist leider nicht überraschend. «Die Stunde der Raubtiere ist eine Rückkehr zur Normalität», stellt da Empoli fest. «Die eigentliche Anomalie war eher die kurze Periode, in der man dachte, das blutrünstige Machttier durch ein Regelsystem bändigen zu können.»