Ständerat will Lastenvelofahrer disziplinieren – Pro Velo kontert
Es ist gross, etwas sperrig, dient zum Transport von Einkäufen oder Kleinkindern: Das Lastenvelo erobert die Schweizer Strassen, vor allem in den Städten. Das neuartige Gefährt weckt Emotionen. Die «NZZ am Sonntag» erkennt im Lastenvelo ein neues Emblem des Kulturkampfes folgender Rollenverteilung: Hier die Linksgrünen, die selbstgerecht mit dem Cargovelo durch hippe urbane Quartiere radeln. Und dort die Bürgerlichen, die Lastenvelos als Sozi-SUV und Kita-Kavallerie verhöhnen.
Mauro Poggia hält die Kulturkampfdiagnose für übertrieben. Der Genfer Ständerat (Mouvement Citoyens Genevois) erkennt im Lastenvelo ein geeignetes Vehikel, um in Städten platzsparend von A nach B zu gelangen. «Wenn es Lastenvelos gegeben hätte, als meine Kinder klein waren, hätte ich eins gekauft», sagt er.
Doch Poggia findet: Es mangelt an Disziplin. Er beobachtet, wie Lastenvelofahrer (und auch andere) im Genfer Stadtverkehr Rotlichter ignorieren oder ihre Gefährte auf dem Trottoir parkieren und damit Fussgänger behindern. Deshalb verlangt der Ständerat in einer Motion, dass alle Lastenvelos mit einer Nummer ausgestattet werden – damit man fehlbare Lenker identifizieren und sanktionieren kann. Der frühere Genfer Gesundheitsdirektor ist überzeugt: Wenn Bussen drohen, foutieren sich die Lastenvelofahrenden nicht mehr um die Verkehrsregeln. Poggia führt auch Sicherheitsaspekte ins Feld: Er sorgt sich um die Sicherheit der Kinder, wenn sich Eltern mit ihnen in Wildwestmanier auf den Strassen bewegen.
Proberunden werden empfohlen
Erst kürzlich haben die Versicherung Axa, die Beratungsstelle für Unfallverhütung und die Schaffhauser Polizei nach durchgeführten Unfallsimulationen auf grosse Risiken hingewiesen. Wichtig sei es, die Kinder gut anzuschnallen und die transportierten Güter zu fixieren – damit sie bei einem Unfall nicht aus dem Lastenvelo fliegen, heisst es in einer Medienmitteilung. Kommt hinzu: Lastenvelos sind schwieriger zu manövrieren als herkömmliche Velos. Sie sind schwerer, der Bremsweg wird länger. «Es ist ähnlich wie bei einem Wechsel vom Auto auf ein Wohnmobil», heisst es weiter. Die Beratungsstelle empfiehlt, zuerst auf einem abgesperrten Areal ein paar Runden mit dem Cargovelo zu drehen, bevor man sich in den Verkehr stürzt.
Seit dem 1. Juli sind auf Schweizer Strassen Cargo-E-Bikes mit einem Gesamtgewicht bis zu 450 Kilogramm zugelassen. Sie benötigen eine Nummer. Poggia fordert, dass diese Pflicht für die Velos bis 250 Kilogramm gilt.
Bei Pro Velo Schweiz kommt diese Idee schlecht an. Der Verband befürchtet, dass eine umfassende Nummernpflicht die Verbreitung von Cargovelos erschweren könnte. «Das könnte den Umstieg auf umweltfreundliche Alternativen behindern und somit den Verkehrs- und Klimaschutz beeinträchtigen», sagt Sprecherin Claudia Bucher.
Für ein friedliches Miteinander im Verkehr braucht es laut Pro Velo eine sichere und gut sichtbare Infrastruktur: «Separate und gut markierte Velowege, die auch für Cargo-Bikes geeignet sind, sowie ausreichend Platz für alle Verkehrsteilnehmenden. Zudem sollte es genügend Abstellplätze für Cargo-Velos geben», so eine Sprecherin.