Ein Land schlägt beim E-Auto-Boom alle Rekorde – und es ist nicht China
Dem E-Auto gehört die Zukunft. Doch der Wandel vom Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität verläuft je nach Land ganz unterschiedlich schnell. In Norwegen waren im September 98 Prozent der neu eingelösten Autos vollelektrische E-Autos, in Dänemark 73 Prozent und in Island 71 Prozent. Am anderen Ende rangiert Japan. In der Hochburg des Hybridautos konnten sich nur etwa 2 Prozent der Kunden für ein E-Auto erwärmen.
Die Schweiz, einst eine Vorreiterin der Elektromobilität, liegt nur noch im Durchschnitt aller europäischen Länder: Eines von fünf verkauften Autos ist hierzulande ein vollelektrischer Stromer.
Wo das E-Auto gewinnt
Norwegen kommt seinem Ziel, in diesem Jahr nur noch E-Autos auf die Strassen zu bringen, extrem nahe. Auf hundert neue Personenwagen kommen nun weniger als zwei mit Verbrennungsmotor. Besonders hohe Popularität geniessen E-Autos auch in Hongkong. Ähnlich wie in Norwegen und Dänemark werden E-Autos und die Ladeinfrastruktur seit Jahren staatlich gefördert – mit durchschlagendem Erfolg.
Hongkong sticht hervor, aber auch insgesamt war in China mehr als jeder dritte eingelöste Neuwagen im August ein vollelektrisches E-Auto, Tendenz steigend.
Wo das E-Auto verliert
Weit hinter China und Europa folgen die Vereinigten Staaten mit einem Stromer-Anteil von rund zehn Prozent. Da unter Trump die staatlichen Subventionen in Höhe von bis 7500 Dollar pro Elektroauto ab dem 1. Oktober wegfallen, wird es für E-Autos ab sofort deutlich schwieriger. Ford-CEO Jim Farley erklärte diese Woche, dass sich die Verkäufe von E-Autos in den USA wohl halbieren und von rund zehn Prozent Marktanteil im August auf fünf Prozent sinken könnten – bedingt durch Trumps Politik zugunsten fossiler Brennstoffe. Bei seiner Warnung mag Schwarzmalerei mitklingen, aber mit ziemlicher Sicherheit werden die USA von China und Europa weiter abgehängt.
Wo das E-Auto in Fahrt kommt
In Europa haben E-Autos im Jahreslauf um 26 Prozent zugelegt. Prozentual am stärksten wachsen E-Autos aktuell in Island, Spanien, Polen und einigen weiteren osteuropäischen Ländern.
All diese Länder kennen eine staatliche Förderung der Elektromobilität, was von umfassenden Steuerbefreiungen bis zu direkten Kaufprämien reichen kann.
Die Grafik lässt wenig Zweifel: Das E-Auto setzt sich durch. Vom (noch) gemächlichen Tempo bei uns sollte man sich nicht täuschen lassen. Andernorts sind Stromer auf der Überholspur. Verbrenner haben in Europa langfristig keine Zukunft.
Vor allem in Spanien und teils in Osteuropa haben E-Autos auf noch tiefem Niveau Fahrt aufgenommen, während sich das Wachstum in den skandinavischen Ländern auf weit höherem Niveau leicht verlangsamt hat. Auch die grossen Märkte Deutschland und Grossbritannien entwickeln sich positiv.
Schweiz hält nicht Schritt
Mit bescheidenen 8 Prozent liegt das E-Auto-Wachstum in der Schweiz weit hinter dem Europa-Schnitt von 26 Prozent. Mit diesem gemächlichen Tempo liegt die Schweiz beim E-Auto-Anteil inzwischen deutlich hinter jenen Ländern, die den Übergang zur Elektromobilität besonders schnell meistern.
Ein Beispiel: 2022 waren in der Schweiz und in Dänemark jeweils rund 20 Prozent der verkauften Neuwagen Stromer. Heute sind es über 70 Prozent in Dänemark, bei uns dümpeln E-Autos weiterhin bei 20 Prozent herum.
Warum die Schweiz zurückfällt
Im Wettlauf zur emissionsarmen Elektromobilität liegen jene Länder vorn, welche die E-Mobilität, insbesondere die Ladeinfrastruktur, früh und gezielt gefördert haben: skandinavische Staaten, Hongkong und China. Bei uns geht die Entwicklung in die umgekehrte Richtung. Selbst bescheidene Fördermassnahmen stehen politisch unter Druck oder wurden bereits abgeschafft.
Nun droht ein weiterer Dämpfer: Bundesrat und Verkehrsminister Albert Rösti will Elektrofahrzeuge ab 2030 besteuern. Im Raum stehen eine Besteuerung pro in der Schweiz gefahrenem Kilometer und analog der Mineralölsteuer eine Steuer auf den Strom beim Laden.
Dass es langfristig eine Besteuerung der Elektromobilität braucht, um die Finanzierung des Strassennetzes zu sichern, ist weitgehend unbestritten. Entscheidend ist das Timing: Kommt die neue Steuer zu früh, könnte das zarte E-Auto-Wachstum abgewürgt werden. Wartet der Bundesrat zu lange, dürfte es bei steigendem Anteil von E-Auto-Fahrenden immer schwieriger werden, eine politische Mehrheit zu finden – neue Abgaben haben es an der Urne bekanntlich schwer.
Als Kompromiss könnte die Steuer schrittweise eingeführt werden, etwa mit einem Mechanismus, der den Steuersatz an den Marktanteil der E-Autos knüpft.
Woran es bei uns scheitert
Elektroautos stossen hierzulande auch an Grenzen, weil die Schweiz international eine der höchsten Mieterquoten hat und das Recht auf Laden für Mieter und Stockwerkeigentümer in Bundesbern lange keine Priorität genoss. Bisher kaufen denn auch vorwiegend Hausbesitzer E-Autos, da sie in aller Regel bequem zu Hause laden können. Der Bundesrat wurde vom Parlament erst im Juni dieses Jahres damit beauftragt, dafür zu sorgen, dass auch Mietende und Stockwerkeigentümer Zugang zu einer Ladestation haben.
Im Alltag dürfte es trotzdem noch Jahre dauern, bis auch für sie eine private Ladestation in der Garage eine Selbstverständlichkeit ist.
Die Konsequenz: Vom Selbstbild der E-Auto-Vorreiter müssen wir uns verabschieden. Europa zieht gerade vorbei.
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