Sein Büro ist schon zu Teilen geräumt, vor dem Pfarrhaus steht ein grosser Container. Gottfried Spieth packt grad die Zügelkisten für seine Familie, die ihre Siebensachen aufs neue Schuljahr hin nach Frankfurt an der Oder zügelt. Im brandenburgischen Städtchen an der Grenze zu Polen hat der Diessenhofer Pfarrer seit Juni 2024 ein politisches Amt für die AfD inne.
Über den 64-Jährigen ist zuletzt viel diskutiert und geschrieben worden. Nachdem diese Zeitung Spieths Doppelmandat publik gemacht hatte, sprang die nationale Presse auf den Zug auf. Selbst die deutsche «Zeit» berichtete diese Woche über Spieth und titelte: «Der Pfarrer und die AfD.»
Jetzt kommen neue Details über Spieth und seine politische Haltung ans Licht. Noch Anfang Juli sagte er gegenüber dieser Zeitung: «Mit Rechtsextremen habe ich nichts am Hut.» Nun aber berichtet die «Schaffhauser AZ», dass der Pfarrer auf der Facebook-Seite seines verstorbenen Bruders Posts mit radikalem Inhalt verbreitet hat.
Das Profil mit dem Namen «Spieth Gottfried Gerhard» ist mittlerweile gelöscht. Die Posts mit antisemitischem, völkischem und rechtsextremem Inhalt aber liegen dieser Redaktion vor. In einem schrieb Spieth von Umsturzfantasien: «Der germanische Zorn ist nicht verschwunden, er schläft. Wehe, wenn er aufgeweckt wird! 10 bis 20 nichtassimilierte Biodeutsche, im Bunde mit moderner (Wehr-)Technik, sind zu (fast) allem in der Lage. Was Israel recht ist, sollte uns billig sein. Wenn, wenn unsere jetzt noch unterdrückten maskulinen Instinkte losgelassen werden (…).»
In einem anderen von der «AZ» recherchierten Post schreibt Spieth: «Das dritte Reich war eine komplexe Mischung und lässt sich nicht in seiner ganzen Breite auf einen kriminellen Nenner bringen (...)». Und einmal stellt der Diessenhofer Pfarrer infrage, ob die Verwendung des Wortes «Massenmord» angebracht ist. So schreibt er: «Die Alliierten konnten es sich im WK II (Zweiten Weltkrieg, Anm. d. Red.) leisten, das dritte Reich mit solchen Maximalbegriffen zu brandmarken, weil sie aus der Position überlegener Stärke handeln konnten.»
Die Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler im Jahr 1933 bezeichnete Spieth als «demokratischen Pragmatismus». Und die nationalsozialistischen Soldaten, die in der Schlacht um Stalingrad zwischen 1942 und 1943 kämpften, seien «überzivilisiert und verweichlicht» gewesen. Die frühere deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel habe zwar «neue aussenwirtschaftliche Spielräume eröffnet», sei mit ihrer Willkommenskultur aber schlecht für den «Genpool» gewesen.
Spieth streitet nicht ab, die umstrittenen Facebook-Posts verfasst zu haben. Die Inhalte aber widerspiegelten nicht seine eigene Meinung, sondern «den Echoraum aus dem fiktiven Familienkreis». Das sei alles harmlos, nur «ein assoziatives Blitzlichtgewitter», wie er in seinem halb leergeräumten Pfarrbüro erzählt. Gegenüber dieser Zeitung sagt er:
Er habe friedenspolitische Vorbilder wie Bruno Kreisky oder Willy Brandt, also die früheren sozialdemokratischen Regierungschefs von Österreich und Deutschland. Seinen Post, in dem er zur Vorsicht mit kriminalistischen Maximalbegriffen wie etwa Massenmord rate, beziehe sich nicht auf Nazi-Deutschland, sondern auf das gegenwärtige Russland, betont er.
Gegenüber Medien, die diese Posts nun aufgreifen, spürt er eine «fein orchestrierte Sensibilität». «Die Leute haben Berührungsängste, das habe ich unterschätzt.» Mittlerweile habe bei ihm ein Lernprozess stattgefunden, wie er meint: «Was damals spielerisch gemeint war im Sinne von Austesten und Ausreizen des bürgerlich Sagbaren, entpuppt sich nun als sprachliche und gedankliche Grenzverletzung, die ich bedaure.» Er distanziere sich von seinen Posts.
Die «AZ» berichtet ausserdem davon, dass die Kirchgemeinde Diessenhofen Spieth die Kinder- und Jugendarbeit entzogen habe, allerdings bereits vor seiner Wahl in die AfD. Kirchgemeindepräsidentin Jael Mascherin bestätigt das ebenso wie Kirchenratspräsidentin Christina Aus der Au. Zu den Facebook-Posts von Spieth, von denen Mascherin bisher nichts gewusst habe, äussert sie ebenso eine klare Haltung wie zur AfD. Sie sagt:
Spieths Pensum ist im Austausch mit dem Kirchenrat zunächst vor Jahren reduziert worden, als ihm die Kinder- und Jugendarbeit entzogen wurde. «Die Jugendlichen sind ihm nicht gelegen», sagt Mascherin. Er sei mit den Jungen nicht ‹z'Schlag› gekommen. Deshalb hat jemand anderes die Jugendarbeit übernommen, was für Spieth auch zu einer Lohnreduktion führte. «Das ist wie bei anderen Berufen auch», relativiert Mascherin. Wer seiner Arbeit nicht nachkomme, erhalte weniger Lohn. Pfarrerlöhne berechnen sich übrigens über reglementierte Besoldungen der evangelischen Landeskirche Thurgau.
Zu einer weiteren Pensum- und Lohnkürzung für Spieth kam es im Zusammenhang mit seinem neuen politischen Engagement im rund 850 Kilometer entfernten Frankfurt an der Oder, weil er durch seine Sitzungen häufiger abwesend ist. «Wir kommen unseren Pflichten nach», meint Mascherin, die allerdings keine Schlammschlacht will. «Sie schadet nur der Kirchgemeinde», sagt sie. Die politische Meinungsfreiheit gelte zwar auch für Spieth, «aber die hat inhaltlich ihre Grenzen dort, wo er Angehöriger der Thurgauer Landeskirche ist», meint Mascherin und erklärt: «Mit den Facebook-Posts hat er diese Grenze klar überschritten.»
Bisher vertrat der Kirchenrat um Christina Aus der Au ebenfalls die Meinung, dass Vielfalt, Diskussionen und Streitkultur zugelassen und für Pfarrer kein «Gesinnungszwang» angewendet werden sollte. Zu den neu veröffentlichten Inhalten von Spieths Posts aber sagt sie:
Nächste Woche findet nun ein erneutes Treffen mit Spieth statt. Zudem will der Kirchenrat rechtliche Schritte prüfen. «Wir werden reagieren», sagt Aus der Au. Über eine Bestätigungswahl, die zuerst von einem Fünftel der Stimmberechtigten gefordert werden müsste, geht eine Absetzung kaum, weil Spieth sowieso Ende Dezember früher als geplant pensioniert wird.
Möglich sei aber, Spieth auf Geheiss der Kirchenvorsteherschaft Diessenhofen oder des Kirchenrats von seinem Amt zu entheben. In der Rechtspflegeverordnung der evangelischen Synode des Kantons Thurgau heisst es unter Paragraf 41, dass dem Kirchenrat dieselben Massnahmen zur Verfügung stehen wie der Aufsichtskommission. Und weiter: «Überdies kann er im Aufsichtsbeschwerdeverfahren von sich aus oder auf Antrag der betreffenden Aufsichtskommission Besoldungskürzungen oder Sistierung von Besoldungserhöhungen oder die teilweise oder vollständige Amtsenthebung verfügen.» Zudem beaufsichtigt der Kirchenrat die Tätigkeiten der Pfarrpersonen in geistlich-theologischer Hinsicht. «Der Kirchenrat kann von sich aus die teilweise oder vollständige Amtseinstellung verfügen.» Ob und wann dies der Fall sein könnte, steht noch nicht fest.
Die Familie Spieth feierte kürzlich ihren vorgezogenen Abschied. Spieth spricht von einem harmonischen Anlass und einer gut gelungenen Predigt. Nach dem Umzug in den kommenden Tagen will er seinen Dienst weiterhin in Diessenhofen ausführen, indem er in den nächsten Monaten zwischen Frankfurt und Diessenhofen hin- und herpendelt. Sein Abschied folge Ende Dezember. Zur Forderung einer frühzeitigen Absetzung sagt er: «Das wäre dann doch übertrieben.» (aargauerzeitung.ch)
Passt haargenau ins Muster der Rechtsradikalen.
In des Amtes entheben, Posts die justiziabel sind zur Anzeige bringen. Und dann raus mit dem Typen samt Einreiseverbot für die nächsten 50 Jahre!
Die ganz Normal von Bürgerkrieg träumen oder gar diesen Fordern (wie Hans-Christoph Berndt, Fraktionschef Brandenburg).