Mehr als zwei Wochen lang schwieg das zuständige Finanzdepartement von Bundesrat Ueli Maurer (SVP) zu den Berichten von CH Media über die gravierenden Führungsprobleme in der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) unter Direktor Christian Bock.
Am Montagabend schlug Maurer zurück. Im Intranet der Zollverwaltung, in der etwa 4500 Personen beschäftigt sind, liess er eine Replik unter dem Titel «BR Maurer zu der Kampagne von CH Media gegen Direktor Bock und die EZV» aufschalten.
In einer «einseitigen und diffamierenden Kampagne» würden die Zollverwaltung und Direktor Bock «attackiert und kritisiert», so der Finanzminister zur Berichterstattung von CH Media. «Gleich in mehreren Artikeln wird versucht, die Integrität von Direktor Bock und die ausgezeichnete Arbeit der EZV in Frage zu stellen und negativ anzuprangern. Dies obwohl die organisatorische Weiterentwicklung der EZV das volle Vertrauen des Bundesrats geniesst.»
Mit «teilweise sehr konstruierten Argumenten» werde insinuiert, dass die Transformation der Eidgenössischen Zollverwaltung zum Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) nicht zum Erfolg führen könne. Die «Gebote der Fairness» seien dabei «stark missachtet» worden. Mit «oberflächlichem Thesenjournalismus und anonymen Quellen» werde es aber «nicht gelingen, die Glaubwürdigkeit und Integrität der EZV in Frage zu stellen», so Maurer.
Laut Maurer verläuft der «anspruchsvolle politische Prozess» um den Umgang der Zollverwaltung «planmässig», und die «Rückmeldung massgeblicher Behörden, Organisationen und Parlamentskommissionen sind ermutigend». Weiter führt der Finanzminister aus: «Das Transformationsprogramm Dazit», das eng mit der Weiterentwicklung des EZV verbunden sei, werde regelmässig von der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) überprüft.
Dazit ist das Digitalisierungsprogramm, das einfachere und automatisierte Zollprozesse und weniger Bürokratie bringen soll, was unbestritten und im Interesse auch der Wirtschaft ist. Laut Beobachtern ist es allerdings hochgradig zweifelhaft, ob Dazit fristgemäss, auftragsgemäss und im Rahmen der bewilligten Mittel (400 Millionen Franken) abgeschlossen werden kann. Längst werden Parallelen zu Insieme gezogen, dem IT-Projekt der Steuerverwaltung, das zum Chaos wurde und bei dem mehr als 100 Millionen in den Sand gesetzt wurden.
Maurer beruft sich in der Dazit-Frage auf die EFK, eine eigene Aussage macht er nicht.
Ein Jurist in einem anderen Departement der Bundesverwaltung, der mit dem Zoll zu tun hat und die Stimmung aus eigener Anschauung kennt, zeigt sich befremdet über die Kommunikation des Finanzministers. Auf die Probleme in der Zolldirektion unter Direktor Bock, die gravierend seien, gehe er mit keinem Wort ein. Aus Sicht des Juristen wurde aus dem ursprünglichen Digitalisierungsprojekt Dazit stillschweigend eine radikale Reorganisation, «und das Personal wird nicht mitgenommen, die Stimmung ist katastrophal». Eine Reorganisation «gegen das Personal» aber sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Der Finanzminister als oberster Personalverantwortlicher habe jedenfalls eine Fürsorgepflicht seinen Leuten gegenüber, aber er beschränke sich darauf, den Direktor in Schutz zu nehmen, sagt der Jurist.
Genau dieser Punkt, das fehlende Eingehen auf die Sorgen der Mitarbeitenden, prägte die Reaktionen von Zollpersonal auf das Schreiben des Bundesrats. «Auf die Behandlung der Mitarbeiter wird gar nicht eingegangen, nur auf die Transformation der EZV», sagt ein Zollangestellter, der sich, wie andere auch, spontan bei CH Media meldete. Aus Furcht vor Retourkutschen äussern sind Zollmitarbeitende derzeit nur anonym.
«Es wird auf keinen Punkt in Ihren Artikeln eingegangen», hielt eine andere Person fest. «Stattdessen wird behauptet und schöngeredet. Nach wie vor wird nicht auf die Mitarbeiter eingegangen. Das ist schade, es wäre eine Chance gewesen zumindest etwas einzulenken und Fehler einzugestehen. Es macht die ganze Situation noch schlimmer und nicht besser.»
Unter Zolldirektor Bock - da gibt es keine zwei Meinungen beim Personal, mit dem CH Media in Kontakt steht - herrscht ein Klima der Angst. Kritik, auch konstruktive, wird nicht toleriert.
Aber so einfach kann auch der alte Politfuchs Maurer die Probleme nicht aus der Welt reden. Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) als Oberaufsicht ist auf die Situation aufmerksam geworden, wie Insider bekräftigen. Verschiedene parlamentarische Vorstösse unter anderem von Greta Gysin, Tessiner Nationalrätin der Grünen und Co-Präsidentin des Personalverbands Transfair, werden dieser Tage in Bern eingereicht.
Jetzt schaltet sich auch der Präsident einer bürgerlichen Bundesratspartei ein: Gerhard Pfister (Die Mitte) reicht soeben eine Interpellation ein unter dem Titel: «Eidgenössische Zollverwaltung. Fragen zum Arbeitsklima». Darin fragt der Zuger Nationalrat den Bundesrat, wie er das Arbeitsklima in der Zollverwaltung beurteile? Oder der Bundesrat bereit sei, die Frage des Arbeitsklimas «unabhängig von der Leitung der EZV überprüfen und beantworten zu lassen?» Wie der Bundesrat die in den Medien erhobenen Vorwürfe gegen den Zolldirektor beurteile? Was der Bundesrat mache, um die Vorwürfe zu entkräften? Oder, wenn die Vorwürfe zuträfen: Was der Bundesrat zu tun gedenke?
Es ist nicht das erste Mal, dass der Zuger Nationalrat Pfister in Sachen Bock einen Vorstoss einreicht. Bereits im Jahr 2015 reichte er kritische Fragen zu Personalmutation und Arbeitsklima ein, damals ging es noch um das Institut für Metrologie (Metas) das von Christian Bock geleitet wurde. Auch im «Messamt» schlugen Angestellte damals Alarm, aber der Bundesrat - zuständig war als Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP) - wischte die Bedenken vom Tisch. Direktor Bock wurde Ende 2015, auf Antrag der damaligen Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf (BDP), sogar zum Zollchef befördert.
In seiner Interpellation verweist denn Mitte-Chef Pfister explizit auf seinen Vorstoss von 2015, «verbunden mit der Hoffnung, die Antwort des Bundesrats auf diese Interpellation falle nun weniger ausweichend und nicht so nichtssagend aus wie vor sechs Jahren».
2015 liess der Bundesrat Pfisters letzte Frage zweifellos wohlweislich unbeantwortet. Der Nationalrat hatte die Justizministerin Sommaruga gefragt: «Kann die Vorsteherin des EJPD dem Fragesteller versichern, dass es gegenüber dem Personal von Metas zu keinen Diskriminierungen kommt, die Vorgaben der Personalpolitik des Bundes eingehalten werden und kein Klima der Angst herrscht?»
Direktor Christian Bock, der letzte Woche eine Interview-Anfrage von CH Media abschlägig beantwortete, hat sich bisher gegenüber seinem Personal nicht direkt zu Wort gemeldet. (aargauerzeitung.ch)
Aber vor allem sollte man einem digitalen Nullchecker, der nicht einmal fähig ist, selbst eine simple App auf seinem Handy zu installieren, jegliche Hoheit über sämtliche digitalen Projekte oder das BIT entziehen.
2015: Vorstoss zur Überprüfung von Bock
2021: Vorstoss zur Überprüfung von Bock
In beiden Fällen: Arbeitsklima.
In beiden Fällen: Rückendeckung durch den BR.
Seeehr fragwürdig das Ganze. Und wo bleibt die Stellungnahme von Bock?