Eigentlich wollte der FC Zürich in der neuen Super-League-Saison ja endlich wieder zu den Spitzenteams gehören. Die Realität sieht allerdings anders aus: 0:4 gegen Lugano, 0:0 in Luzern, 1:3 in Sion. Mit einem Punkt auf dem Konto und einem Torverhältnis von 1:7 findet sich der FCZ nach drei Spieltagen am Tabellenende wieder. Die Gründe für die Krise sind vielfältig – und zu einem grossen Teil selbstverursacht.
Weder gegen Lugano, noch gegen Sion hätte der FCZ verlieren dürfen. Das Team von Ludovic Magnin war in beiden Spielen zumindest ebenbürtig und phasenweise sogar überlegen. Aber eben nur phasenweise, bereits kleine Rückschläge wie vergebene Grosschancen oder ein unglückliches Gegentor bringen den FCZ schnell aus dem Tritt.
Der Mannschaft fehlt ein Chef auf dem Platz, der für die nötige Stabilität sorgen könnte: Nach den Abgängen von Alain Nef, Andreas Maxsö und Pa Modou sowie der Verletzung von Captain Kevin Rüegg ist keiner mehr da, der die Teamkollegen antreibt oder wachrüttelt, wenn es mal nicht läuft. Die Hierarchien sind zu flach, so dass sich keiner genötigt fühlt, in entscheidenden Momenten die Verantwortung zu übernehmen.
Fünf neue Spieler hat der FCZ in der Sommerpause geholt, überzeugen konnte bislang keiner. Denis Popovic war als ballsicherer Stratege im Mittelfeld angekündigt worden, was er durchaus sein könnte, wenn er denn fit wäre. Doch noch sucht der 29-jährige Slowene, der ablösefrei aus der russischen Premijer Liga kam, seine Form und die Bindung zum Team. Gemäss eigenen Angaben ist er bei «70 oder 80 Prozent».
Der 1,91-Meter grosse Stürmer Blaz Kramer, der von Wolfsburg II kam und den einst sogar Manchester United auf dem Wunschzettel gehabt haben soll, hat bis jetzt mehr Bälle verstolpert als Torchancen vergeben. Der ivorische Aussenverteidiger Willie Brito war defensiv bislang anfällig und offensiv unsichtbar.
Linksaussen Mimoun Mahi erzielte gegen Sion zwar das erste Saisontor für den FCZ, hatte ansonsten aber keine nennenswerte Aktion. Innverteidiger Nathan kam von Absteiger GC und war schon da dauerverletzt. Jetzt fällt er auch bei FCZ bereits wieder aus.
Das alles wäre gar nicht so schlimm, würde die FCZ-Führung um Präsident Ancillo Canepa mit ihrer zu offensiven Kommunikation nicht falsche Erwartungen schüren. «Natürlich sind wir ein Spitzenverein», sagte Canepa einen Tag vor dem Saisonstart in der NZZ. Als Ziel gab der Präsident trotz des grossen Umbaus der Mannschaft und der schwachen Rückrunde in der letzten Saison den Europacup aus.
Sportchef Thomas Bickel lobte die eigene Transfer-Strategie («Wir haben Transfers getätigt, die auch den Stil des FCZ abbilden sollen.») und setzte die Neuankömmlinge zusammen mit Canepa gleich gehörig unter Druck. Denis Popovic wurde als ballsichere, strategische Nummer 6 angekündigt, doch eigentlich sei er ein «verkappter Zehner». «Wir wollten keinen Abräumer à la Gennaro Gattuso», so Bickel. Zur Erinnerung: Gattuso gewann mit Milan zweimal die Champions League und wurde 2006 mit Italien Weltmeister.
Über Mimoun Mahi schwärmte Canepa: «Als ich ihn das erste Mal sah, dachte ich, er sei der jüngere Bruder von Chikhaoui. Ich teilte Yassine mit, dass wir seinen Nachfolger gefunden hätten.» An solchen Aussagen werden die Zuzüge nun gemessen. Statt Zeit zu kriegen, sich am neuen Arbeitsort einzugewöhnen, müssen sie quasi auf Knopfdruck überhöhten Anforderungen genügen. Sicher nicht die beste Kommunikationsstrategie.
Ludovic Magnin war wahrlich nicht zu beneiden. Vor eineinhalb Jahren wurde er für den trotz ordentlichen Resultaten entlassenen Uli Forte beim FCZ als Cheftrainer installiert. Das vorgegebene Ziel der Klubführung: Mit dem eigenen Nachwuchs schönen Fussball spielen und die Mannschaft stets in den Europacup führen.
Die hohen Anforderungen waren für Magnin zu hoch, seine Bilanz nach eineinhalb Jahren sieht düster aus: Den Cupsieg und die damit verbundene Europa-League-Quali erreichte Magnin in seiner ersten Saison vor allem dank Fortes Vorarbeit. Seither hat der einstige Schweizer Nationalspieler keinen Spieler merklich besser gemacht und kaum junge Talente ins Kader eingebaut. Seit seinem Amstantritt im Februar 2018 fiel der FCZ vom oberen Mittelfeld kontinuierlich bis in den Super-League-Keller.
In der desaströsen Rückrunde fiel Magnin, der sich selbst als «Trainer für die grossen Spiele» ankündigte, vor allem durch seinen Zorn, die Wutausbrüche und seine ständige Schiedsrichter-Kritik auf. Der 40-jährige Romand spricht gern – über Leidenschaft, Spektakel und Fussball-Philosophien. Doch umsetzen kann er seine Ideen mit seiner Mannschaft nicht. Stattdessen redet er die gezeigten Leistungen immer wieder schön und lobt seine Spieler selbst nach fragwürdigen Leistungen.
Zwischen Selbstbild und Realität klafft bei Magnin eine grosse Lücke. «Ich bin überzeugt, dass wir Qualität dazu bekommen haben und dass wir einen Schritt nach vorne gemacht haben», sagte der FCZ-Trainer vor dem Saisonstart. Noch hält Canepa zu seinem erfolglosen Trainer. Doch verliert Magnin weiter, wird auch für ihn die Luft dünn. Das weiss auch der Zampano an der Seitenlinie. Schliesslich kennt auch er die Mechanismen im gnadenlosen Fussball-Geschäft:
Die Ansätze stimmen beim FCZ: Spielerisch kann der 12-fache Schweizer Meister problemlos mit der Konkurrenz mithalten, doch noch fehlen Disziplin, Souveränität und Abgeklärtheit. Noch hat Magnin Zeit, das Schiff auf Kurs zu bringen, die Neuen zu integrieren, Leaderfiguren zu bestimmen, Automatismen einzustudieren. Doch der Druck ist nach dem verpatzten Start bereits gross. In den Heimspielen gegen Xamax und St.Gallen müssen Punkte her, sonst greifen wohl eher früher als später die Mechanismen im gnadenlosen Fussball-Geschäft.