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Vor 11 Jahren gewann der FC Wil sensationell den Schweizer Cup – das wurde aus den Helden von damals

Proppenvoller Hofplatz: Ganz Wil scheint auf den Beinen zu sein, um die Cupsieger zu empfangen.
Proppenvoller Hofplatz: Ganz Wil scheint auf den Beinen zu sein, um die Cupsieger zu empfangen.Bild: KEYSTONE

Vor 11 Jahren gewann der FC Wil sensationell den Schweizer Cup – das wurde aus den Helden von damals

In einer Sommerserie blickt watson zurück auf legendäre Schweizer Fussball-Teams der jüngeren Vergangenheit. Was wurde aus den Meistern, den Aufsteigern, den Europacup-Helden? Heute: Die Cupsieger-Mannschaft des FC Wil im Jahr 2004.
28.06.2015, 19:19
Ralf Meile
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Das Spiel

GC ist Rekordmeister und Rekordcupsieger – und deshalb der haushohe Favorit gegen den FC Wil. Die Ostschweizer stecken mitten im Chaos, das ukrainische Investoren nach dem Abgang des betrügerischen Präsidenten Andreas Hafen angerichtet haben. Doch der Aussenseiter erlebt in Basel die grosse Sternstunde seiner Vereinsgeschichte.

Rogerio schiesst Wil schon in der 5. Minute in Führung, aber nach 19 Minuten und Toren von Richard Nuñez und Ricardo Cabanas steht es 2:1 für die Grasshoppers. Zum Wiler Cupheld wird in der Folge Fabinho. Der Brasilianer verwertet kurz vor der Pause einen Penalty und er trifft in der 78. Minute erneut aus elf Metern. Beim 3:2 bleibt es – Wil ist tatsächlich Cupsieger!

Hoch mit dem Pokal! Montandon, Winkler, Fabinho, Trainer Lehmann und Mordeku (von links) mit der Trophäe.
Hoch mit dem Pokal! Montandon, Winkler, Fabinho, Trainer Lehmann und Mordeku (von links) mit der Trophäe.Bild: KEYSTONE

Die Aufstellung

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Die Wege der Spieler

Daniel Lopar (heute 30)

Schon mit 18 Jahren erhält Lopar erstmals die Gelegenheit, sich in der Nationalliga A zu zeigen, weil Stammgoalie Nicolas Beney ausfällt. Dieser fehlt auch im Cupfinal, weshalb Daniel Lopar kurz nach seinem 19. Geburtstag bereits Goalie eines Cupsiegers wird.

Abgesehen von kurzen Ausleihen zu Aarau (0 Einsätze) und Thun (4) bleibt der Romanshorner seine ganze Karriere in der Ostschweiz. Seit 2006 ist Lopar beim FC St.Gallen – mal als Nummer 1, mal als Ersatztorhüter oder wie in der vergangenen Saison als Beides, weil er sich mit Marcel Herzog die Einsätze gleichmässig teilte.

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Stefan Blunschi (31)

Der Innerschweizer gilt als Riesentalent, debütiert bereits als 16-Jähriger beim FC Luzern. Doch seine Karriere gerät ebenso früh ins Stocken. Als er den Cup mit Wil gewinnt, ist Blunschi immer noch erst 20 Jahre alt, hat aber bereits auch in Basel und Baden versucht, auf sich aufmerksam zu machen.

Weil Wil nach dem Cupsieg absteigt, wechselt Blunschi zum FC Aarau. Doch auch dort bleibt er nur eine Saison. Nach insgesamt 30 Super-League-Einsätzen zieht es ihn zum FC Cham, wo er insgesamt acht Jahre spielt – unter anderem schafft er mit den Zugern den Aufstieg in die Challenge League. 2012 tritt Stefan Blunschi im Alter von erst 28 Jahren vom Spitzensport zurück.

Blunschi bedrängt GC-Goalie Fabrice Borer.
Blunschi bedrängt GC-Goalie Fabrice Borer.Bild: KEYSTONE

Patrick Winkler (42)

In der jungen Cupsieger-Mannschaft ist Winkler einer der wenigen Routiniers. Er bringt die Abgeklärtheit eines Meisters mit, schliesslich ist er das im Jahr 2000 mit dem FC St.Gallen geworden. «Ich bin wohl der einzige Spieler, dem es vergönnt war, mit den zwei grössten Fussballclubs der Ostschweiz einen Titel zu feiern», freut sich Winkler.

Für den unermüdlichen Fighter ist der Cupfinal zugleich das letzte grosse Rendezvous. Mit dem Abstieg des FC Wil wenige Wochen nach dem Triumph in Basel beendet Patrick Winkler seine Spieler-Karriere. Danach ist er in verschiedenen Funktionen im Nachwuchs des FCSG tätig – bis zu seiner Entlassung Ende März 2015.

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Philippe Montandon (32)

Der Zürcher Unterländer wird als Jungspund Stammspieler beim FC Winterthur und wechselt nach Wil, als die Ostschweizer 2002 in die Nationalliga A aufsteigen. Nach dem Cupsieg und dem Abstieg bleibt er in der Ostschweiz, wechselt (ein erstes Mal) zum FC St.Gallen.

Dort bleibt Montandon, bis der neue Trainer Ralf Loose nicht mehr auf ihn setzt. Eineinhalb Jahre beim FC Schaffhausen folgen – und ein überraschender Transfer zu Chievo Verona. In Italien spielt Montandon jedoch nie, stattdessen wird er nach Lugano ausgeliehen. Dort hat er 2009 einen Schicksalsschlag zu bewältigen: Bei ihm wird Hodenkrebs festgestellt, ein Tumor erfolgreich entfernt.

2011 kehrt Montandon zum FC St.Gallen zurück. Er steigt mit den Grün-Weissen in die Super League auf, wird Captain, feiert schöne Erfolge in der Europa League. Doch immer wieder werfen ihn Hirnerschütterungen zurück. Anfangs 2015 muss Philippe Montandon kapitulieren – er gibt seinen Rücktritt bekannt.

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Massimo Rizzo (41)

Rizzo wechselt nach dem Abstieg des FC Wil zu Aufsteiger Schaffhausen. Ein Transfer, der zu ihm passt, denn die ganz grosse Fussballwelt ist für Massimo Rizzo stets ein ganz klein wenig zu weit entfernt. Erst mit 28 Jahren kann er seinen Traum verwirklichen und in der NLA spielen. Doch selbst da ist Massimo Rizzo kein Vollprofi, er arbeitet während seiner Zeit als Wil-Spieler weiterhin mit einem 60-Prozent-Pensum auf dem Sekretariat des Ligakonkurrenten FC Zürich.

2006 beendet Rizzo seine Profikarriere und wechselt zu United Zürich, einem Zweitligisten, der sich das utopische Ziel gesetzt hat, 2018 Schweizer Meister zu werden. Dort ist Rizzo zunächst Spieler, dann Trainer – aber parallel dazu bleibt er auch in verschiedenen Funktionen beim FC Zürich. Aktuell ist er Assistenztrainer von Urs Meier.

Rizzo im Zweikampf mit Xamax' André Wiederkehr.
Rizzo im Zweikampf mit Xamax' André Wiederkehr.Bild: KEYSTONE

Stephan Balmer (39)

Sollte der Cupsieg der späte Türöffner zu einer grossen Karriere werden? Stephan Balmer darf eine Woche lang beim grossen Maradona-Klub SSC Napoli vorspielen, damals in der Serie B zuhause.

Doch zu einer Verpflichtung des 28-jährigen Verteidigers kommt es nicht. Balmer, der im Cupfinal nach 38 Minuten für Rizzo eingewechselt wird, beschliesst daraufhin, seine Karriere zu beenden.

Balmer am Boden, doch am Ende sind Reto Ziegler und GC bedient.
Balmer am Boden, doch am Ende sind Reto Ziegler und GC bedient.Bild: KEYSTONE

Michel Renggli (35)

Den Mittelfeldstrategen zieht es nach dem Cupsieg zum FC Thun. Im Berner Oberland gehört er zu den besten Spielern eines Teams, welches überraschend Vizemeister wird. Danach entscheidet sich Renggli, ein Angebot von GC anzunehmen – da weiss er schliesslich noch nicht, dass der FC Thun sich für die Champions League qualifizieren wird …

Nach drei Jahren bei den Grasshoppers wechselt der Innerschweizer zum FC Luzern, wo er sechs weitere Jahre in der Super League spielt. Nach mehr als 350 Einsätzen auf höchster Ebene beendet Michel Renggli im Sommer 2014 seine Karriere – und kickt seither nur noch zum Plausch beim FC Hergiswil, wo seine Laufbahn als Junior angefangen hat. Um den aktuellen Nachwuchs kümmert sich Renggli beim FC Luzern, wo er Trainer der U14 ist.

Renggli bedrängt GC-Star Nuñez.
Renggli bedrängt GC-Star Nuñez.Bild: KEYSTONE

Davide Callà (30)

Der Winterthur schafft beim FC Wil den Durchbruch, gerät aber nach seinem Weggang im Sommer 2004 vom Regen in die Traufe. Wie in Wil herrschen auch bei seinem neuen Klub Servette chaotische Zustände, so dass Callà nach bloss einem halben Jahr in Genf und dem Konkurs zum FC St.Gallen wechselt.

Im Espenmoos ist Callà ein Leistungsträger, wird gar Captain. Das bleibt er, bis der FCSG im Sommer 2008 absteigt. Seither ist Callà in der Ostschweiz eine persona non grata – denn just der Captain gibt kurz nach dem Abstieg als erster Spieler seinen Abschied bekannt und seine neue Heimat ist ausgerechnet der in St.Gallen verhasste Grasshopper Club.

Dort wird Callàs Karriere von teils schweren Verletzungen gebremst, die phasenweise berechtigten Träume von der Nationalmannschaft muss er sich abschminken. Beim FC Aarau beginnt der Mittelfeldspieler 2012 gewissermassen seine zweite Karriere – welche ihn im Frühling 2014 zum FC Basel führt. Mit dem Branchenleader feiert er in den ersten beiden Saisons zwei Mal den Meistertitel.

Duell zweier Youngsters, 2003: Calla (links) gegen Tranquillo Barnetta.
Duell zweier Youngsters, 2003: Calla (links) gegen Tranquillo Barnetta.Bild: KEYSTONE

Fabinho (40)

Der zweifache Finaltorschütze wechselt nach dem Abstieg zum FC St.Gallen. Dort kann er in seinen zwei Jahren aber nie restlos überzeugen, es folgt der Wechsel nach Schaffhausen.

Wiederum eine Saison später, mit nun 32 Jahren, geht Fabinho zum FC Herisau. Im Appenzellerland ist der Brasilianer zunächst Spieler, doch wegen zahlreichen Verletzungen kann er nicht die Rolle einnehmen, die sich der Klub und er selber hoffen. In Herisau ist Fabinho aber immer noch: Nun als Trainer des 2.-Liga-Klubs.

Fabinho bezwingt GC-Goalie Fabrice Borer zum 3:2.
Fabinho bezwingt GC-Goalie Fabrice Borer zum 3:2.Bild: KEYSTONE

Kristian Nushi (32)

Der grösste Tag in der Karriere des offensiven Mittelfeldspielers ist wohl der 5. März 2014. An diesem Tag bestreitet Nushi das erste offizielle Länderspiel in der Geschichte des Kosovo. Von dort flüchtet er als Jugendlicher in die Schweiz, als 1998 der Krieg ausbricht. Der Vater arbeitet in Interlaken, Nushi kickt beim FC Spiez – eine Profikarriere scheint weit weg zu sein.

Nach dem Abstieg mit Wil ist Nushi einer der wenigen Spieler, die dem Klub die Treue halten. Erst 2007 zieht es ihn weiter, zum FC Aarau. Zwei Jahre lang spielt er auf dem Brügglifeld, danach wechselt Kristian Nushi zurück in die Ostschweiz. Bis 2014 ist er beim FC St.Gallen engagiert, danach erhält er keinen Vertrag mehr. Ein Engagement in den USA zerschlägt sich wegen Visa-Problemen, so kommt Nushi beim FC Winterthur in der Challenge League unter. Für die neue Saison sucht er einen Klub. Zwei Jahre würde er gerne noch auf höchstem Niveau spielen, lässt Nushi verlauten.

Nushi als kosovarischer Nationalspieler.
Nushi als kosovarischer Nationalspieler.Bild: KEYSTONE

Rogerio (35)

Der Mittelstürmer aus der Jugend des Pelé-Klubs FC Santos wechselt 2003 in die Schweiz – und feiert mit dem FC Wil gleich in seiner ersten Saison den Cupsieg. Es wird das Highlight in Rogerios Karriere bleiben.

Nach dem Abstieg verpflichtet GC den 24-Jährigen. In 54 Einsätzen gelingen ihm immerhin 15 Tore. Nach zwei Saisons wird er dennoch an Aarau abgegeben, wo er auf eine Quote von 20 Toren in 77 Spielen kommt. Das ist so gut, dass ihn die Grasshoppers erneut verpflichten. Doch Rogerio kann die Ansprüche nicht erfüllen und wird nach einer Spielzeit im Sommer 2010 ausgemustert. Damit endet seine Zeit in der Schweiz – und Rogerio verschwindet von der Bildfläche.

Lufthoheit: Rogeiro gewinnt das Duell gegen Kim Jaggy.
Lufthoheit: Rogeiro gewinnt das Duell gegen Kim Jaggy.Bild: KEYSTONE

Felix Mordeku (41)

Der Stürmer aus Ghana gelangt als 21-Jähriger in die Schweiz, wo er praktisch seine gesamte Karriere verbringt. Grenchen und Solothurn heissen seine ersten Arbeitgeber, 1999 wechselt Mordeku zum FC Wil. Dort bleibt er sieben Jahre, unterbrochen nur durch einige Monate bei Al-Whada in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Frühling 2003.

Mordeku verlässt den FC Wil 2006, erneut zieht es ihn in die VAE, zum Kalba Union Sportclub am Rande Dubais. Doch dort bleibt er nicht lange: Die Ostschweiz ist Mordekus Heimat geworden. 2007 schliesst er sich wie Fabinho dem FC Herisau an, ein Jahr später geht er für Uzwil auf Torejagd. Müssig zu sagen, dass Felix Mordekus beste Tage da bereits vorbei sind.

Mordeku trifft im zweitlegendärsten Spiel der Wiler Klubgeschichte: Beim 11:3-Sieg gegen den grossen Nachbarn FC St.Gallen.YouTube/delayfromswitzerland

Der Trainer

Der Verantwortliche für den Cupsieg heisst offiziell Joachim Müller. Aber der Ostdeutsche ist eher eine vom ukrainischen Klubbesitzer Igor Belanow installierte Marionette. Der bestimmende Mann, auf den die Spieler hören, ist Stephan Lehmann. Der Goalie mit den langen Haaren und 14 Länderspielen ist in Sachen Cupfinals schliesslich ein absoluter Experte: Vier Mal holt Lehmann den Kübel als Keeper des FC Sion.

Müller (links) und Lehmann.
Müller (links) und Lehmann.Bild: KEYSTONE

Lehmann motiviert die Wiler vor dem Spiel mit einem selbstgedrehten Film. Dabei lässt er Frauen, Freundinnen und Kinder der Spieler zu Wort kommen. Er will seinen Akteuren zeigen, für wen es sich zu siegen lohnt: «Nämlich für die Liebe. Die Liebe ist am stärksten.» Fast alle Spieler hätten vor Rührung Tränen in den Augen gehabt, verrät Stephan Lehmann nach dem grossen Triumph.

Dem grossen Motivator gelingt es in der Folge aber nicht wirklich, im Trainerbusiness Fuss zu fassen. Mit Cheftrainer René van Eck führt er den FC Luzern als Co-Trainer zum Aufstieg in die Super League, doch das Duo muss wenig später gehen. Auch eine gemeinsame Anstellung bei Carl Zeiss Jena dauert bloss wenige Monate. Zuletzt ist Stephan Lehmann als Goalietrainer beim FC Luzern tätig gewesen, seinem letzten Klub als Spieler.

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