Frau Bandi, die Corona-Pandemie wirbelt landauf, landab die Ferienpläne durcheinander. Den Strandurlaub in Italien oder Spanien können wir ziemlich sicher vergessen. Was bedeutet das?
Monika Bandi: Die Badeferien verbringen wir diesen Sommer wohl in der Schweiz. «Easyjet-Ferien» bleiben wohl ein Wunschtraum. Denn es ist noch völlig offen, wann die Grenzen in Europa wieder geöffnet werden. Trotz Corona vergeht den Menschen die Reiselust aber nicht. Im Gegenteil: Nach der wochenlangen Isolation ist das Bedürfnis nach Urlaubsreisen, einem Gegenalltag, besonders gross. Viele Leute sehnen sich nach einem Tapetenwechsel, einem Gegenalltag. Und natürlich nach traditionellen «Badeferien».
Sind unsere Tourismusdestinationen gerüstet, wenn plötzlich tausende Schweizer (Bade-) Ferien im eigenen Land verbringen wollen?
Campingplätze werden in den nächsten Monaten wohl sehr beliebt und teils voll sein. Aber ich staune immer wieder, was Schweizer Touristiker innert kürzester Zeit alles auf die Beine stellen. So könnte man etwa für Festivals vorgesehene Orte wie das Paléo in Nyon in Campingplätze umfunktionieren und so zusätzlichen Raum für Schweizer Gäste schaffen. Improvisation ist gefragt. Das packen unsere umtriebigen Touristiker.
Welche Gegenden profitieren neben den Seen-Regionen?
Die Menschen zieht es sicher in die Berge. Der Klimawandel bringt den Sommer auch in die alpinen Gebiete. Zu den Gewinnern dürften insbesondere Bijous mit nationaler Ausstrahlung gehören, die sonst eher ein Mauerblümchendasein fristen.
Wie meinen Sie das?
Regionen wie Meiringen oder Savognin haben sehr viel Platz, wo sich Feriengäste aufhalten können und dezentraler liegen. Was früher eine Schwäche war, könnte in Corona-Zeiten plötzlich ein Alleinstellungsmerkmal sein. Je grösser die Distanz zwischen Menschen möglich ist, desto wohler dürften sich einige Gäste diesen Sommer fühlen.
Muss ich die Ferien in der Schweiz baldmöglichst buchen oder sollte man besser abwarten?
Es ist sicher angebracht, jetzt schon Pläne zu schmieden und ein Hotel oder eine Wohnung für die Sommerferien zu reservieren. Fakt ist aber auch: Wir haben bei Beherbergungsbetrieben meistens grosse Überkapazitäten. Es hat in den meisten Regionen genug freie Betten. Man wird auch in der Hochsaison flexibel buchen können. Dies weil ja auch viele ausländische Gäste ausbleiben werden.
Welche Tourismus-Destinationen gehören in der Schweiz kurzfristig zu den Verlierern?
Das sind Orte, die stark von Übersee-Gästen abhängig sind, wie Luzern oder Interlaken. Diese Orte setzten in der Vergangenheit eher auf Wachstum aus Übersee und sind bei Schweizer Feriengästen wohl weniger auf dem Radar. Grosse Probleme bekommen auch die Städte, die vor allem auf Geschäftsreisende ausgerichtet sind. Das Businessreisen-Segment wird nach Corona wohl nicht mehr dasselbe sein wie vorher. Es ist generell davon auszugehen, dass sich die Strukturbereinigung in der Beherbergung massiv beschleunigt. Etliche Betriebe werden die Corona-Krise nicht überleben.
Hunderttausende Menschen in der Schweiz sind auf Kurzarbeit gesetzt worden und verdienen entsprechend weniger. Was sind die Folgen für den Tourismus?
Für viele Menschen sind Ferien mittlerweile ein Grundbedürfnis, gleichzeitig ist es auch ein Wohlstandsphänomen. Einige Leute werden dieses Jahr sicher weniger Geld für Ferien ausgeben. Tourismusregionen werden mit attraktiven Angeboten und Aktionen versuchen, die Gäste trotzdem zu Ferien in der Schweiz zu animieren.
2020 verbringen die Schweizer die Sommerferien im eigenen Land. Kann der Binnentourismus den Wegfall vieler ausländischer Gäste kompensieren?
Sicher nur zum Teil. Bereits in normalen Jahren machen Schweizer Gäste 45 Prozent der Hotel-Logiernächte aus. Rund 30 Prozent kommen aus der EU. Also aus dem nahen Ausland. 13 Prozent kommen aus Asien, acht Prozent aus den USA. Die Schweizerinnen und Schweizer haben sich in der Corona-Krise solidarisch gezeigt. Die Solidarität können sie nun mit Ferien im eigenen Land fortführen. Dadurch würde die regionale Wirtschaft gestärkt.
Wie verändert das Coronavirus unser Reiseverhalten längerfristig?
Es gibt zwei Aspekte: Die Pandemie ändert nichts daran, dass Reisen weiter ein Grundbedürfnis vieler Menschen bleibt. Andererseits wird es in den nächsten drei Jahren sicher schwieriger sein, weit weg zu reisen. Trips nach Übersee können unter Umständen wegen Einreise-Restriktionen sehr mühsam werden.
Inwiefern?
Asiatische Staaten sind bereits jetzt sehr restriktiv und verlangen teilweise Gesundheitschecks für die Einreise. In Thailand müssen Touristen ihren Standort per App durchgeben und einmal täglich einen Gesundheitsreport abliefern. Auf solche Eingriffe in die Privatsphäre müssen wir uns bei Fernreisen gefasst machen.
Kann die Schweiz davon profitieren?
Ich bin optimistisch, was die nächste Wintersaison bei uns anbelangt. Für viele Familien war es in jüngster Zeit günstiger, nach Thailand statt in die Schweizer Berge in die Winterferien zu fahren. Wegen Corona könnte es da ein Umdenken geben.
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Warum Inland-Touristen die Ausländer nicht ersetzen werden:
-Viele Schweizer - gerade die Vermögenderen - haben ohnehin Ferienhäuser. Die gehen dann dorthin und nicht sonstwo in ein teures Hotel.
-Viele Dinge kann man in Tagesausflügen machen und Abends wieder heimgehen. Hotel gespart.
-Inländer tappen nicht in Touristenfallen.
Und da sich das bei vielen Ländern so verhält - und der Tourismus ein riesiges Geschäft ist, denke ich, dass hier eine Öffnung einiges schneller erfolgt als Frau Bandi es sagt.