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Liebe Frau Freitag, ich sass vor ein paar Tagen 12 Stunden im Flugzeug von Shanghai nach Zürich. Neben mir schlief ein Herr mit einer laut funktionierenden Verdauung. 

Ja ähm also ... Dieses Bild möchte Kafi lieber nicht vertonen.
Ja ähm also ... Dieses Bild möchte Kafi lieber nicht vertonen.Bild: Kafi Freitag
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Liebe Frau Freitag, ich sass vor ein paar Tagen 12 Stunden im Flugzeug von Shanghai nach Zürich. Neben mir schlief ein Herr mit einer laut funktionierenden Verdauung. 

18.05.2015, 09:0718.05.2015, 09:46

Ich hoffte, dass ich mit verstopfter Nase dank Erkältung nichts davon abbekomme. Die Geräusche des Nachbars drückte ich zwar mit onboard-TV weg, der Geruch aber setzte sich in meiner Nase; und blieb da. Petzt man nun beim Flugpersonal? Oder ertragen und schweigen? Oder schütteln, aufwecken bzw. anpöbeln? Mit dem Finger auf den schnarchenden Furzer zeigen, damit die Verantwortlichkeiten zumindest klar sind? Was soll Mann tun? Danke für einen Knigge-Hinweis. Thomas, 37

Kafi Freitag
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Lieber Thomas

Sie haben 12 Stunden neben einem schnarchenden Furzer verbracht und diese Tortur lebend überstanden, Kompliment. Am liebsten würde ich von Folter sprechen, aber da ich das bereits an anderer Stelle im Bezug auf langweilige Arbeitstage getan habe und dafür beinahe gesteinigt wurde, lasse ich das mal lieber bleiben. (Selbstredend wird in der Schweiz niemand wirklich gesteinigt, es handelt sich hierbei nur um eine sprachliche Metapher.)

In unseren Breitengraden darf man das Wort «Folter» nämlich nur dann in den Mund nehmen, wenn es wirklich um Leben und Tod geht und der Weg dorthin ein unmenschlicher ist. Es ist darüber hinaus immer von Vorteil, wenn der Schauplatz des Geschehens ein Drittweltland ist. Nun kann man bei einem Flugzeug, das zwischen China und Europa verkehrt, natürlich nicht wirklich von einem Drittweltland reden, schliesslich ist es ein Flieger und kein Staat. Aber meistens gehört eine Airline einem Staat, oder dieser ist wenigstens finanziell daran beteiligt. Wenn Sie Swiss-Passagier waren, dann darf ich demzufolge obiges Erlebnis keinesfalls als «Folter» bezeichnen, das würde mir meine politisch korrekte Leserschaft sonst sehr Übelnehmen. Sassen Sie und der Furzer aber in einer chinesischen Maschine, dann befindet sich Ihr Anliegen in einer Grauzone und ich darf den Ausdruck zumindest in «» ausschreiben. Selbstverständlich würde es heute keiner mehr wagen, China als Drittweltland zu bezeichnen, diese Zeiten sind vorbei. Heutzutage verwendet man dafür stattdessen korrekterweise den Begriff «Schwellenland». So werden Staaten genannt, welche sich mit Siebenmeilenstiefeln vom Entwicklungsland in Richtung Industriestaat bewegen. Nun ist es aber leider so, dass die Entwicklung der Menschenrechte in China nicht ganz so schnell unterwegs ist wie die wirtschaftliche und so kommt es immer wieder zu unschönen Episoden, die man mit etwas Grosszügigkeit als Folter bezeichnen kann.

Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, was das alles mit Ihnen und dem Furzer zu tun hat und ich muss Ihnen sagen: so einiges! Natürlich könnte ich Ihnen eine Standard-Antwort geben und Ihnen raten, einfach am Sitznachbarn zu rütteln. Aber das wäre wenig seriös und im Anbetracht des grossen Ganzen auch nicht wirklich adäquat und darum möchte ich mir hier Zeit nehmen, die Thematik von allen Seiten auszuleuchten.

Es gibt verschiedene Variationen des Problems und jede muss anders angegangen werden. Ich werde Ihnen hiermit gerne die vier wichtigsten aufzeigen. Selbstverständlich bestehen unzählige weitere Unterkategorien, auf welche ich aber leider in diesem Rahmen nicht genauer eingehen kann, ich hoffe Sie verstehen das.

Europäische Airline, europäischer Furzer: Hier ist es sinnvoll, den diplomatischen Weg einzuschlagen. Versuchen Sie es erst einmal mit GfK (Gewaltfreie Kommunikation, wie treue Leser von mir bereits gelernt haben). Formulieren Sie Ihre Gefühle wertfrei und achten Sie bitte darauf, dass sich keine Vorwürfe einschleichen. Dies könnte zum Beispiel folgendermassen klingen: «Ich höre die Geräusche ihres Magens und nehme veränderte Gerüche war. Ich bin irritiert, weil ich mir die kommenden 12 Stunden geruchsneutraler vorgestellt hatte. Wären Sie bereit, gemeinsam mit mir einen Weg zu suchen, den es uns beiden erlaubt, auf angenehme Art und Weise das Nebeneinander während dieser Zeit so angenehm als möglich zu gestalten?»

Chinesische Airline, europäischer Furzer: Hier ist die Vorgehensweise ähnlich wie oben, allerdings unter Berücksichtigung, dass Sie sich in einer Schwellenland-Maschine befinden. Dementsprechend formulieren Sie Ihr Anliegen wohlgeformt und freundlich, beenden den Satz aber laut und deutlich mit «DAS IST FOLTER!»

Europäische Airline, chinesischer Furzer: Hier ist eine kurze diplomatische Intervention sehr zu empfehlen, auch wenn diese vom Empfänger nicht verstanden wird. Danach beginnen Sie langsam damit, den Furzer mit der Plastikgabel zu piksen. Das Wort «Folter» sollte in dieser Variation nicht fallen, befinden Sie sich doch in einer Maschine eines Staates, in der es diese per Gesetz nicht gibt. Anwenden sollten Sie sie trotzdem, wenn auch in gemässigtem Rahmen.

Chinesische Airline, chinesischer Furzer: Maul halten. Furzen geht hier noch nicht als Folter durch.

Nach Anwendung der passenden Vorgehensweise wenden Sie sich bitte unverzüglich ans Kabinenpersonal und bitten um eine Versetzung in die nächsthöhere Klasse. Falls Sie bereits in der 1. sitzen und das Magenrumpeln Ihres Nachbarn trotzdem hören können, ist dies ein Zeichen, dass Sie in einer ausgemusterten Drittweltmaschine sitzen. Dann sollten Sie sich um Wichtigeres kümmern, als das Benehmen anderer Passagiere. Dann heisst es: Beten!

 Mit freundlichen Grüssen, Ihre Kafi.

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Kafi Freitag (39) beantwortet auf ihrem Blog www.FragFrauFreitag.ch Alltagsfragen ihrer Leserschaft. Daneben ist sie Mitbegründerin einer neuen Plattform für Frauen: Tribute.ch.



Im analogen Leben führt sie eine Praxis für prozessorientiertes Coaching (www.FreitagCoaching.ch) und fotografiert leidenschaftlich gern. Sie ist verheiratet und Mutter eines zehnjährigen Sohnes.



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Ich muss weg. Einfach mal raus in die Natur. Abschalten. Kein Internet. Kein Netflix. Nur ich und ich. Klingt theoretisch super. Praktisch erlebe ich mein eigenes Blair Witch Project.

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