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Trotz Kritik an Krisenstrategie – Ständerat will Bundesrat im Lead

Bundesrat Ueli Maurer spricht zur Kleinen Kammer an der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 4. Maerz 2021 im Staenderat Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Bundesrat Ueli Maurer spricht zu den Ständerätinnen und Ständeräten am 4. März im Bundeshaus.Bild: keystone

Trotz Kritik an Krisenstrategie – Ständerat will Bundesrat im Lead

04.03.2021, 18:2205.03.2021, 14:14
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Die bürgerliche Mehrheit im Ständerat hat am Donnerstag ihren Unmut über die Corona-Strategie des Bundesrats geäussert. Die kleine Kammer verzichtet aber auf Machtspiele und schlägt stattdessen neue Leitplanken für die Entscheide des Bundesrats vor.

SVP-, FDP- und CVP-Vertreterinnen und -Vertreter nahmen die Eintretensdebatte zum überarbeiteten Covid-19-Gesetz zum Anlass für eine «Chropfleerete». Es wurde nicht gespart mit Kritik, Vorwürfen und Vorschlägen an die Adresse des Gesamtbundesrats.

Hannes Germann (SVP/SH) sprach von einem «Versagen auf verschiedenen staatlichen Ebenen». Geradezu «lächerlich» sei der Streit um die Aussenterrassen in Restaurants. Es brauche nun «sinnvolle Korrekturen».

Hannes Germann, Staenderat SVP-SH und Praesident Schweizerischer Gemeindeverband (SGV), spricht waehrend einer Medienkonferenz ueber das EID-Gesetz, am Donnerstag, 14. Januar 2021, in Bern. (KEYSTONE/ ...
Hannes Gerrmann sparte nicht mit Kritik am Bund.Bild: keystone

Der Bund sei längst weit nicht so gut unterwegs, wie von den Behörden regelmässig behauptet werde, monierte Ruedi Noser (FDP/ZH). Es fehle an einer kohärenten Impf- und Teststrategie. Peter Hegglin (CVP/ZG) plädierte für eine «pragmatische Öffnungsstrategie».

«Kein Öffnungsdatum im Gesetz»

Auch Pirmin Bischof (CVP/SO) sah bei der Krisenbewältigung Luft nach oben. So habe die Regierung etwa nicht immer treffend begründen können, weshalb welche Massnahmen ergriffen wurden. Es sei aber wichtig – betonte er wie viele seiner Vorredner –, dass dem Bundesrat die Handlungskompetenz nicht entzogen werde.

«In einer Krise ist es wichtig, die verfassungsmässigen Instrumente einzuhalten», sagte Bischof mit Blick auf Anträge, die am kommenden Montag im Nationalrat zu reden geben werden. Egal, was der Schwesterrat entscheide: «Vom Ständerat wird kein Öffnungsdatum ins Gesetz geschrieben.»

Damit sollte er in der Detailberatung Recht behalten. Keine Chance hatte etwa ein Antrag von Thomas Minder (parteilos/SH), dem Parlament ein Vetorecht einzuräumen. Er verlangte, dass im Falle eines Lockdown die zuständigen Kommissionen das letzte Wort haben sollen.

Regionale Lockerungen möglich machen

Der Ständerat präzisierte stattdessen die Leitlinien, innerhalb derer der Bundesrat in Zukunft seine Corona-Entscheide treffen soll. Er hat einen Absatz ins Covid-19-Gesetz aufgenommen, wonach der Bundesrat seine Strategie auf mildest- und kürzestmögliche Einschränkungen ausrichten soll. Zudem soll der Bundesrat die Kantonsregierungen vermehrt in seine Entscheide miteinbeziehen.

Weiter will der Ständerat regionalen Entwicklungen der epidemiologischen Lage vermehrt Rechnung tragen. Der Bundesrat soll «vorbildlichen» Kantonen Erleichterungen der Corona-Massnahmen gewähren. Die bürgerliche Mehrheit sieht darin die Chance, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Finanzminister Ueli Maurer warnte vergeblich vor diesem Schritt: «Wir wecken damit sofort wieder Erwartungen, dass die Kantone wieder sehr viele Freiheiten haben.»

«Der Weg muss breiter werden»

Von linker Seite war während der über fünfstündigen Debatte kaum Kritik am Kurs des Bundesrats zu vernehmen. Paul Rechsteiner (SP/SG), der Präsident der Gesundheitskommission, lobte das Krisenmanagement ausdrücklich. Die Eingriffe in die Freiheit der Menschen seien in der Schweiz weit weniger stark gewesen als im umliegenden Ausland.

Paul Rechsteiner, SP-SG, spricht zur sogenannten 99 Prozent Initiative, an der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 2. Maerz 2021 im Staenderat Bern. (KEYSTONE/Alessandro della V ...
Lobte das Krisenmanagement des Bundes: Paul Rechsteiner.Bild: keystone

Maurer sprach von einer Gratwanderung, auf der sich der Bundesrat seit langem befinde. Das Ziel sei immer eine rasche Rückkehr zum normalen Betrieb. «Der Weg muss breiter werden, damit uns die Bevölkerung noch folgen kann.» Wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte sollten nun einen höheren Stellenwert erhalten.

Mehr Bundesgelder für Unternehmen

Bei der Ausweitung des Härtefallprogramms – ursprünglich der zentrale Punkt der neuerlichen Gesetzesrevision – entschied der Ständerat wenig überraschend im Sinne der Kantone. So soll sich der Bund bei mittelgrossen Unternehmen mit 80 Prozent an den Kosten der kantonalen Härtefallmassnahmen beteiligen. Der Bundesrat sah einen Finanzierungsanteil von 70 Prozent vor.

Mehr Unterstützung sollen Grossfirmen erhalten. Für grosse Unternehmen mit einem Umsatzrückgang von mehr als 70 Prozent soll nach dem Willen des Ständerats der Bundesrat auch mehr als 10 Millionen Franken zahlen können.

Abgelehnt hat der Ständerat den Antrag seiner Kommissionsmehrheit, dem Detailhandel in den nächsten zwei Jahren zwölf Verkaufssonntage pro Jahr zu ermöglichen. Es handle sich hier um ein unerwartetes Geschenk aus Bern, das niemand gefordert und erwartet habe, argumentierte Mitte-Links erfolgreich.

Perspektive für Sportklubs

Dafür sollen Sportklubs nach Meinung des Ständerats künftig einfacher an À-fonds-perdu-Beiträge gelangen. Stimmt auch der Nationalrat dem neuen Passus zu, sollen die Klubs nicht mehr zu Lohnsenkungen gezwungen werden, wenn sie Corona-Gelder beantragen.

Weiter beschloss die kleine Kammer, die Obergrenze für Beiträge an Kultur und Kulturschaffende zu streichen. So vergrössert sich der Spielraum, sollten Nachtragskredite nötig werden. Schliesslich soll der Bund auch private Radio- und Fernsehunternehmen mit Mitteln aus der Abgabe für Radio und Fernsehen unterstützen können.

Die Vorlage geht nun an den Nationalrat, der sich am kommenden Montag mit der Corona-Politik des Bundes befassen wird. Erwartet wird dort eine nicht minder emotionale Debatte, die sich bis in den späten Abend hineinziehen dürfte. (sda)

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13 Kommentare
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Pafeld
04.03.2021 19:10registriert August 2014
"Er verlangte, dass im Falle eines Lockdown die zuständigen Kommissionen das letzte Wort haben sollen."

Dieser versuchte, eklatanten Verstoss gegen die Gewaltenteilung und der Versuch der direkten Einflussnahme durch die verfilzten Kommissionen ist nur ein weiteres Symptom einer bürgerlichen Eco-Ochlokratie, bei der die legalisierte Korruption nicht die Ausnahme, sondern das Tagesgeschäft darstellt.
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Drachenherz
04.03.2021 19:21registriert Juni 2019
Meine Erfahrung mit „Zückerlis“ für brave Kantone ist zwiespältig. Bern Läden offen, Westschweiz alles zu, und Zack, sprachen alle französisch in den Berner Läden. Die Pandemie, bzw der Virus kennt keine Grenzen. Die Vergangenheit hats mehrfach bewiesen. Funzt meiner Meinung einfach nicht. Alle für einen, einer für alle, so abgedroschen es klingen mag. Aber bei der Impstrategie ist wahrlich Luft nach oben...
Kräfte bündeln, dann kommt es gut!
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Super8
04.03.2021 18:35registriert November 2019
Es ist tut weh zuzusehen, wie das Parlament das Covid-Gesetz verschlimmbessert.
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«Erster wirklicher Stresstest für die Schuldenbremse»: Ökonom ordnet drohendes Defizit ein
Beim Bund drohen Defizite von bis zu vier Milliarden Franken. Wie schlimm ist das? Und wie hat man in der Vergangenheit darauf reagiert? Ökonom Thomas M. Studer, der zur Geschichte der Bundesfinanzen seine Dissertation verfasst hat, gibt Auskunft.

Jahrelang schrieb der Bund Überschüsse. Jetzt drohen Defizite in Milliardenhöhe. Verglichen mit früher: Wie schlecht steht es um die Bundesfinanzen?
Thomas M. Studer:
Um das vergleichen zu können, stellt man das Defizit ins Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP). Bei jährlichen strukturellen Defiziten von 2 bis 4 Milliarden Franken, wie sie der Bund erwartet, sind das gemessen am aktuellen BIP rund 0,25 bis 0,5 Prozent. In der Schuldenkrise der 1970er-Jahre waren es bis zu 0,9 Prozent, in den 1990er-Jahren sogar bis 2 Prozent. So schlimm ist es heute noch nicht. Was die Geschichte aber zeigt: Es ist schwierig, aus einer Defizitphase herauszukommen, wenn man mal drin ist.​

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